Der rechte Rand

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21. Juli 2015 Joachim Bischoff / Norbert Weber

HSH-Nordbank – Hamburgs und Schleswig-Holsteins Bleigewicht

Immer wieder die HSH Nordbank. Die Finanzministerin von Schleswig Holstein, Monika Heinold (Grüne), erklärte vor dem Landesparlament, dass sie von der Europäischen Kommission weitere Auflagen an die HSH Nordbank erwartet. Gespräche der beiden Bundesländer Hamburg und Schleswig Holstein mit der EU-Kommission hätten ergeben, dass Lösungsvorschläge erwartet werden, die ein drittes Beihilfeverfahren ausschließen.

Was heißt das? Jede Unterstützung der einstigen Landesbank muss von der EU-Kommission auf Wettbewerbsverzerrungen geprüft und gebilligt werden. Die Bank war 2008 pleite und konnte nur durch eine Eigenkapitalhilfe von drei Mrd. Euro und einer Garantiezusage der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein in Höhe von 10 Mrd. Euro gerettet werden. Eine unkontrollierte Pleite wäre vor dem Hintergrund der noch offenen Verpflichtungen aus der Gewährträgerhaftung der staatlichen Eigentümer in Höhe von seinerzeit 67 Mrd. Euro (Stand heute: 15 Mrd. Euro) für die Länder sehr teuer geworden. Diese Rettungsmaßnahme führte aber zu einem EU-Beihilfeverfahren, das enge Auflagen für die zukünftige Geschäftsentwicklung der HSH vorgab. Die Bank verzichtet vorschnell auf drei Mrd. Euro dieser Garantien, musste den Verzicht wenig später wieder zurücknehmen und provozierte wegen der erneuten Aufstockung auf 10 Mrd. Euro ein weiteres Prüfungsverfahren. Zunächst wurde die Aufstockung vorläufig genehmigt. Das neue Beihilfeverfahren der EU sollte bis Ende des Jahres 2014 abgeschlossen sein. Ist es aber nicht. Im Unterschied zum vorangegangenen Verfahren geht die Bank nicht davon aus, dass ihr die Wettbewerbshüter erneut harte Auflagen aufbrummen werden.

Bisher wurde die Wiederaufstockung der Garantien vor zwei Jahren von der EU nur vorläufig genehmigt. Immer noch fordert die EU-Kommission, dass die Bank dauerhaft und belastbar ihre Lebensfähigkeit nachweist. Dieser Nachweis ist schwierig, weil
a)  die Bank wie kein anderes deutsches und weltweites Kreditinstitut unter der Schifffahrtskrise leidet und viel Geld für notleidende Kredite zurücklegen muss;
b) das neue Geschäftsmodell eigentlich nur auf dem Papier steht und seinen Praxistest mehrfach nicht bestanden hat.

Fakt ist: Die Europäische Zentralbank (EZB), Sitz der europäischen Bankaufsicht, macht beim Genehmigungsverfahren und Umbau der HSH Nordbank Druck. Die Landesbank soll faule Schiffskredite in Milliardenhöhe ausmisten. Damit die Bank überhaupt wieder auf die Beine kommt und das Genehmigungsverfahren abgeschlossen werden kann, gibt es einen Umbauplan, über den das Institut derzeit mit seinen Eigentümern und der EU-Kommission verhandelt. Zentrale Hürde: Faule Schiffskredite sollen in eine Zweckgesellschaft ausgelagert werden.

Die EZB fordert offensichtlich, dass der Anteil ausfallgefährdeter Darlehen (»non-performing loans«, NPL) am gesamten Kreditportfolio der Bank in den kommenden Jahren auf zehn bis zwölf Prozent sinkt. Aktuell hat die HSH laut einer Investorenpräsentation von Ende Mai fast 16 Mrd. Euro an faulen Krediten in den Büchern, was einer NPL-Quote von 22,8% entspricht. Damit steht sie deutlich schlechter da als andere deutsche Banken, die meist eine NPL-Quote im niedrigen einstelligen Bereich haben.

