28. Juli 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller
Hamburger SPD: Die Stadt in Ordnung bringen - Aufräumarbeiten bei HSH Nordbank und Hamburgischem Versorgungsfonds (HVF) unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Die Hamburger SPD und ihr politischer Führer sind für ihre großen Ansprüche bekannt: »Wir sind auch gewählt worden, um den Haushalt unserer Stadt in Ordnung zu bringen. … Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen dürfen uns nicht dazu verführen, den eingeschlagenen Kurs solider Haushaltspolitik zu verlassen.« Ein wichtiger Punkt der neuen Ordnung ist die Sanierung der HSH Nordbank und die Rekapitalisierung des Hamburgischen Versorgungsfonds.
Der Versorgungsfonds soll die Altersversorgung der Bediensteten der öffentlichen Unternehmen absichern und ist durch das HSH-Nordbank-Desaster faktisch in die Pleite getrieben worden. Sehr weit sind die Aufräumarbeiten aber nicht gediehen. Besonders bemerkenswert ist dabei das sozialdemokratische Verständnis von Transparenz (1)
Auch wenn in Hamburg nur auf den Fluren des Rathauses darüber gesprochen und in der Hamburger Presse nur gelegentlich berichtet wird, ist klar: Die HSH Nordbank muss –vor allem auf Druck der EU-Kommission – neu geordnet oder abgewickelt werden, und das wird die städtische Kasse erneut enorm belasten. Zur Diskussion steht offensichtlich eine Aufspaltung der Landesbank in eine »bad bank«, in die Altlasten vor allem aus dem Schifffahrts- und Immobiliensegment in Milliardenhöhe (die Rede ist von 30 Mrd. Euro) verschoben werden, und eine »good bank«, die dann als »Geschäftsbank für Unternehmer« weiter existieren soll.(2) Die Länder müssten für eine solche Lösung weiteres Eigenkapital zur Verfügung stellen, im Gespräch sind hierzu drei bis vier Mrd. Euro. Wirklich ein Musterfall an demokratischer Öffentlichkeit: Die Hansestadt ist in ein Sanierungsprojekt in der Größenordnung von mehreren Milliarden Euro involviert – aber die Informationen bleiben spärlich.
Schon bisher ist die HSH Nordbank vor allem für die Länder Hamburg und Schleswig Holstein eine gewaltige Vermögensverbrennungsmaschine. Einschüsse in Milliardenhöhe und ein Garantie von aktuell 10 Mrd. Euro sowie die kontinuierliche Abschreibungen des Werts der HSH Anteile haben die Landeshaushalte Hamburgs und Schleswig Holsteins seit 2008 enorm belastet. Zu den Verlierern gehört u.a. auch die Hamburgische Versorgungsfonds AöR (HVF), deren Anteilswerte an der HSH Nordbank von ursprünglich 1,2 Mrd. Euro dramatisch auf nunmehr 70 Mio. Euro geschrumpft sind. Der Effekt: Um seine Aufgaben, die vor allem in der Sicherstellung von Versorgungsverpflichtungen früherer städtisch Beschäftigter liegen, erfüllen zu können, braucht der HVF immer mehr Zuschüsse aus der Staatskasse.
Kleine Geschichte der Hamburgischen Versorgungsfonds AöR (HVF)
In Vorbereitung der Privatisierung wurde der städtischen Krankenhausbetrieb LBK Hamburg zum 01.01.2005 in eine Besitzanstalt, nämlich den LBK Immobilien und in eine Betriebsanstalt aufgetrennt worden. Die Betriebsanstalt wurde in die LBK Hamburg GmbH umgewandelt. Die Vermögensgegenstände und Schulden des LBK Hamburg, die wirtschaftlich dem Krankenhausbetrieb zuzuordnen waren, wurden auf die neu gegründete Betriebsanstalt übertragen. Die nicht zu übertragenden Vermögensgegenstände und Schulden verblieben beim LBK Immobilien.
