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8. Oktober 2015 Jürgen Klute

Strukturwandel und Industriepolitik im Ruhrgebiet

Seit der zweiten Hälfte der 1950er Jahre befindet sich das Ruhrgebiet in einem massiven Strukturwandel, der bis heute andauert. Die politischen Akteure im Ruhrgebiet haben in dieser langen Phase verschiedene Strategien entwickelt, den Strukturwandel politisch zu steuern. Diese Strategien sollen in mehreren Beiträgen hier nachgezeichnet und erinnert werden angesichts der Phantasielosigkeit, mit der die politischen Akteure gegenwärtig agieren.

In diesem ersten Beitrag sollen die historischen und politischen Rahmenbedingungen des Strukturwandels und seine wichtigsten Akteure skizziert werden. Die weiteren Beiträge werden dann verschiedene Aspekte des Strukturwandels genauer beleuchten: die Montanindustrie, neue Industrieansiedlungen, das Entwicklungsprogramm Ruhr der Landesregierung NRW von 1968, die Zukunft im Dienstleistungssektor, Förderinstrumente der Öffentlichen Hand. Die entsprechenden Beiträge werden in loser Folge in den nächsten Monaten auf dieser Webseite veröffentlicht.

I. Historische und politische Rahmenbedingungen des Strukturwandels im Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet existiert als Industrieregion seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es entstand, weil zwischen Ruhr und Lippe große und für die damalige technische Entwicklung gut zugängliche Steinkohlevorkommen vorhanden waren, die für die neu entstehende Industrie als Energiequelle gebraucht wurden.

Da es kostengünstiger war, Erze zu den Kohlenlagerstätten zur Weiterverarbeitung zu transportieren als der umgekehrte Weg, entstanden um den Bergbau herum schnell Hochöfen und Stahlwerke. Da Kohle auch ein Chemierohstoff ist, entstanden um den Bergbau herum zudem recht bald auch Chemiewerke. Insbesondere bei der Herstellung von Koks entstehen »Abfallprodukte«, die sich zu einer Vielzahl von chemischen Produkten weiterverarbeiten lassen. In Folge der sprunghaften Ausweitung der Elektrifizierung nach dem 1. Weltkrieg wurde Steinkohle dann auch in zunehmend größeren Mengen für die Stromgewinnung eingesetzt. Die im Ruhrgebiet entstandene Industriestruktur hing folglich als ganze in sehr hohem Maße von der Kohle als Grundstoff ab.

Nach dem 2. Weltkrieg setzten dann Veränderungen ein, die diese auf die Kohle ausgerichtet Industrielandschaft tiefgreifend verändert haben. In der Gegenwart sind nur noch wenige Restbestände dieser alten Struktur vorzufinden.

Dafür gibt es mehrere Ursachen. Eine ist geologischer Natur. Die Kohlenvorräte sind naturgemäß begrenzt. Zwischen Ruhr und Lippe sind heute kaum noch abbaufähige Kohlenvorräte vorhanden. Nördlich der Emscher gibt es bis hin zur Nordsee zwar noch erhebliche Kohlenvorräte. Sie befinden sich allerdings in Tiefen, die die Abbaukosten in eine Höhe treiben, die weit über den gegenwärtigen Weltmarktpreisen für Kohle liegen.

Die zweite Ursache ist politischer Natur. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs brach die Kohlenproduktion[1] in Deutschland nahezu zusammen: von 127 Mio. Tonnen in 1938 auf 33 Mio. Tonnen 1945. Um den Markt in Deutschland nach der Befreiung vom Faschismus einigermaßen mit Kohle – damals die Schlüsselenergie – zu versorgen, wurde 1947 die Deutsche Kohlenbergbau-Leitung (DKBL) gegründet. Die DKBL hat die Kohleförderung und die Versorgung des Marktes gesteuert und sichergestellt. 1951 wurde von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden die (EGKS) gegründet, die auf eine Integration der Kohle- und Stahlmärkte dieser sechs Länder zielte. Im Zuge der späteren Entwicklung der EU und des Binnenmarktes (seit 1993) wurde die staatliche Subventionierung des Steinkohlenbergbaus reglementiert. 2018[2] läuft sie definitiv aus. Danach wird die Kohlenproduktion vollends dem Markt überlassen, was angesichts der Weltmarktpreise für Steinkohle das definitive Ende des Ruhrbergbaus bedeutet.

