Der rechte Rand

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14. Januar 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Soziale Spaltung – eine Bilanz zur Bürgerschaftswahl

In der Einladung zu einer Konferenz der Arbeitsgemeinschaft Soziales Hamburg zum Thema »Reiches Hamburg, arme Stadt – Welche Politik gegen Armut brauchen wir?« wird festgestellt, dass die Tatsache sozialer Spaltung in Hamburg nicht zu übersehen ist: Polarisierung von Einkommen und Vermögen, Wohnungsnot, ungleiche Bildungschancen und hohe Langzeitarbeitslosigkeit. Kontroversen gibt es um die Ursachen und die Fragen, wie Armut durch (sozial-) politische Interventionen bekämpft werden kann. Allerdings ist auch Tatsache, dass große Teile der politischen Klasse kein Problembewusstsein haben.

So lautet die zentrale These des SPD-Senats: 90% der Hamburger Bevölkerung geht es gut. Armut und soziale Spaltung sind im sozialdemokratischen Regierungsprogramm kein Thema. Der Sozialverband Hamburg (SoVD) verweist dagegen auf die Schere zwischen Arm und Reich. In der Hansestadt leben 42.000 Millionäre und 18 Milliardäre. Zugleich sind mehr als 230.000 Menschen auf kaum auskömmliche Sozialtransfers angewiesen.

Ein Faktencheque zeigt: Wir sind in Hamburg trotz guter ökonomischer Rahmenbedingungen (Plus beim BIP, Steuermehreinnahmen) in den letzten Jahren mit einer Verfestigung, z.T. sogar Ausweitung der sozialen Kluft konfrontiert.

Armut wächst trotz Wirtschaftswachstum

Der Anteil der Menschen, die arm sind, hat in Hamburg in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Hamburg liegt inzwischen, gemessen an der Armutsgefährdungquote deutlich über dem durchschnittlichen Armutsniveau in Deutschland (15,9%). 2013 waren 16,9% der Bevölkerung von Armut betroffen, das waren knapp 300.000 BürgerInnen. Bezieht man die teuren Lebenshaltungskosten in der Stadt mit ein, waren es sogar 18,7% (etwa 325.000).


Und die soziale Polarisierung ist in Hamburg besonders stark ausgeprägt. Dies zeigt der Gini-Koeffizient, der die soziale Ungleichheit misst. Er liegt in Hamburg mit einem Wert von 0,32 deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Hier ist Hamburg Spitze!. Man könnte einwenden, dass nach diesem Maß die Ungleichheit ja nicht weiter zugenommen hat.

 

Schauen wir uns die Verhältnisse genauer an.


Wer ist von Armut betroffen?

Ende 2013 gab es in Hamburg 230.000 BürgerInnen, die auf Sozialleistungen angewiesen waren. Das waren 13,2% der Bevölkerung. Von Armut betroffen waren allerdings deutlich mehr Menschen, nämlich 16,9% (absolut etwa 300.000), weil viele die ihnen zustehenden Mindestsicherungsleistungen aus Scham oder Unwissen nicht beantragen bzw. der Anspruch erst ab einem so niedrigen Niveau des Haushaltseinkommens geltend gemacht werden kann, das deutlich unter der Armutsgrenze (60% des Medianeinkommens) liegt.

Arm sein hieß im Jahr 2013 in Hamburg konkret mit weniger als 934 Euro (Einpersonen-Haushalt) bzw. 1.961 Euro (Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren) auskommen zu müssen.

Arm sein hat vielfältige Formen der Diskriminierung zur Folge. Das reicht von der Verdrängung aus aufgewerteten Stadtteilen bis zum Abgekoppeltsein vom gesellschaftlichen Leben, weil das Geld nicht für einen Internetanschluss oder die Fahrkarte in andere Stadtteile etc. reicht. So finden wir denn auch in Hamburg eine regional sehr unterschiedliche Verteilung von Armut.

Von Armut betroffen sind vor allem Erwerbslose, Alleinerziehende und MigrantInnen und die in deren Haushalten lebenden Kinder.



