Der rechte Rand

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Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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12. September 2017 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

Ungleichheit und Ungerechtigkeit in einer reichen Stadt

In Hamburg brummt wie andernorts in der Berliner Republik die Konjunktur und gibt es ein reichliches Jobangebot. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg klettert von Rekord zu Rekord.

Allerdings sind diese Jobs vielfach befristet und mäßig bis schlecht bezahlt. Viele ältere MitarbeiterInnen arbeiten über das Rentenalter hinaus – nicht wenige davon allerdings, weil sie sonst von einem zu geringen Renteneinkommen leben müssten.

Die relativ günstigen ökonomischen Rahmenbedingungen und der hohe Beschäftigungsstand führen in Hamburg wie auf Bundesebene dazu, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ihre persönliche wirtschaftliche Lage positiv bewertet, auch wenn viele über die offenen und verdeckten Formen sozialer Ungerechtigkeit enttäuscht und zornig sind.

Die vordergründige Zufriedenheit ist also für einen Großteil der BürgerInnen mit einem untergründigen Unbehagen durchsetzt. Zwei Drittel der erwachsenen Deutschen haben Zweifel, was die weitere Zukunft angeht und geben bezüglich der Zukunftsaussichten ihrer Kinder und Enkelkinder an, dass diese es schwer haben werden, den sozialen Status ihres Elternhauses in ihrer Lebenszeit zu bewahren – geschweige denn, ihn zu verbessern.

Auch in Hamburg gibt es reichlich Schattenseiten, die das untergründige Unbehagen nähren. Dieser Schatten, vor allem die verfestigte soziale Spaltung, wird von der rot-grünen Landesregierung hartnäckig ignoriert. [1]

So waren nach den neuesten Daten des Statistischen Bundesamts in 2016 14,9% (gemessen am Bundesmedian) der BürgerInnen Hamburgs von Armut bedroht. Damit ist die Armutsquote – entgegen dem Bundestrend (Stagnation bei 15,7%) –  zurückgegangen. 2015 lag die Armutsquote in Hamburg noch bei 15,7%. Auch bei der am Landesmedian gemessenen Armutsquote, die die regionalen Lebensbedingungen (Lebenshaltungskosten, Wohnen) besser berücksichtigt, hat es in 2016 einen leichten Rückgang von 19% auf 18,3% gegeben. Allerdings liegt Hamburg hier (mit Bremen) im Länderranking deutlich an der Spitze.

Es kann also mit Blick auf die soziale Spaltung keineswegs von einer Trendwende gesprochen werden. Dies zeigt sich auch und gerade bei der Einkommensreichtumsquote, die den Anteil derer misst, die über mehr als 200% des Medianeinkommens verfügen. Hier liegt Hamburg mit einem Anteil von 12,6% (Bundesdurchschnitt: 8,2%) einsam an der Spitze. Die Schere zwischen Arm und Reich geht also weiter auseinander.

Mit Blick auf die von Armut besonders betroffenen Gruppen zeigt sich, das Alleinerziehende und Kinder und Jugendliche vom leichten Rückgang der Armutsquote überhaupt nicht profitiert haben. Bei den Alleinerziehenden wurde 2016 mit 41% sogar ein neuer Spitzenwert gemessen. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren stieg der Anteil der Armen von 21 auf 22,5%. Und bei den MigrantInnen mit und ohne deutschen Pass lag die Betroffenheit von Armut etwa konstant mit etwa 35% bzw. 30% auf einem hohem Niveau.

Dazu passt, dass am Jahresende 2016 in Hamburg fast 96.700 Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit Sozialleistungen zur laufenden Lebensführung erhalten haben. Das sind knapp 5% oder 4.300 Unterstützte mehr als im Vorjahr, so das Statistikamt Nord. Während weniger Menschen Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten (minus 5.600 Personen bzw. rund 24%), stieg insbesondere die Zahl der ausländischen EmpfängerInnen von SGB II-Leistungen (»Hartz IV«) deutlich an (plus 9.500 Personen bzw. 16%).

Insgesamt waren Ende 2016 fast 252.500 HamburgerInnen ganz oder teilweise auf Sozialleistungen angewiesen. Das sind fast 2.100 Personen oder knapp 1% weniger als ein Jahr zuvor. Etwas mehr als 38% von ihnen hatten keinen deutschen Pass (Vorjahr: gut 36%).

