Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
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11. Januar 2017 Björn Radke

Vor den Landtagswahlen

Das neue Jahr ist in der Berliner Republik geprägt von den bevorstehenden Landtagswahlen im Saarland, NRW und Schleswig-Holstein und den Bundestagswahlen im Herbst. Zurecht können diese Wahlen als Stimmungstest angesichts der gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und Perspektiven gewertet werden.

Für Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig ist Schleswig-Holstein 2016 »gut gelaufen«. »Es war ein gutes Jahr der beginnenden Integration, in dem wir bei uns in Schleswig-Holstein keine fremdenfeindlichen Zuspitzungen hatten.« Die Gesellschaft halte gut zusammen. Auch in der Bildung, bei der Haushaltskonsolidierung und der Infrastruktur komme das Land voran. Als Beispiele nannte Albig den Ausbau der A7 und die Modernisierung des Uniklinikums. »Wir sind auch stolz darauf, dass wir so viele Kilometer Landesstraßen saniert haben wie niemand zuvor.« Und: »Es gibt noch viel zu tun, das man in fünf Jahren allein nicht abarbeiten kann.« Deshalb bräuchte es bei allen Themen eine »verantwortliche Konstanz«.Das ist nicht wirklich überzeugend, zumal die bisher ungelösten Probleme und offenen Baustellen nicht angesprochen sind.

Ende Dezember wurde im Landtag der Nachschiebehaushalt für 2017 von fast 11,3 Mrd. Euro verabschiedet. Darin ist vorgesehen, 47 Mio. Euro an alten Schulden zu tilgen. »Das strukturelle Defizit ist abgebaut«, sagte die grüne Finanzministerin, Heinold. »Wir haben einen neuen Haushaltstitel eingestellt und der heißt Tilgung.« Die Nachschiebeliste berücksichtigt die neuesten Zahlen der Steuerschätzung. Schleswig-Holstein nimmt in den kommenden Jahren weniger ein als zuvor geplant. Allein 2017 werden rund 65 Mio. Euro weniger an Steuereinnahmen erwartet als zuvor prognostiziert. Möglich wird der ausgeglichene Etat durch niedrigere Zinsausgaben. Das Land zahlt voraussichtlich 52 Mio. Euro weniger an Zinsen für die Altschulden.

Auf den ersten Blick sieht die politische Bilanz der Koalitionsregierung in der Tat nicht schlecht aus. Das Land hat im Jahr 2016  540 Millionen Euro mehr eingenommen als veranschlagt. Darunter sind 155 Mio. Euro Bundeszuschuss für die Versorgung und Integration der Flüchtlinge. Zudem gab das Land 83 Mio. Euro weniger für Zinsen aus als geplant. Stellen, die ursprünglich für die Flüchtlingsversorgung vorgesehen waren, wurden angesichts der rückläufigen Zahlen nicht besetzt. Insgesamt wurden – so die grüne Finanzministerin Heinold – für Personalausgaben rund 115 Mio. Euro weniger gebraucht als veranschlagt. Für Flüchtlinge waren es 784 Mio. Euro statt der geplanten 825 Mio. Euro. Die Schulden des Landes am Kreditmarkt sanken Ende 2016 auf 26,4 Mrd. Euro. Heinold schlug der Landesregierung vor, aus dem Überschuss 180 Mio. Euro in das Sondervermögen »Impuls« zur Modernisierung der Infrastruktur zu geben. Die verbleibenden rund 385 Mio. Euro sollen in den Abbau von Altschulden fließen.

Diese positive Tendenz soll auch im Wahljahr 2017 fortgesetzt werden. »Natürlich bin ich stolz darauf, dass es gelungen ist, für 2017 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung auf den Weg zu bringen«, sagte Heinold. Gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf wurden die Ausgaben um 30 Mio. Euro aufgestockt. Die Hälfte davon fließt in die Kitas. Der Betriebskostenzuschuss steigt 2017 um 10 auf 80 Mio. Euro. Weitere fünf Mio. Euro sind für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung geplant. Für Zufluchtsuchende plant die Regierung mit Ausgaben in Höhe von 537 Mio. Euro. Rund ein Drittel der Kosten trägt der Bund. Gerechnet wird 2017 mit gut 7.800 neuen AsylbewerberInnen. Ursprünglich hatte das Land mit 27.200 Flüchtlingen und Ausgaben in Höhe von 690 Mio. Euro kalkuliert. Nun sind nur noch 541 Mio. Euro vorgesehen. Geplant sind gut fünf Millionen Euro zusätzlich für 30 neue Stellen beim Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr, um die Verkehrsplanung zu beschleunigen. Zusätzliches Geld gibt es auch für rund 400 geplante Beförderungen bei der Polizei.