Kindarmut ist kein Randproblem

Armut betrifft vor allem auch Kinder und Jugendliche in Hamburg – auch wenn die Zahlen in den letzten Jahren leicht rückläufig waren. So lag die Quote der Kinder unter 15 Jahren, die mit ihren Eltern Leistungen zur Grundsicherung erhalten, mit 21,0% in 2012 fast doppelt so hoch wie die der LeistungsbezieherInnen insgesamt (12,8%). Dies betraf knapp 50.000 Kinder und Jugendliche. Noch ungünstiger stellt sich die Lage für Kinder bis sieben Jahre in Hamburg dar. Von ihnen lebt 2012 mit 22,0% deutlich mehr als jeder fünfte Kind in Armut. Bei den Kindern und Jugendlichen im Alter von 8-18 Jahren nimmt die Hilfebedürftigkeit bei einer Quote von 20,8% in 2012 nur unwesentlich ab.

Armut ist also auch in Hamburg in erster Linie ein Problem für Haushalte mit Kindern. Kinderarmut ist ein Armutsproblem der Eltern. Es zeigt sich aber bei genauerem Hinsehen, dass das Risiko, armutsgefährdet zu sein, mit der Kinderanzahl, die in einem Haushalt lebt, deutlich steigt. Haushalte mit drei und mehr Kindern fallen häufig unter die Armutsgrenze, auch wenn sie voll erwerbstätig sind. Da die Kinderzahl in Haushalten mit Migrationshintergrund (noch) deutlich höher liegt, gilt dies hier besonders. Auch von Arbeitslosigkeit sind Haushalte mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich betroffen – ebenso wie Alleinerziehendenhaushalte mit Kindern. Da Arbeitslosigkeit und Armut in sehr engem Bezug zueinander stehen, sind diese Personengruppen ganz besonders von Armut betroffen.

Und: Der Durchschnitt der auf Hilfe angewiesenen armen Kinder sagt uns nur die halbe Wahrheit. Denn Kinder- (wie auch Alters-) Armut ist ganz unterschiedlich auf die Stadtteile verteilt. In Billstedt, Dulsberg, Veddel und Jenfeld liegt die Abhängigkeit bei fast 50%, in Wilhelmsburg und Rothenburgsort nur knapp darunter. Dagegen ist die Hilfequote in den Elbvororten, im Alstertal und den Walddörfern deutlich unterdurchschnittlich.


Wachsende Altersarmut

Wegen der Absenkung des Renteniveaus und der Ausbreitung nicht die Existenz sichernder Beschäftigungsverhältnisse wird Altersarmut auch in Hamburg ein immer drängenderes soziales Problem. Der SPD-Senat leugnet oder ignoriert dies hartnäckig.



Dabei ist Hamburg beim Anteil der BezieherInnen von Grundsicherungsleistungen im Alter schon »Hauptstadt der Altersarmut«. 6,8% der BürgerInnen, die älter 64 Jahren sind, sind 2013 hier auf diese Sozialleistung angewiesen. Der Bundesdurchschnitt lag demgegenüber bei 3,0%.


Es gehört wenig Mut zu der Prognose, dass sich die Zahl der auf öffentliche Unterstützung angewiesenen SeniorInnen in den nächste Jahren kontinuierlich erhöhen wird, dass wir vielleicht am Ende dieses Jahres schon eine Quote von 7,3% erreichen.

Diese Dynamik wird vor allem auch auf Bezirks- und Stadtteilebene sichtbar. Denn die (kontinuierlich Jahr für Jahr) wachsende Zahl der von Altersarmut betroffenen BürgerInnen ist in die für Hamburg charakteristische sozial-räumliche Polarisierung eingebunden. So finden sich die HamburgerInnen, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, vor allem in den armen Quartieren. So waren im Bezirk Mitte 2012 10,7% (ggb. 2008 + 1,8%) der Menschen, die 65 Jahre und älter sind, auf Grundsicherung angewiesen. Im Hamburger Durchschnitt waren es »nur« 6,2%. Besonders hoch ist der Anteil in den Stadtteilen Neuallermöhe (18,9%), Jenfeld (15,6%), Altona-Altstadt (14,8%), Dulsberg (14,3%) und Harburg (13,0%).