 

Altersarmut als tickende Zeitbombe

Zu den von Armut betroffenen bzw. bedrohten Gruppen gehören auch die RentnerInnen. Der Vorsitzende des DGB Nord, Uwe Polkaehn, spricht in diesem Zusammenhang von einer »tickenden Zeitbombe«. Er stützt sich dabei auf die Ergebnisse des »Rentenreport Hamburg 2017«. [2]
Demnach bekam im Jahr 2015 ein Hamburger Rentner im Durchschnitt 1.118 Euro, eine Rentnerin sogar nur 710 Euro. Mit einem solchen Einkommen kommt man in einer teuren Großstadt wie Hamburg nur schlecht über die Runden. Und: Bei den RuheständlerInnen, die 2015 erstmals eine Rente bezogen, lagen die Durchschnittssätze noch niedriger: Männer erhielten im Schnitt 985 Euro, Frauen 700 Euro. Für die Sicherung eines würdevollen Lebens im Alter reichen diese Einkommen nicht aus.

Noch härter ist es dem DGB-Report zufolge für EmpfängerInnen von Erwerbsminderungsrenten: Sie lagen 2015 bei Männern im Schnitt bei 660 Euro, bei Frauen bei 701 Euro. Auch hier galt: Wer 2015 erstmals eine Erwerbsminderungsrente bezog, bekam noch weniger als der Durchschnitt der bisherigen Bezieher: Männer 598 Euro, Frauen 628 Euro.

 

Länger arbeiten bei weniger Rente

Gleichzeitig arbeiten die Hamburger aber deutlich länger als noch vor einigen Jahren: Männer gingen 2015 im Schnitt mit 64,2 Jahren in Rente, Frauen mit 64,9 Jahren. Gegenüber dem Jahr 2000 stieg das Renteneintrittsalter bei Männern um 4,5 und bei Frauen um drei Jahre an.
Die BürgerInnen müssen also länger arbeiten, bekommen aber gleichzeitig weniger Rente. Das hat vor allem damit zu tun, dass das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben wurde und gleichzeitig das Rentenniveau von 48% auf 43% in 2030 sinken soll. Zu Recht spricht die Hamburger DGB-Chefin, Katja Karger, von »düsteren Zukunftsaussichten«.

Quelle: Hamburger Abendblatt

Die niedrigen Alterseinkommen haben auch damit zu tun, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in Hamburg seit 2004 zwar um 26% gestiegen ist, dabei aber vor allem die »atypische Beschäftigung« deutlich zugenommen hat. So stieg dem DGB-Report zufolge die Zahl der Teilzeitbeschäftigten im gleichen Zeitraum um 83%: von 133.000 auf 245.000. Und die Zahl der Leiharbeiter stieg sogar um 115%, von 13.900 auf 29.900. Nur die Zahl der geringfügig Beschäftigten lag mit einem Zuwachs um 21% (von 144.000 auf 174.000) leicht unter dem generellen Anstieg der Arbeitsplätze.

All diese »atypisch« Beschäftigten aber sind im Alter von Armut bedroht. Dies betrifft vor allem auch die Frauen. Denn 70% der Arbeitnehmerinnen arbeiten in Minijobs oder in Teilzeit. »Viele wissen gar nicht, was das für Folgen im Alter hat. Ich habe große Sorgen vor dem, was da auf uns zukommt«, so DGB-Chefin Karger.

Schon jetzt sind die Hamburger RentnerInnen überdurchschnittlich oft arm. Gut 24.000 beziehen eine »Grundsicherung im Alter«. Das sind 7,5% aller AltersrentnerInnen – mehr als in jedem anderen Bundesland. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegt die Quote bei 3,2%, und selbst in den beiden anderen Stadtstaaten Bremen (6,4%) und Berlin (6,2%) ist sie deutlich niedriger. Das liegt auch daran, dass in Hamburg die Lebenshaltungskosten und die Mieten hoch sind.

Der Hamburger Senat reagiert auf das Thema Altersarmut wie auf die soziale Spaltung in der Stadt mit Ausflüchten. So auch der Kommentar der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zum Altersreport des DGB: »Der beste Schutz vor Altersarmut ist eine hohe Erwerbsbeteiligung in der aktiven Lebensphase, weil dies zu einer auskömmlichen Rente führt.« Dafür tue der Senat einiges.

Ja, Erwerbsbeteiligung ist die Grundlage. Aber man muss von der harten Arbeit auch leben können und dies fällt in Hamburg wegen der Mieten und hochpreisigen Lebensbedingungen schwer. Zentraler Punkt ist und bleibt: Gerechte Bezahlung und damit Erhöhung der Niedriglöhne. Um die Situation der Beschäftigten wirklich zu verbessern, müssten die Tarifverträge für private und öffentliche Unternehmen auskömmliche Löhne festlegen. In vielen Bereichen reicht die Kampfkraft der gewerkschaftlichen Beschäftigten nicht aus, daher müsste die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge eine größere Rolle spielen.


[1] Vgl. zum Thema ausführlicher: Joachim Bischoff/Bernhard Müller, Soziale Ungleichheit im Wohlstand. Reichtum und Armut in Hamburg, Eine Studie im Auftrag der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft (im Erscheinen).
[2] DGB Bezirk Nord, Rentenreport Hamburg 2017.


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