Eine weitere Ursache liegt in der Veränderung des Energiemarktes. Bis weit in die 1950er Jahre hinein war die Steinkohle der Hauptenergieträger für die Industrie wie auch für die privaten Haushalte.[3] In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre begann eine Ausdifferenzierung des Energiemarktes: Erdöl, Erdgas, Atomenergie und später dann auch regenerative Energien haben mehr und mehr die Kohle als Energieträger ersetzt.[4]

Vor diesem Hintergrund war ein Strukturwandel im Ruhrgebiet unvermeidlich. Die Frage war nur, wie er zu organisieren ist. Dass der Strukturwandel nicht primär dem Markt überlassen, sondern politisch gestaltet wurde, verdankt sich einerseits der Montanmitbestimmung[5] vom 10. April 1951. Sie sieht eine paritätische Besetzung der Aufsichtsräte und Vorstände vor, das heißt sie werden zu gleichen Teilen von Vertretern der Kapitalseite und der Arbeitnehmerseite besetzt. Um Patsituationen zu vermeiden, kommt noch eine so genannte neutrale Person als Vorsitzender hinzu. In der Praxis hat im Regelfall die IGBE[6] den Vorsitzenden bestimmt. Die Montanmitbestimmung, der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad von über 90 % in den Betrieben und die enge Verknüpfung zwischen IG Bergbau und SPD hat der Arbeitnehmerseite einen sehr hohen Einfluss auf die Gestaltung des Strukturwandels im Ruhrgebiet ermöglicht.

Auf der anderen Seite gab es aus politischer Sicht ein hohes Interesse, den Prozess des Strukturwandels politisch und sozial steuerbar und beherrschbar zu halten. 1950 zählte das Ruhrgebiet 145 Schachtanlagen mit 435 Tausend Beschäftigen. Hinzu kamen damals noch 63 Kokereien und 22 Brikettfabriken.[7] Die vom Bergbau abhängigen Wirtschaftsbereiche zählen mindesten noch einmal so viele Beschäftigte. Die Eisen und Stahl erzeugende Industrie als die zweite Seite der Montanindustrie ist hierbei noch nicht mitgerechnet. Die Einwohnerzahl des Ruhrgebiets lag 1950 bei knapp 3,9 Mio.[8]

In den Online-Archiven des SPIEGEL finden sich unter dem Stichwort »Ruhrbergbau« eine Vielzahl von Artikeln aus den 1950er und 1960er Jahren, die einen Eindruck von der teils seht gespannten Lage im Revier vermitteln.

So wurde in einem sozialpartnerschaftlichen bzw. kooperatistischen Dreieck von Montanindustrie, Politik und Gewerkschaften seit den 1950er Jahren eine Reihe von politischen Instrumenten und Maßnahmen entwickelt, um den Strukturwandel sozialverträglich zu organisieren. Man kann diese Instrumente und Maßnahmen als in zwei gegenläufige Richtungen gleichwohl parallel zueinander verlaufenden Linien darstellen: Eine Linie verfolgt den geordneten Abbau der Montanindustrie. Und die gegenläufige Parallele verfolgt das Ziel, Ersatz zu schaffen für die wegfallenden Arbeitsplätze der Montanindustrie und den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet zukunftsfähig zu machen.

II. Die Akteuere im Strukturwandel

Bevor wir zu den verschiedenen Aspekten des Strukturwandels kommen, soll hier zunächst auf die Akteure eingegangen werden. Das Dreieck aus Montanindustrie, Bergarbeitergewerkschaft und SPD wurde schon angesprochen. Trotz aller Interessenunterschiede dieser drei Akteure gab es ein zentrales gemeinsames Interesse: Der möglichst lange Fortbestand der bestehenden Industriestruktur. Davon haben alle drei Akteure des Dreiecks – wenn auch in unterschiedlicher Weise – profitiert.