Die HSH Nordbank ist also immer noch von  der Krise in der Schifffahrt betroffen und wegen der großen Überkapazitäten ist keine Trendwende in Sicht. Im Rahmen seiner Neuaufstellung will das Institut daher möglichst viele faule Schiffskredite in eine staatliche Zweckgesellschaft verschieben. Die verbleibende HSH Nordbank wäre dann deutlich kleiner und hätte – wie von der EZB gewünscht – eine niedrigere NPL-Quote. Detailfragen sind aber noch nicht geklärt, etwa wie viele Kredite in die neue Einheit verschoben und welche Werte dabei angesetzt werden. Zudem ist  nicht klar, wie stark bei der Auslagerung eine staatliche Garantie in Anspruch genommen wird, mit der 94% der ausfallgefährdeten HSH-Kredite abgesichert sind.

Finanzminsterin Heinold erklärt, im Unterschied zu dem schweigsamen Hamburger Finanzsenator Tschentscher: »Wir beraten über die Höhe des Garantiezinses, über den Verkauf von Portfolien und eine mögliche Abspaltung von Teilen der Bank.« Es gehe auch darum, wie in Zukunft ein tragfähiges Konzept für die Bank aussehen könne.

Zur Diskussion stehen sowohl weitere Kapitaleinschüsse (Bürgermeister Scholz spricht  von drei Mrd. Euro) oder / und Entlastung der Bank von risikobehafteten »Altlasten«, die möglicherweise in eine externe öffentliche Struktur in Form einer Zweckgesellschaft überführt werden sollen.

Fakt ist also: Es gibt erneut eine dramatische Zuspitzung der Situation bei der HSH Nordbank, die sicherlich auch durch jahrelange Untätigkeit der Eignerländer Hamburg und Schleswig-Holstein befördert wurde. Nun rächt sich, dass man tatsächlich eine Lösung bis 2015 aussitzen wollte, denn – so immer das Credo – in 2015 laufen die Refinanzierungstranchen, unterlegt durch öffentliche Gewährträgerhaftung, bis auf einen marginalen Rest aus und alles wird gut. Nur ist das Gegenteil der Fall: Die Bank ist erneut in einer Sackgasse, kann weder vor noch zurück. Das war voraussehbar.

Riesige »Altlasten«, insbesondere im Schifffahrts- sowie Immobiliensegment, drücken die Bank nach unten. Das als Befreiungsschlag hochgepriesene »neue Geschäftsmodell« einer »Bank für Unternehmen« funktioniert bestenfalls mäßig, die Bank verdient auch mit ihrer Kernbank einfach nicht genug Geld, um sich selbst befreien zu können. Zudem befindet sich die HSH Nordbank immer noch in einem EU-Wettbewerbsverfahren, dessen Ausgang überaus ungewiss ist.

Und wieder sollen offensichtlich Steuergelder eingespeist werden, um die Bank vor dem endgültigen Aus zu bewahren. Offensichtlich wird hart an einer »Cut«-Lösung gearbeitet, hierzu laufen auch unter Hochdruck Gespräche der Eignerländer mit der EU-Kommission.