Aus der LBK Hamburg GmbH wurde dann nach dem gegen den Willen der großen Mehrheit der HamburgerInnen erfolgten Verkauf der Mehrheitsanteile an der LBK Hamburg GmbH an den Gesundheitskonzern Asklepios, der seit dem 1.1.2007 74,9% der Anteile hält, die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH. Die verbleibenden städtischen Anteile von 25,1% wurden dem LBK Immobilien zugeordnet. Um das Geschäft für Asklepios noch attraktiver zu machen, wurde der Konzern von den Verpflichtungen der Altersvorsorge der ehemals städtisch Beschäftigten freigestellt.
Deshalb gehörte zu den Aufgaben des LBK Immobilien nach der erfolgten Auftrennung neben der Verwaltung seines Grundbesitzes und seiner Beteiligungen auch die Erfüllung dieser Altersversorgungsverpflichtungen. »Der Bereich Altersversorgung beinhaltet die Übernahme und Verwaltung insbesondere der am 31.12.2004 bestehenden Versorgungsverpflichtungen des früheren LBK Hamburg gegenüber Rentnerinnen und Rentnern sowie der bis zum Stichtag entstandenen Versorgungsverpflichtungen gegenüber beurlaubten Beamtinnen und Beamten.«
Zum 21.11.2006 wurde der LBK Immobilien umfirmiert in Hamburgischer Versorgungsfonds (HVF) – Anstalt öffentlichen Rechts. Der Aufgabenbereich wurde erweitert um die Entlastung bestimmter öffentlicher Unternehmen von Altersversorgungsaltlasten. »Zusätzlich werden die Versorgungsaltlasten der öffentlichen Unternehmen Hamburger Friedhöfe, f&w, Studierendenwerk sowie des UKE ausfinanziert, die aus der Zeit vor ihrer Verselbständigung stammen. Der HVF übernimmt periodische Zahlungen an die Einrichtungen, die es diesen ermöglichen, die Versorgungslasten zu tragen.«
Für insgesamt 10.500 VersorgungsempfängerInnen, davon 5.500 frühere LBK-Beschäftigte, wurden 2013 insgesamt 59,5 Mio. Euro ausgegeben. Hinzu kommen noch die notwendigen Rückstellungen für Versorgungsverpflichtungen, das waren zum 31.12.2013 immerhin 577,8 Mio. Euro.
Zur Finanzierung der neuen Aufgaben erhielt der HVF erstens eine Anschubfinanzierung aus dem städtischen Haushalt. Zweitens wurden in den HVF Aktien der HSH Nordbank eingebracht. Das Kalkül war, vor allem aus den Gewinnen der damals noch das große Rad drehenden HSH Nordbank die Altersversorgung abzusichern. Daraus ist bekanntlich nichts geworden.
Im Geschäftsbericht 2013 liest sich das so: »Um die nach der Auftrennung des LBK bestehende Unterdeckung auszugleichen und eine Finanzierung der dem HVF übertragenden Versorgungsverpflichtungen zu ermöglichen, hat die FHH insgesamt 15.622.732 Aktien an der HSH Nordbank AG in den HVF eingebracht. Nach dem Verkauf von 1.325.563 Aktien in 2007 hält der HVF nunmehr noch 14.297.169 Aktien an der HSH Nordbank AG. Nach den in den Jahren 2009 und 2012 durchgeführten Kapitalerhöhungen, an der der HVF jeweils nicht teilgenommen hat, ist die Beteiligungsquote von 16,22% auf 4,74% gesunken. Im Zusammenhang mit der Krise an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten wurden seit 2008 bis einschließlich 2012 insgesamt außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von Mio. EUR 936,3 vorgenommen. Im Geschäftsjahr 2013 erfolgte eine weitere außerplanmäßige Abschreibung in Höhe von Mio. EUR 11,7 auf einen Wert je Aktie von EUR 6,69 zum 31. Dezember 2013.«
Da aus der erhofften Gewinnbeteiligung an der HSH Nordbank nichts geworden ist, sondern im Gegenteil das eingebrachte Kapital von 1,2 Mrd. Euro fast vollständig vernichtet wurde, ist der HVF zu einem Dauerempfänger städtischer Unterstützungsleistungen geworden, um seine Funktionsfähigkeit einigermaßen aufrechtzuerhalten. Allein in den Jahren 2012/2013 hat der HVF Haushaltszuschüsse von 253 Mio. Euro erhalten. Und diese Entwicklung hat sich 2014 logischerweise, nachdem wieder 26 Mio. Euro an der HSH Nordbank-Beteiligung abgeschrieben werden mussten, fortgesetzt. Erneut wies der HVF ein negatives Jahresergebnis von 74,3 Mio. Euro aus. Und es gehört nicht viel Prognosefähigkeit dazu, um anzunehmen, dass der HVF auch noch seine verbliebenen wertmäßigen Anteile von 70 Mio. Euro an der HSH Nordbank komplett wird abschreiben müssen.