1. Gewerkschaften

Die Gewerkschaftsseite, die auf einen extrem hohen Organisationsgrad in den Betrieben verweisen konnte, hat im Rahmen ihrer sozialpartnerschaftlichen Interessenvertretungspolitik viele Arbeitsplätze über mehrere Jahrzehnte länger halten können, als es unter anderen politischen Konstellationen möglich gewesen wäre, wie das Beispiel des Bergbaus im Vereinigten Königreich zeigt. Dort hat die gänzlich andere, konfrontative Strategie der britischen Bergarbeitergewerkschaft NUM[9] 1984 zu einem einjährigen Streik geführt. Die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher, die ebenso konfrontativ vorging wie die NUM, hat diesen Konflikt genutzt, den englischen Bergbau bis auf wenige Reste in diesem Streikjahr ohne die im Ruhrgebiet angefallenen Schließungskosten zu beenden und die Bergleute in eine oft langjährige Arbeitslosigkeit und Armut zu schicken. Im Ruhrgebiet konnte die Bergarbeitergewerkschaft trotz aller Krisen überdurchschnittlich gute Lohn- und Arbeitsbedingungen durchsetzen und später einen sozial gut abgefederten Arbeitsplatzabbau.

Gleichzeitig war es leichter, in den Großunternehmen der Montanindustrie einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad sicherzustellen als in Kleinbetrieben. Das trug wesentlich zu einer stabilen sozialen und ökonomischen Basis der IGBE und der IG Metall bei. Die IGBE war geschickt genug, in dieses Interessengeflecht immer auch einzelne CDU-Politiker als Mitglieder von Leitungsgremien einzuweben. In der Regel hatten die Gewerkschaftsmitglieder jedoch ein SPD-Mitgliedsbuch. Das sicherte der IGBE bis etwa Mitte der 1990er Jahre einen dominierenden politischen Einfluss in den Räten der Ruhrgebietsstädte und im nordrhein-westfälischen Landtag.

2. Sozialdemokratie

Für die SPD war dieser Umstand wiederum über Jahrzehnte hinweg die Grundlage für absolute Mehrheiten auf kommunaler und landespolitischer Ebene. Die SPD sorgte im Gegenzug zuverlässig dafür, dass sich keine »industriefeindliche« Politik in NRW durchsetzen konnte. Spätestens seit der NRW-Landtagswahl von 2005 ist dieses Politikmodell allerdings in eine tiefe und nicht mehr übersehbare Krise geraten.

3. Montanindustrie

Die Montanindustrie hat durch diese dominante Struktur viel länger, als es unter anderen politischen Konstellationen möglich gewesen wäre, ihre traditionellen Modelle der Kapitalverwertung nutzen können. Sie hat diese komfortablen politischen Bedingungen zu schätzen gewusst – zumal kostenträchtige Arbeitskämpfe unter diesen politischen Rahmenbedingungen Ausnahmeerscheinungen geblieben sind. Deshalb hat die Montanindustrie dieses spezifische Interessengeflecht gut gepflegt, indem sie das Engagement von Belegschaftsmitgliedern in Stadträten, im Landtag von NRW und im Bundestag aktiv unterstützt hat.

Selbstverständlich haben auch die Wirtschaftsverbände (IHKs, Handwerkskammern) eine Rolle gespielt, aber nur im Windschatten der Montanindustrie.

4. Die Rolle der 68-Studentenbewegung

In diesem engen Interessengeflecht hat die 68er-Studentenbewegung keinen Platz gehabt. Gleichwohl hat auch sie eine Rolle gespielt. 1965 hat die Ruhruniversität in Bochum ihren Lehrbetrieb aufgenommen. Viele der damals Studierenden haben sich intensiv mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ruhrgebiet befasst und aktiv Kontakt zu Gewerkschaften gesucht mit dem Ziel, ihre revolutionären Ideen in die Betriebe zu tragen.