Hinzu genommen werden muss, dass wesentlich mehr ältere BürgerInnen von Armut betroffen sind als die, die Sozialleistungen beziehen, denn der Anteil der GrundsicherungsbezieherInnen bei den über 64-Jährigen lag 2013 bei 6,8%, die der von Armut betroffenen aber bei 12,9%. Der Hinweis, dass die Hamburger Armutsquote bei den SeniorInnen niedriger ist als im Bundesdurchschnitt, ist zwar richtig. Unter den Tisch fällt dabei allerdings, dass die Altersarmut in Hamburg in den letzten Jahren deutlich stärker zugenommen hat als im Bund, der Abstand zwischen Bund und Hamburg also deutlich geringer geworden ist. Betrug er 2006 noch 4,4%, waren es im Jahr 2013 nur mehr 1,3%.

Es gehört angesichts der politischen Ignoranz auf Bundes- wie Landesebene gegenüber dem Problem der Altersarmut nicht viel Phantasie dazu, vorherzusagen, dass sich die Zahl der GrundsicherungsbezieherInnen wie die der armen Alten insgesamt in den nächsten Jahren kontinuierlich erhöhen wird. Die Schönfärberei und Ignoranz des SPD-Senats und Senator Scheeles ist angesichts dieser eindeutigen Entwicklungstendenz kaum erträglich.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Hamburg in vielfältiger Hinsicht eine gespaltene Stadt ist. Neben Stadtteilen, in denen kaum Kinder aufwachsen, gibt es Stadtteile, in denen sich die Zahl dort lebender Kinder, Armut und Sozialhilfebezug, schlechte Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit und Haushalte mit Migrationshintergrund konzentrieren.

Armut bekämpfen

Bei der Armutsbekämpfung bzw. -prävention muss wie bisher der fehlende politische Wille beklagt werden. Die politischen Maßnahmen auf Bundesebene haben sowohl bei Schwarz-Gelb als auch bei Schwarz-Rot eher dazu beigetragen, den Trend einer wachsenden sozialen Spaltung zu verschärfen. Seit Einführung von Hartz-IV hat die Verunsicherung der BürgerInnen zugenommen. Die Regelsätze sind völlig unzureichend und das System der Sanktionen ist bedrückend Es herrscht Furcht, auch und gerade bei den mittleren Einkommenslagen, in den Hartz-IV Bezug abzustürzen, weil das Sicherungssystem unzureichend und repressiv ist. Beim Arbeitslosengeld II sind sowohl die Regelbedarfe als auch die zusätzlichen Leistungen zum Lebensunterhalt anzuheben. Gleichzeitig muss die Einkommens- und Vermögensanrechnung gelockert und. Zumutbarkeits- und Sanktionsregelungen müssen revidiert, die Betreuungs-, Vermittlungs- und Eingliederungsleistungen für alle Arbeitslosen bei der Bundesagentur für Arbeit konzentriert werden.

Die Sozialverbände fordern zurecht schon auf Landesebene eine grundlegende Reform ein; neben einer Anhebung der Leistungen geht es u.a. um

  • eine Erhöhung und Anpassung der Einkommensgrenzen, ab denen Wohngeld beantragt werden kann,
  • 50.000 kostenfreie kulturelle Angebote (z.B. Theaterplätze) für benachteiligte Menschen in Hamburg je Jahr,
  • eine Sozialkarte ÖPNV und einen Sozialtarif »Energie« für alle bedürftigen Menschen in Hamburg,
  • ein kostenfreies Frühstück und Mittagessen für Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter.
  • mehr Wohnungen für Obdachlose, Wohnungslose und Frauen; stärkere Förderung des sozialen Wohnungsbaus
  • Erhalt und Ausbau der Seniorentreffs in den Bezirken. Quartiersgebundener Ausbau der Familienberatung. Soziale Einrichtungen in den Bezirken verlässlich finanzieren und integrierte Statteilentwicklung ausbauen. Dazu gehört auch die Verstetigung und Weiterentwicklung der Stadtteilbeiräte.
  • die Allgemeinen Sozialen Dienste personell besser ausstatten, qualifizieren und besolden
  • Langzeitarbeitslose im öffentlichen Sektor qualifizieren, sozialen Arbeitsmarkt entwickeln.

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