Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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ISBN 978-3-89965-578-0

2. Januar 2015 Bernhard Sander

Verhaltene Konjunkturerwartungen für Nordrhein-Westfalen

Die evidenzbasierte Politikberatung der so genannten Wirtschaftsweisen hat sich in letzter Zeit durch schludrige Arbeit in Misskredit gebracht. Ideologie und Wunschvorstellungen sind eben keine geeigneten Analyse-Werkzeuge. Dennoch sollten wir anhand der vorliegenden Prognosen skizzieren, was im Jahr 2015 auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich zukommt, um die politischen Anforderungen zu kennen.

Die Ökonomen aller Forschungsinstitute haben ihre Prognose über das zu erwartende Wirtschaftswachstum zurückgenommen. Das in Essen ansässige RWI geht für das nächste Jahr von einem Anstieg des BIP von nur 1,5% aus. Für NRW liegt das zu erwartende Wachstum jedoch noch darunter. Damit setzt sich ein verhängnisvoller Trend für dieses Bundesland fort. Seit der großen Rezession fällt die Wirtschaftsleistung des Landes hinter dem Bundesdurchschnitt zurück.

Die Auftragseingänge signalisieren, dass in der Bau- und Industrieproduktion NRW weiter schwache Zuwächse zu erwarten sind. Einerseits drückt sich darin ein gewisser Strukturwandel aus, so dass das Gewicht dieser Treiber nachlässt. Das RWI führt aus: »Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2008 wurden noch rund 22% der Wertschöpfung des deutschen Verarbeitenden Gewerbes in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet, im Jahr 2013 waren es erstmals weniger als 20%. Im Baugewerbe sank der Anteil Nordrhein-Westfalens an der deutschen Wertschöpfung von rund 19% im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2008 auf nur noch 17,7% im Jahr 2013.« (RWI-Konjunkturbericht 4-2014, S. 20)

Andererseits haben wir an dieser Stelle bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass hier politische Entscheidungen greifen: Der Zerfall der öffentlichen Infrastruktur ist Resultat der seit Jahren stagnierenden und sinkenden öffentlichen Investitionen. Brücken, Straßen und Gebäude müssten saniert und erneuert werden. Der Investitionsstau ist Folge des Irrglaubens vom Vorrang des Schuldenabbaus.

Zwar hat das steigende Wirtschaftswachstum nach der großen Rezession auch die Einnahmen der Gebietskörperschaften wieder steigen lassen, aber strukturelle Verbesserungen des Steueraufkommens wurden politisch zugunsten unsinniger Debatten über kalte Steuerprogression zurückgestellt. Wenn der Staat kein Geld hat, leidet die Bauindustrie. Insbesondere die Kommunen, denen es an eigenen konjunkturunabhängigeren Steuerquellen fehlt, fallen als Auftraggeber für die Bauindustrie und Bauhandwerk aus.

Die Sozialstruktur des Landes lässt es zudem nicht zu, dass durch Eigenheimbau ein besonderer Impuls gesetzt würde. Vielmehr müssten öffentliche Wohnungsbauprogramme in den Ballungsräumen entlang der Rheinschiene gegen den steigenden Mietpreisdruck eingesetzt werden. Kommen solche Programme nicht, werden Mietpreisbremse und Erhöhung der Grunderwerbssteuer einen zusätzlichen dämpfenden Effekt auf Bautätigkeit und Arbeitsplatzzuwachs haben.

Der zweite politisch herbei geführte Grund für die schwächelnde Wirtschaft ist die zu hohe Abhängigkeit von den Exportmärkten. Die anhaltende Rezession im Euroraum wird gerade Nordrhein-Westfalen mit seiner überdurchschnittlichen Exportquote in die europäische Union und in die Eurozone belasten. Zwar sind »wir« weiterhin Exportweltmeister, aber Deutschland verliert Anteile gegenüber China und anderen BRIC-Staaten und die Nachfrage im Ausland wird durch Kürzungsdiktate eingeschnürt.

Die früher für NRW strukturprägende Stahl- und Chemiegrundstoffindustrien werden vermutlich deshalb ebenso wenig expandieren wie die Automobilindustrie. Die Schließung von Opel Bochum, eines Peugeotwerkes und des Fordwerkes in Genk (Belgien) nimmt deshalb nicht den Druck von der Branche, so dass auch die Zulieferer weiter mit Umstrukturierungen und Arbeitsplatzabbau reagieren werden.

Die wirtschaftliche Entwicklung wirkte schon in der jüngsten Zeit negativ auf den Arbeitsmarkt. NRW hatte im ersten Halbjahr 2014 einen Rückstand im BIP-Wachstum von 0,7% gegenüber dem restlichen Deutschland. Die ausgewiesene Arbeitslosigkeit stieg stärker als im Bundesdurchschnitt und näherte sich wieder dem Niveau der großen Rezession von 2008.

Die verhärtete Arbeitslosigkeit spaltet auch in NRW die Gesellschaft. Es handelt sich jedoch nicht um ein verfestigtes Segment von Arbeitslosen. Doch die Arbeitslosigkeit verfestigt sich trotz sich erholender Wirtschaftsentwicklung (44% gegenüber bundesdurchschnittlich einem Drittel sind länger als ein Jahr arbeitssuchend).