Einige der damals Studierenden haben nach Studienabschluss bewusst keine akademische Laufbahn eingeschlagen, sondern sind als Arbeiter in Betriebe gegangen. Sie haben zwar nicht, wie anfangs gehofft, die 68er-Bewegung in die Betriebe tragen können. Aber sie haben sich in der Regel als bewusst linke Gewerkschafter sehr aktiv in die Betriebsratsarbeit eingebracht, teils auch oppositionelle gewerkschaftliche Gruppen gegründet und so zu einem vergleichsweise hohen Grad von Politisierung der Betriebsratsarbeit in den großen Unternehmen beigetragen. Aus diesem Blickwinkel also haben Vertreter der 68er-Bewegung den Strukturwandel kritisch begleitet und kommentiert.

5. Die Kirchen im Strukturwandel

Ein weiterer Akteur im Strukturwandel waren und sind die Kirchen. Sie haben sich auf mehreren Ebnen aktiv am Strukturwandel beteiligt: auf betrieblicher und gesellschaftliche Ebene sowie als Arbeitgeber. 1949 wurde die Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen im Bergbau und bei Opel (ab den 1970er Jahren), kurz: GSA,[10] gegründet. Getragen wird diese betriebsbezogene Arbeit durch die Evangelische Kirche von Westfalen, die Evangelische Kirche im Rheinland, das Ruhrbistum Essen und das Bistum Paderborn, zu dem das östliche Ruhrgebiet gehört. In organisatorischer und finanzieller Kooperation mit Opel Bochum und der Ruhrkohle AG (RAG) führte und führt die GSA regelmäßig Seminare mit Werksangehörigen durch, auf denen arbeitnehmerorientiert unternehmens- und betriebsinterne Fragen und Konflikte bearbeitet werden. Dazu gehören auch die Abbau- und Umbauprozesse in den Unternehmen im Zuge des Strukturwandels. Die Arbeit der GSA ist zwar nicht unumstritten,[11] sie hat aber wesentlich dazu beigetragen, dass die Beschäftigten der RAG und von Opel Bochum intensiv und regelmäßig über die Veränderungs- und Abbauprozesse informiert und frühzeitig in dieses Prozesse eingebunden wurden. Ein Vorgehen, das in anderen Unternehmen keineswegs selbstverständlich war bzw. ist.

Auf gesellschaftlicher Ebene haben die beiden Kirchen vor Ort – wo vorhanden in Federführung der evangelischen Industrie- und Sozialarbeit bzw. der katholischen Betriebsseelsorge – vor allem die Zechenschließungen und den Personalabbau in den großen, teils aber auch in kleinere Unternehmen öffentlich und solidarisch im Sinne der Beschäftigten begleitet und immer wieder den Ersatz weggefallener Arbeitsplätze eingefordert. Höhepunkte dieses Engagements waren die so genannten Kohlerunden, in denen mit der Bundesregierung die politischen Rahmenbedingungen für den Rückbau des Bergbaus ausgehandelt wurden. Bei der letzten großen Kohlerunde 1997 haben viele Kirchengemeinden dazu beigetragen, dass eine Menschenkette, die zur Unterstützung der Forderungen der Bergleute das Ruhrgebiet von Ost nach West durchzogen hat, nahezu lückenlos zustande kam. Zeitgleich haben viele Kirchengemeinden mit Solidaritätsgottesdiensten diese Aktion unterstützt. Auf diese Weise haben die beiden Kirchen dazu beigetragen, dass die Forderungen und sozialen Interessen der vom Strukturwandel betroffenen Arbeitnehmer weit über die Betriebe hinaus bekannt gemacht wurden und eine breite gesellschaftliche Unterstützung gefunden haben.