Einer der Auslöser für das derzeitige hektische Treiben ist, dass sich die EZB die HSH Nordbank vorgenommen hat und auf Reduzierung des NPL-Portfolios auf 10 bis 12% der Bilanzsumme besteht. Die Schlüsselfrage lautet: Wie bekommt man etwa vier Mrd. Euro Schrott-Assets weg, die niemand haben will? Die Bank kann es allein nicht mehr stemmen, sondern benötigt erneut die Hilfe der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Möglicherweise wird dies darauf hinauslaufen, dass die HSH-Finanzfonds AöR (kurz: FinFo) die Schrottforderungen formal ankaufen muss und in ihre eigenen Bücher nehmen wird, um die HSH-Bankbilanz zu entlasten. Die AöR könnte sich dafür weiter verschulden, was den Ländern aufgrund der Schuldenbremse eigentlich nicht möglich ist. Die Länder werden argumentieren, dass eine derartige Transaktion »risikomäßig« egal sei, denn die Länder haften ohnehin über ihre Garantie über 10 Mrd. Euro für diese Assets. Unseres Erachtens ist in einer solchen Argumentation jedoch nicht berücksichtigt, dass diese erneute »Infusion« zu Lasten der Länder den Klärungs- und Auflösungsprozess der Bank nur erneut in die Länge zieht. Wahrscheinlich wird im Gegenzug für eine derartige Transaktion die Garantie nicht reduziert, sondern auf weiteren Asset-Schrott der Bank übertragen. Vermutlich wird irgendeine Aufsichtsbehörde eine einseitige Garantiereduzierung nicht zulassen!

Die Situation der Bank

Wenn man sich das aktuellste belastbare Zahlenmaterial ansieht, hat die Bank eigentlich überhaupt keine Daseinsberechtigung mehr. (Quellen hierzu: Jahresbericht 2014, Offenlegungsbericht per 31.12.2014 gemäß Teil 8 CCR, Finanzinformation per 31.03.2015) Bei einer aktuellen Bilanzsumme der Bank über 113 Mrd. Euro hat sie »risikobehaftete« Bestände über etwa 63 Mrd. Euro in ihren Büchern (RWAs – risk weighted assets – risikobehaftete Aktiva). In ihren Veröffentlichungen beschreibt die Bank diese Größenordnung mit etwa 40 Mrd. Euro – allerdings nur aus dem Grund, weil sie hierauf die Ländergarantie anteilmäßig ansetzen darf.

Den finanziellen Vermögenswerten und damit den Risiken der Bank (Buchwert per 31.12.2014 insgesamt 120 Mrd. Euro) stehen lediglich 33,5 Mrd. Euro an bewertbaren Sicherheiten gegenüber. (Quelle: Konzernbericht zum 31.12.2015, Seite 253) Der Differenzbetrag würde demnach – den Zahlen nach – durch die Länderhaftung getragen bzw. abgedeckt werden müssen. Aus welchen Gründen den durch die Bank in Vorperioden eingegangenen Risiken derart geringe bewertbare Sicherheiten gegenüber stehen, bleibt das Geheimnis der verantwortlichen Banker.

Von den risikobehafteten Portfolien über etwa 63 Mrd. Euro gibt es zwei Sammelbecken, die die schlechtesten Risiken poolen: das sogenannte Forbearance-Portfolio sowie das NPL-Portfolio. (Größenordnungen: nach Konzernbericht per 31.12.2014: Forbearance-Portfolio: 20,8 Mrd. Euro, NPL-Portfolio per 31.03.2015: 15,9 Mrd. Euro) (1)

Ansatz der derzeitigen Überlegungen, die Bank durch öffentliche Hilfe zu entlasten, betreffen insbesondere die beiden genannten Portfolien. Im Gespräch ist derzeit, hiervon etwa 30 Mrd. Euro aus der Bankbilanz herauszulösen in eine neue externe »bad bank« bzw. eine externe Zweckgesellschaft. Die Länder müssten hierfür weiteres Eigenkapital zu Verfügung stellen, im Gespräch sind hierzu drei bis vier Mrd. Euro.

Fakt ist also letztlich: Die Verhandlungen der Bundesländer mit der Europäischen Kommission über die Existenz der HSH Nordbank befinden sich auf der Zielgeraden. Hamburg und Schleswig-Holstein favorisieren eine Aufspaltung des Instituts. »Wir brauchen einen massiven Asset-Transfer«, heißt es in Eigentümerkreisen. Das würde bedeuten, dass Schleswig-Holstein einer  neuen Einrichtung, an der das Land zur Hälfte beteiligt wäre, 1,5 Mrd. Euro als Eigenkapital zur Verfügung stellen müsste. Der gleiche Betrag kommt auf den Stadtstaat Hamburg zu.