Die so genannten Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer haben aber auch die Arbeitsverhältnisse ungeschützter, flexibler und prekärer gemacht. Der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse sollte gleichwohl nicht bestritten werden. »Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erreichte im September 2014 einen neuen Höchststand. Zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse entstanden insbesondere im Dienstleistungssektor (im September +1,9% gegenüber dem Vorjahr). Vor allem in den Bereichen Immobilien, freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen (+4,9%), sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (+4,4%) und Heime und Sozialwesen (+3,8%) nahm die Beschäftigung zu.« (RWI, S. 22)

Immer mehr Menschen sind gezwungen, jede Arbeit anzunehmen bzw. zusätzliche Arbeitsverhältnisse einzugehen, weil das Einkommen aus dem bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht mehr den Lebensstandard sichert. Der Anstieg der Beschäftigung speist sich »aus Wanderungsgewinnen und einer gestiegenen Erwerbsneigung«.

»Jedenfalls führte der Anstieg der Beschäftigung nicht zu einem spiegelbildlichen Rückgang der Zahl der Arbeitslosen. Diese sank zwar jüngst wieder und erreichte im November 2014 den tiefsten Wert seit Dezember 2012, jahresdurchschnittlich wird sie 2014 allerdings voraussichtlich über den Werten der Jahre 2011 bis 2013 liegen, während sie in Deutschland insgesamt voraussichtlich rückläufig sein wird.« (RWI, S. 22) Umso notwendiger wäre eine Strategie der Schaffung von Arbeitsplätzen durch Stärkung der binnenwirtschaftlichen Strukturen.

Im Jahr 2015 wird der Mindestlohn flächendeckend eingeführt. Zwar bleiben die Ausnahmen und die zu geringe Höhe weiter zu kritisieren. Gleichwohl ist es ein Erfolg der Linken, dass mit diesem Instrument die private Nachfrage nochmals gesteigert werden wird. Doch gerade in NRW sollte man diesen Effekt nicht überschätzen.

Die Ausrüstungsgüter- und Grundstoffindustrien, die in NRW schwerpunktmäßig ansässig sind, sind tariflich noch einigermaßen reguliert. Die Einführung eines Mindestlohns wird daher die Kostenstrukturen hier nicht belasten. Zusammen mit der äußerst geringen Preissteigerungsrate wird dies positive Impulse für die Konsumgüterindustrie bieten, die jedoch in NRW unterdurchschnittlich vertreten ist.

Deshalb wird der Wachstumsabstand gegenüber dem restlichen Deutschland eher vergrößert werden. Die anhaltend niedrigen Zinsen haben private Käufe langlebiger und teurer Konsumgüter angeregt. Dieser Effekt wird sich allerdings in der Zukunft erschöpfen. Dennoch könnte die Beschäftigung im Handel wachsen.

In Summe rechnet das RWI für 2015 in NRW mit einem Wirtschaftswachstum unter dem Bundesdurchschnitt (1% gegenüber 1,5%) und einer leicht sinkenden Arbeitslosigkeit von jahresdurchschnittlich 8,2% (im Jahr 2014 etwa 8,3%).

Die soziale Spaltung des Landes bleibt zu kritisieren. Aber man kann keinesfalls davon ausgehen, dass die soziale Basis für linke Politik sich erweitern wird, wenn sie sich auf die »Agitation gegen die Krise« beschränkt, da weiterhin wachsende Teile der Bevölkerung in das Beschäftigungssystem einbezogen werden, ohne allerdings daraus eine längerfristige Lebensperspektive entwickeln zu können.

Dies umso mehr als die regionale Spaltung in NRW erhalten bleibt, wenn man die Vollbeschäftigung dafür als Indikator nimmt: Im November 2014 betrug beispielsweise die Arbeitslosenquote in den Kreisen Coesfeld 3,1%, in Borken 4,1%, in Olpe 4,3%, in Steinfurt 4,7% und im Hochsauerlandkreis 4,9%. Sehr viel höher lag sie im Ruhrgebiet: in Gelsenkirchen bei 13,3%, in Herne bei 12,6%, in Duisburg bei 12,4%, in Dortmund bei 12,2%, in Essen bei 12,1% und in Oberhausen bei 11,5%.

Da im Jahr 2015 in vielen NRW-Städten die Oberbürgermeister neu zu wählen sind, was Auswirkungen auf die haushaltstragenden Koalitionen haben kann (Köln, Wuppertal etc.) sollte die Frage nach der Ausrichtung der sozialen und ökonomischen Entwicklung des Landes aktuell bleiben. Wie wird mit der sich verfestigten Armut umgegangen? Welche Programme zum Wohnungsbau in den Ballungsgebieten wird es geben? Wie werden die Prioritäten im Land gesetzt (Schuldenabbau oder Förderung des sozialen Arbeitsmarktes)? Welche Vorschläge machen die Kandidierenden für die Wirtschaftsförderung? Und auf welche landespolitischen Vorstellungen ihrer Parteien können sie dabei zurückgreifen?

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