1995 haben die evangelischen Kirchenkreise im Ruhrgebiet auf eigenen Kosten vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie eine Studie unter dem Titel »Ist ein sozial- und klimaverträgliches Zukunftskonzept für die deutsche Kohle realisierbar?« ausarbeiten lassen, die ein industriepolitisches Konzept enthielt, dass eine sozial- und umweltverträgliche Zukunft für den Ruhrbergbau skizziert hat. Ziel dieser Studie war es, dem extensiv betriebenen Ausspielen von sozialen Interessen der Bergarbeiter gegen ökologische Notwendigkeiten angesichts des Klimawandels eine praktikable Alternative entgegenzusetzen, die diese beiden Interessen konstruktiv miteinander verbindet. Dazu mehr im Kapitel »Von der Kohle zur Sonne«.

6. Akteure des zweiten Arbeitsmarktes

Darüber hinaus haben sich die katholische und die evangelische Kirche mit ihren Bildungseinrichtungen und ihren Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie als Träger von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Sozialstationen, etc. zu Organisationen entwickelt, die heute in der Summe zu den bedeutendsten Trägern von Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet gehören.

Eine wichtige Rolle haben auch sozio-kulturelle Initiativen, Wohlfahrtsverbände und Kommunen als Träger von Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekten gespielt, die teils die Größe mittelständischer Unternehmen erreicht haben. Diese Initiativen im Rahmen eines so genannten zweiten Arbeitsmarktes sind aber fast gänzlich den tiefgreifenden Arbeitsmarktreformen (auch Hartz-Reformen genannt) der rot-grünen Bundesregierung zwischen 1998 und 2005 zum Opfer gefallen.

7. Die Linke

Da die Linke erst 2007 gegründet wurde, spielt sie als Akteur im Strukturwandel des Ruhrgebiets erst seit vergleichsweise kurzer Zeit eine Rolle. Sie hat zu Opel Bochum und zur RAG industriepolitische Überlegungen entwickelt, die bisher allerdings nur eine geringe Resonanz in der politischen Debatte um die Zukunft des Ruhrgebiets gefunden haben. Mehr dazu weiter unten.

Damit ist Teil I beendet. In II. Teil geht es um den geordneten Rückbau der Montanindustrie im Ruhrgebiet.

Jürgen Klute ist Sozialpfarrer und Publizist, von 2009 bis 2014 war er für DIE LINKE Mitglied des Europäischen Parlaments.

[1] Vgl. Artikel Ruhrbergbau: http://de.wikipedia.org/wiki/Ruhrbergbau
[2] Beschluss des Rates vom 10. Dezember 2010 über staatliche Beihilfen zur Erleichterung der Stilllegung nicht wettbewerbsfähiger Steinkohlebergwerke (2010/787/EU), Artikel 3 Stilllegungsbeihilfe. http://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/199550
[3] Stahlmann / Wendt-Kleinberg, S. 166
[4] Vgl. Artikel Kohlekrise: http://de.wikipedia.org/wiki/Kohlekrise
[5] Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 10. April 1951.
[6] 1946 als Industrieverband Bergbau neu gegründet, 1948 umbenannt in IG Bergbau, 1960 umbenannt in IG Bergbau und Energie – IGBE – und ab 1997 IG Bergbau, Chemie, Energie – IGBCE.
[7] Quelle: Statistik der Kohlenwirtschaft e.V. Sofern keine anderen Quellen genannt sind, sind alle hier und im folgenden genannten, den Bergbau betreffende Zahlen Statistiken des Deutschen Steinkohlenverbandes entnommen. Webseite: http://www.gvst.de
[8] Chronik des Ruhrgebiets, 1987, S. 632; dort finden sich auch die Angaben zum Einzugsgebiet.
[9] NUM = National Union of Mineworkers
[10] Mehr Hintergrundinformationen dazu liefert die Dissertation von Marlis Hennig: Die gemeinsame Sozialarbeit der Konfession im Bergbau (GSA): eine Untersuchung zur christlichen Mitverantwortung im Bergbau, Bochum 1995. Der Band von Michael Stahlmann und Walter Wendt-Kleinberg »Zwischen Engagement und innerer Kündigung« gibt ebenfalls Einblicke in diese Arbeit.
[11] Vgl. Jürgen Klute: 50 Jahre Scheinheiligenlehrgänge. In: AMOS Kritische Blätter aus dem Ruhrgebiet, Nr. 3 / 2000, S. 18f.

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