19. April 2013 Joachim Bischoff und Bernhard Müller
SPD-Senat: Eventökonomie als Sackgasse
Für die Zukunft der Hamburger Wirtschaft sieht es nicht besonders gut aus: Das »Herzstück« der Ökonomie der Hansestadt, der Hafen, schwächelt. Die Zahlen zum Seegüterumschlag im Hamburger Hafen, die die Hamburg Port Authority (HPA) jüngst für das Jahr 2012 veröffentlichte, belegen dies eindrücklich: In 2012 erreichte der Hafen einen Seegüterumschlag von 130,9 Mio. Tonnen, was einem Minus 1% gegenüber 2011 entspricht. Der Stückgutumschlag lag mit 91,5 Mio. Tonnen 1,2% unter dem Vorjahresergebnis, und der Massengutumschlag hat um 0,4% abgenommen. Vom noch kurz nach der Finanzkrise prophezeiten Warenboom im Hamburger Hafen liegen diese Ergebnisse meilenweit entfernt.
Gleichwohl vertrat Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) noch bei der Vorstellung des Hafenentwicklungsplans 2025 im Herbst 2012 die Auffassung, dass im Hamburger Hafen im Jahr 2025 mehr als 25 Mio. Standardcontainer (TEU) umgeschlagen werden könnten. Angesichts von knapp neun Mio. TEU in 2012 (-1,7% gegenüber 2011) liest sich das wie ein Märchen aus Tausend und einer Nacht.
Jahrzehntelang war Hamburg mit dem klassischen Hafenmodell als Drehscheibe für Waren aus aller Welt sehr erfolgreich. Der Containerumschlag verzeichnete jährlich hohe Wachstumsraten, in einigen Jahren sogar zweistellig. Allerdings hat sich dieser Zuwachs schon in der ersten Jahren des neuen Jahrtausends deutlich abgeschwächt. Mit Einsetzen der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008ff ist es damit ganz vorbei. Das Vorkrisenniveau ist bis heute nicht erreicht und realistische Prognosen für die Zukunft sind von der Phantasien des Wirtschaftssenators weit entfernt.
Angesichts dieser sehr gedämpften Zukunftsperspektiven für den Hafen fordert deshalb selbst ein Teil der herrschende Elite der Stadt eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung: »Nun ist die Herausforderung, eine neue Wachstumsgeschichte für den Hafen zu finden, denn einen neuen Boom des Containerumschlags hat die Hansestadt aus vielen Gründen für die absehbare Zukunft nicht zu erwarten.« (Hamburger Abendblatt)
Das einzige, was dem SPD-Senat allerdings in Sachen »neue Wachstumsgeschichte« einfällt, ist eine Offensive in Richtung Ausbau des Kreuzfahrtgeschäfts. Unter Verweis auf das boomende Kreuzfahrtgeschäft, hat Wirtschaftssenator Horch deshalb jetzt den Bau eines dritten Kreuzfahrtterminals im mittleren Hafen angekündigt. Auf dem 125 Hektar großen Gelände, auf dem nun das neue Kreuzfahrtterminal für 50 Mio. Euro entstehen soll, sollte ursprünglich ein großes Umschlagsterminal gebaut und Logistikunternehmen angesiedelt werden. Doch der Bedarf besteht aufgrund des gebremsten Wachstums derzeit nicht.
Das neue Kreuzfahrtterminal in Steinwerder soll die beiden bestehenden Anlagen in der HafenCity und in Altona in absehbarer Zeit ergänzen. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) wirbt bei führenden Kreuzfahrtreedereien darum, dass sie Hamburg mit ihren Schiffen als Start- und Zielhafen für Touren in Nordeuropa anlaufen und nicht nur als Durchgangsstation wie bislang üblich. Hamburg sei eine der attraktivsten Metropolen in Europa und die vielleicht einzige große Hafenstadt der Welt, in der die Passagiere mit dem Kreuzfahrtschiff zum Shoppen bis fast direkt vor die Boutique fahren können.
Wie auch ansonsten in der Hafenpolitik, beruht auch diese wirtschaftspolitische Initiative auf einer auf vagen, wenig begründeten Hoffnung. Denn trotz boomendem Kreuzfahrgeschäft waren schon die bestehenden Kreuzfahrtterminals in den letzten Jahren kaum ausgelastet. »2012 lag die Auslastung der Kreuzfahrtterminals in der HafenCity bei rund 13 Prozent und in Altona bei 17 Prozent«, berichtet der Hafenexperte der Grünen, Anjes Tjarks.
Das dritte Kreuzfahrtterminal ist deshalb – wie schon das zweite – überflüssig wie ein Kropf.
Das Setzen auf »Event-Kultur«, für die große Impulse für die Wertschöpfung versprochen werden, hat sich in der Vergangenheit in Hamburg (siehe Elbphilharmonie), wie in vielen anderen Orten der Welt (Olympia in Athen oder London) als kurzfristiges Strohfeuer für einige Wirtschaftszweige (etwa Bauindustrie) erwiesen, das aber an den wirtschaftlichen Strukturprobleme keinen Deut ändert. In Hamburg heißt deshalb »ordentlich regieren«, viel Geld durch den Schornstein zu jagen, statt über eine nachhaltige Strukturpolitik einen Umbau der Hamburger Wirtschaft einzuleiten.