Das Land ist mit mehr als 27 Mrd. Euro verschuldet. 2015 und 2013 waren bereits die Haushaltsabschlüsse ausgeglichen; auch für 2016 wird ein positiver Abschluss erwartet. Damit hat die Regierung die Auflagen des Stabilitätsrates erfüllt, der Mitte Dezember feststellte, dass »Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein die vereinbarte Obergrenze der Nettokreditaufnahme im Jahr 2016 einhalten werden. (…) Berlin und Schleswig-Holstein werden das Sanierungsverfahren im Jahr 2016 erfolgreich abschließen.«

Ein genauerer Blick hinter die Kulissen zeigt: Die Zukunftsprobleme des Landes sind kaum bewegt worden. Neben dem Schuldenberg gibt es erhebliche Defizite in der Personalausstattung, die öffentliche Infrastruktur bleibt deutlich hinter den Sanierungs- und Erneuerungsbedarfen zurück und in Sachen zukunftsorientierter Strukturpolitik ist fast nichts geschehen. Sobald die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen sich ein wenig verschlechtern, werden die verdeckten Probleme wieder das Alltagsleben bestimmen.

Eines der großen ungelösten Probleme ist der mangelnde bezahlbare Wohnraum. Zwischen 2010 und 2014 sind nach Zahlen des Statistikamtes Nord knapp 34.000 neue Wohnungen in Schleswig-Holstein entstanden. Das entspricht einem Anstieg von 2,4%. In derselben Zeit sind aber 77.000 Menschen mehr nach Schleswig-Holstein gezogen als das nördlichste Bundesland in umgekehrte Richtung verließen. Doch in Flensburg kamen in dieser Zeit nur knapp 700 Wohnungen hinzu, in Kiel waren es tausend, in Lübeck 1.400 – dieselben Städte wiesen aber eine Netto-Zuwanderung über den Zeitraum von je 3.300, 9.400 und 8.500 Menschen aus. Das Jahr 2015, in dem die Zuwanderung aufgrund des großen Zustroms an Flüchtlingen weiter kräftig stieg, ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Besonders zugespitzt ist die Lage für StudentInnen. Plätze in Wohnheimen sind zudem in Schleswig-Holstein so rar wie in kaum einem anderen Bundesland. Zuletzt hat das Studentenwerk in Kiel daher schon zu drastischen Mitteln gegriffen und verzweifelte Wohnungssuchende unter anderem in Notunterkünften in Flüchtlingsheimen untergebracht.

Für den sozialen Wohnungsbau in Schleswig-Holstein gibt es in den nächsten zwei Jahren insgesamt 34 Mio. Euro zusätzlich. Für Innenminister Stefan Studt (SPD)ist das »ein starkes Signal an Investoren, Wohnungswirtschaft, Vermieter und Mieter«. Das Geld stammt aus Mitteln des Bundes, der zur Unterstützung der Länder in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 500 Mio. Euro zusätzlich für die Wohnraumförderung ausgibt. »Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum im Land«, sagte Studt. »Dafür leiten wir die Mittel, die uns der Bund zur Verfügung stellt, unmittelbar an Bauherrn weiter, die in den sozialen Wohnraum investieren wollen.« Die Zuschüsse sollen die Förderdarlehen ergänzen, die maximale Förderquote bleibt bei 85 Prozent. Geplant sei, einen Investitionszuschuss von 250 Euro je Quadratmeter anzubieten.

Es bleibt also als jetzt zu lösende Aufgabe: eine Deckelung der Bestandsmieten auf einem bezahlbaren Niveau auch für Menschen mit niedrigem Einkommen. Die »Mietpreisbremse« hat den Praxistest nicht bestanden und wird in seiner aktuellen Form an steigenden Preisen nichts ändern. Aus Sicht des Mieterbundes Schleswig-Holstein fehlt es an Auskunftspflichten der Vermieter und an Sanktionsmöglichkeiten. Die Betriebskostenbelastung für Mieter in Schleswig-Holstein habe deutlich zugenommen. Wurden im Erfassungsjahr 2013 noch 2,21 Euro pro Quadratmeter im Monat für Betriebskosten gezahlt, waren dies mit 2,35 Euro pro Quadratmeter nunmehr 0,14 Euro mehr. Rechnet man dagegen alle denkbaren Betriebskostenarten mit den jeweiligen Einzelbeträgen zusammen, kann die sogenannte zweite Miete hier bis zu 3,17 Euro pro Quadratmeter und Monat betragen. Das sind die Ergebnisse aus dem aktuellen Betriebskostenspiegel, den der DMB Schleswig-Holstein jetzt auf Grundlage der Abrechnungsdaten des Jahres 2014 vorlegt. Neuere Daten liegen noch nicht vor.

Desweiteren steht wegen der HSH-Nordbank-Krise mehr haushaltspolitisches Unwetter bevor. Vorsichtig überschlagen, wird den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein zum 31.12.2016 ein Verlust aus ihrem HSH-Engagement in Höhe von etwa fünf bis sieben Mrd. Euro per buchhalterischem Stichtag zugerechnet werden müssen. Die HSH Nordbank soll bis Frühjahr 2018 verkauft sein. Die von Kapital- und Garantiehilfen gestützte Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, die nach einem Beihilfeverfahren auf Geheiß der EU-Kommission bis Ende Februar 2018 verkauft werden muss, stellt sich seit einigen Wochen potenziellen Kaufinteressenten in Amerika, Europa und Asien vor.