Was sind dabei die Probleme?

  1. Eine derartige Herauslösung von 30 Mrd. Euro an Assets hat ja ein Ziel, nämlich die Gesundung der HSH Nordbank und ggf. die anschließende Veräußerung der »gesundeten« Bank. Damit sind wir beim ersten Problem: Die Bank verdient mit ihren operativen Aktivitäten nicht ausreichend Geld, um ihre gewaltigen Fixkosten bezahlen zu können. Eine Änderung dieser Situation ist auch nicht ansatzweise in Sicht. Von Quartal zu Quartal wird getrickst und gebucht, um einigermaßen vorzeigbare Ergebnisse präsentieren zu können. Die Bank ist nach wie vor »unter Wasser«, ausgewiesene Gewinne resultieren bisher ausschließlich aus Buchungsgebaren zu Lasten der Länder.
  2. Unterstellt, ein derartig gewaltiges Risikoportfolio wird durch die Länder bzw. eine ländereigene Zweckgesellschaft übernommen: Wie und vor allem durch wen soll das abgearbeitet werden? Die Bank hat derzeit 3.000 hochbezahlte MitarbeiterInnen, die eigentlich dafür bezahlt werden, genau diese diversen Geschäftskontakte zu pflegen und schonend abzuwickeln. Sie bekommen das bisher nicht hin.
  3. Unterstellt, die Bank kann ihre Bilanzsumme durch eine derartige Transaktion verschlanken. Folge wären Sozialpläne in gewaltigen Dimensionen, um einen Großteil der BankerInnen aufzufangen. Wer mag das wohl bezahlen wollen?
  4. Die bisher kläglich versagenden BankerInnen könnten sich anschließend angesammelte Tantiemen auszahlen lassen. Die Größenordnung für den operativen Vorstand dürfte sich in einem mindestens zweistelligen Millionenbetrag bewegen. Die Frage steht im Raum: Wofür eigentlich? Eine Tantiemen begründende Entlastungslösung im Interesse der Länder haben sie über sieben Jahre nicht hinbekommen. Im Gegenteil wollen die BankerInnen nun den Ländern ihren selbst verursachten Schrott vor die Tür kippen.

Das Fazit: Eine Herauslösung eines Teils des »Schrottes« zu Lasten der Länder ist keine nachhaltige Lösung und würde den Sterbeprozess der HSH Nordbank nur weiter verlängern und verteuern. Und: Hamburg liefert erneut ein Musterbeispiel für »vernünftiges Regieren«. Der Hamburger Finanzsenator äußert sich nicht zu den Plänen und deren Kosten. Es handelt sich ja schließlich nur um einen einstelligen Milliardenbetrag.

Eine befriedigende Lösung kann nur sein, die Bank endlich abzuwickeln, besser heute als morgen! Aber dazu fehlt wie seit 2009 der politische Wille.

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1. Im Oktober 2013 hat die europäische Bankenaufsicht (EBA) den finalen Entwurf des technischen Durchführungsstandards zu »Forbearance« sowie »non performing loans bzw. exposures« veröffentlicht. Davon betroffen sind alle FINREP-meldepflichtigen CRR-Institutsgruppen auf Basis des CRR-Konsolidierungskreises, also auch die HSH Nordbank. Unter »Forbearance« sind Zugeständnisse an Schuldner aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten zu verstehen. Hintergrund der Neudefinition ist die Unsicherheit, ob die Kriterien der Bewertung leistungsgestörter Portfolien europaweit einheitlich angewendet werden. Es wird vermutet, dass die Begriffe »impairment« (IAS/IFRS-Standards) bzw. »default« (Art.178 CRR) bislang unterschiedlich ausgelegt wurden. Diese neuen Definitionen sollen es ermöglichen, dass die Bewertung und Qualität von finanziellen Vermögensgegenständen besser beurteilt werden kann und Risiken frühzeitig erkannt werden.

 

 

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