In Geschichte und aktuellen Nöten des Hamburgischen Versorgungsfonds bündeln sich die dramatischen Konsequenzen der vor allem unter dem neoliberalen CDU-Vordenker Peiner und Co. forcierten Deregulierungs- und Privatisierungspolitik der letzten Jahrzehnte: Der Verkauf der Krankenhäuser war trotz gegenteiliger Versprechungen für die Stadt ein gigantisches Verlustgeschäft, das den Haushalt bis heute belastet, und die goldene Henne HSH Nordbank hat sich als Vermögensvernichter entpuppt, der für die Zukunft der Stadt und ihrer RentnerInnen und PensionärInnen eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Dies offen auszusprechen und die Finanzierung des HVF auf eine neue Grundlage zu stellen, hatte die SPD als Sanierungsaufgabe proklamiert. Mittlerweile versucht sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Problemfälle unter den Teppich zu kehren.
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(1) In einer aktuellen Anfrage zur HSH Nordbank erklärt der Senat: »Es bestehen derzeit europaweit keine aufsichtsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich einer verbindlichen Non-Performing-Loan-(NPL)-Quote. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist keine direkte Verfahrensbeteiligte im EU-Beihilfeverfahren. Konsultationen zwischen Finanzinstituten und den Aufsichtsbehörden unterliegen im Übrigen grundsätzlich der Vertraulichkeit. Weitergehende Auskünfte hat die Bank nicht erteilt, da es sich bei den erfragten Einzelheiten um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 93 Absatz 1 Satz 3 Aktiengesetz handele. Der Senat sieht in ständiger Praxis grundsätzlich davon ab, zu Presseberichten oder hypothetischen Fragen Stellung zu nehmen.« (Drucksache 21/1094, 21. Wahlperiode 24.07.15)Ende Mai hatte der sozialdemokratisch geführte Senat dazu erklärt: »Die Länder arbeiten derzeit gemeinsam mit der HSH an einer nachhaltigen Lösung im EU-Beihilfeverfahren. Der Senat unterstützt in diesem Zusammenhang auch eine Umstrukturierung der Garantie, Portfoliobereinigungen sowie andere Maßnahmen zur Stärkung der Kapitalbasis, die dazu dienen, die Bank in einem anspruchsvollen Markt- und Wettbewerbsumfeld dauerhaft erfolgreich auszurichten und ihr zu ermöglichen, das eingesetzte Kapital zu sichern und darauf eine angemessene Rendite zu erwirtschaften. Bank und Länder erörtern mit der EU-Kommission derzeit Maßnahmen, die hierfür erforderlich und geeignet sind. Die Planungen, Überlegungen und Verhandlungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Ein Abschluss des EU-Beihilfeverfahrens wird seitens der Bank und der Länder zügig angestrebt, liegt aber in der Zuständigkeit und Verantwortung der EU-Kommission. Zu den laufenden Gesprächen mit der EU-Kommission nimmt der Senat zur Wahrung der Unbefangenheit des Verhandlungsprozesses nicht Stellung.«
(2) Vgl. dazu Joachim Bischoff / Norbert Weber, HSH-Nordbank – Hamburgs und Schleswig-Holsteins Bleigewicht; www.vorort-links.de/nc/archiv/analysen_ansichten/detail/artikel/hsh-nordbank-hamburgs-und-schleswig-holsteins-bleigewicht/