Offiziell soll das Verkaufsverfahren im ersten Quartal 2017 eröffnet werden. Wie im Unternehmensbereich üblich, müssen bis dahin weitere Altlasten entsorgt und das angebotene Institut verschönert werden. Da die Bank selbst auf leere Kassen blickt, sollen die Eigentümer mal wieder herangezogen werden. Eine wichtige Operation war der Ankauf von notleidenden Schiffskrediten (4,9 Mrd. Euro) durch die Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein. Dieser Schritt umfasst die Hälfte der Problemfälle unter den Schiffskrediten aus den Jahren bis 2009, und er hat die HSH Nordbank stark entlastet. Ohne diesen Transfer hätte das Institut nicht länger bestehen können. Am Ende aller Tage wird alles aus Steuergeldern bezahlt werden müssen. (1)
Hinzu kommt, dass unter dem Druck der Schuldenbremse nach wie vor der weitere Verfall der öffentlichen Infrastruktur hingenommen wird. Zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik ist mit maroden Straßen, Brücken, Schulen, Universitäten und fehlenden (vor allem preiswerten) Wohnungen nicht zu haben. Zudem hat der starke Zustrom der Schutzsuchenden die fatalen Folgen einer auf Verschlankung des Staates ausgerichteten Politik offengelegt. Die vor allem durch den drastischen Personalabbau herbeigeführten Defizite bei den öffentlichen Dienstleistungen belasten Wirtschaften und BürgerInnen gleichermaßen.

All dies kommt bei den BürgerInnen des Landes nicht gut an, wie die jüngsten Umfragen zeigen. (2)  Ministerpräsident Torsten Albig stellt sich auf einen sehr knappen Ausgang der Landtagswahl ein. Wenn es für eine Mehrheit der bisherigen Dreierkoalition nicht reichen  sollte, sei mit jeder demokratisch legitimierten Partei außer Rechtspopulisten eine Regierungsbildung denkbar. Dies schließe theoretisch die Linkspartei ein. »Wir sollten nicht den Fehler machen, ein solches Bündnis schon im vornherein kategorisch auszuschließen«, so Albig. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner rückt aber gleich gerade: »Ich glaube nicht, dass die Linkspartei in den Landtag kommt. Wir wollen gerade in der Gerechtigkeitsfrage so deutlich Akzente setzen, dass die Wähler wissen, links von der SPD braucht es keine Partei im Landtag.« Das mag er gern so sehen, aber erklären kann er nicht, dass bei den jüngsten Umfragen die CDU mit ihrem auf Seehofer-Kurs segelnden Chef, Günther, vor der SPD liegt, obwohl sie – so Stegner – »inhaltlich nichts zu bieten« hat. Es sind eben unübersichtliche Zeiten, in denen vieles in der politischen Landschaft nebulös bleibt. Selbstzufriedenheit kann da schnell zum Bumerang werden.

DIE LINKE hat bleibt in dieser politischen Großwetterlage erkennbar passiv oder hilflos. Die Opposition gegen die Perspektivlosigkeit kommt eher aus den Reihen des bürgerlichen Lagers, vor allem der FDP. Und in der Tat können sich die Liberalen ein gutes Ergebnis in den anstehenden Landtagswahlen erhoffen.

Die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Marianne Kolter, greift die Herausforderung einer knappen Entscheidung in den Wahlen auf. Positiv ist, dass die politischen Angebote des amtierenden Ministerpräsidenten Albig nicht sofort mit fundamentalistischen Floskeln abgewehrt werden. Kolter betont  zwei wichtige Felder für DIE LINKE: „Voraussetzung für eine engere Kooperation sind deutliche Schritte vor allem bei der Beitragsfreiheit für Krippen und KiTas und bei der Bekämpfung der Wohnungsnot.“ Wenn die Linkspartei sich stärker in die Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse im Land einbringen will, dürfte sie nicht nur »Minimalbedingungen« für eine Kooperation definieren, sondern müsste selbst ein Zukunftsprogramm für Schleswig-Holstein skizzieren.

DIE LINKE hat sich bislang eher auf einen Wiedereinzug in den Landtag und eine Oppositionsrolle eingestellt. Im Wahlkampf könnte es erneut eng werden: DIE LINKE hat es in einem erwartbar polarisierenden Lagerwahlkampf nicht leicht einen für die WählerInnen überzeugende eigenständigen Wahlkampf für den Wiedereinzug in den Landtag zu führen. CDU und FDP haben außer einem Zurück zur harten Austerität und Law and Order nichts Perspektivisches vorzuweisen. Allein deshalb würde eine Koalition unter Beteiligung der CDU nur Rückschritt bedeuten und die politischen Koordinaten weiter nach rechts verschieben, zumal mit der AFD im Landtag zu rechnen ist.

[1] Siehe auch: http://www.vorort-links.de/nc/archiv/analysen_ansichten/detail/artikel/hsh-nordbank-die-kosten-fuer-die-verschoenerung-eines-maroden-bankhauses/

[2] http://www.vorort-links.de/nc/archiv/analysen_ansichten/detail/artikel/schleswig-holstein-ruck-nach-rechts-keine-mehrheit-mehr-fuer-kuestenkoalition/

 

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