Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

Einblicke in 20 Jahre
»Institut für Staatspolitik«
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ISBN 978-3-96488-074-1

Friedrich Engels zum 200.

Reiner Rhefus
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184 Seiten | in Farbe | Hardcover | zahlreiche Fotos | EUR 16.80
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Lebenswertes Hamburg?

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Lebenswertes Hamburg
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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

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Karl Marx in Hamburg
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Linke Kommunalpolitik –
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Crashkurs Kommune 12
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ISBN 978-3-89965-799-9

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DenkMal Friedhof Ohlsdorf
33 Stätten der Erinnerung und Mahnung | Herausgegeben von der Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e.V.
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Kleine Weltküche
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Michael Töteberg
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ISBN 978-3-89965-578-0

13. November 2014 Björn Radke

Schleswig-Holstein: »Versprochen – gehalten« überzeugt nicht

Nach einer aktuellen Umfrage sind 50% der Schleswig-HolsteinerInnen mit der Arbeit der Landesregierung weniger oder gar nicht zufrieden sind. Gleichwohl hat Ministerpräsident Tosten Albig (SPD) eine selbstgerechte und jedes Problem ausklammernde Halbzeitbilanz der Regierungsarbeit gezogen. »Schleswig-Holstein ist ein Land im Wandel zum besseren.« Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit 34 Jahren nicht und die Zahl der Beschäftigten höher als je zuvor. Das strukturelle Defizit im Haushalt werde Schritt für Schritt kleiner. »Wir kommen besser als andere Länder bei der Konsolidierung voran«, so Albig. 2013 habe das Land zum ersten Mal seit 50 Jahren einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Das sei ein »historischer Erfolg«. Für die kommenden Jahre kündigte er weitere Initiativen in den Bereichen Bildung, Energie und Infrastruktur an.

Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode formulierte Albig »zehn Leitplanken«. So u.a. in der Schulpolitik, beim Kita-Ausbau und beim Sanierungsstau in der Infrastruktur, gegen den das Land mit Geld aus Sondervermögen in Höhe von 180 Mio. Euro vorgehen werde. Zudem wolle seine Regierung dafür sorgen, dass in Schleswig-Holstein bis 2020 mehr als doppelt so viel erneuerbare Energie produziert wird wie heute – neun statt vier Gigawatt. Albig verteidigte den Landes-Mindestlohn und das Tariftreue-Gesetz gegen die Kritik der Opposition: Das Land »schützt unsere Unternehmen vor einer Billigkonkurrenz, die auf Dumpinglöhne setzt«. Und: Das »ungerechte und undurchsichtige System des Kommunalen Finanzausgleichs« werde durch die nun anstehende Reform »endlich gerechter«.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner sekundierte: »Nicht umsonst hat die SPD-Fraktion ihre Halbzeitbilanz betitelt ›Versprochen. Gehalten!‹ Der Kern des Politikwechsels in den vergangenen zweieinhalb Jahren liegt im Verständnis einer anderen Finanzpolitik, nämlich einer vorsorgenden Finanzpolitik, konsolidieren und investieren. Wir konsolidieren den Haushalt und investieren zugleich in die Zukunft des Landes, in Bildung und Infrastruktur. Dabei helfen uns nicht zuletzt die systematisch angelegten Sondervermögen. 180 Mio € für Straßen, Kitas, Landesliegenschaften, Hochschulen, Kliniken und das Breitbandnetz – diese Mischung macht’s. (…) Und wir haben die Schuldenbremse nicht nur eingehalten, wir haben sogar Schulden getilgt – erst mal seit 50 Jahren! Das sind die Erfolge unserer Haushaltspolitik.«

Ralf Stegner beschönigt die Folgen der Schuldenbremse, die vom Landtag in der Verfassung festgeschrieben wurde. Tatsächlich ist eine Begrenzung des Haushaltsdefizits und der Staatsverschuldung nur sinnvoll, wenn die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte erhalten bleibt und ausreichend Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorhanden sind. Die Sanierung der öffentlichen Finanzen kann nicht allein durch Kürzungen der Ausgaben gelingen, sondern erfordert den Übergang zu einer sozial gerechteren Verteilungs- und Steuerpolitik. Der politische Ausweg aus Stagnation und Wirtschaftsflaute ist nur zu erreichen, wenn es gelingt eine sozial-ökologische Transformation unter Rückgriff auf eine Veränderung der Verteilungsverhältnisse einzuleiten.

Die günstige Konjunkturlage und erhöhter Steuereinnahmen erlaubten es der Landesregierung bisher einen »sanften« Kurs zur Einhaltung der Schuldenbremse zu fahren. Dazu gehörte auch das »auf Zeit setzen« und mögliche Konfliktherde wie die massiven Strukturprobleme auf die lange Bank zu schieben. Nach der jüngsten Steuerschätzung wird das Land 2015 voraussichtlich 162 Mio. Euro weniger Steuereinnahmen haben als bisher angenommen. Die Landesregierung beschloss dennoch eine sogenannte Nachschiebeliste zum Landeshaushalt mit zusätzlichen Ausgaben. Die Netto-Kreditaufnahme steigt um 145 Mio. Euro auf 243 Mio. Euro. Die Investitionsquote des Haushalts klettert von ursprünglich geplanten 6,7 auf nun 7,1%. In konkreten Zahlen bedeutet das einen Zuwachs in Höhe von 40 Mio. Euro auf 729 Mio. Euro. In der Nachschiebeliste sind auch Mehrausgaben von 53 Mio. Euro für Flüchtlinge und Asylbewerber enthalten, deren Zahl massiv gestiegen ist. Ob das ausreichen wird, ist zweifelhaft, zumal die Zahl der Schutz Suchenden sich wohl 2015 noch vergrößern wird.

Für 2015 sieht der Etat, der im Dezember im Landtag beschlossen werden soll, jetzt bereinigte Einnahmen von 10,07 Mrd. Euro vor. Das sind 140 Mio. Euro weniger als bislang geplant. Gleichzeitig steigen die Ausgaben um fünf Mio. Euro auf 10,31 Mrd. Euro. Das strukturelle Defizit sollte nach dem vorherigen Entwurf noch um 184 Mio. Euro auf 395 Mio. Euro sinken, jetzt verringert es sich nur noch um 172 Mio. Euro. Laut des Diktats der Schuldenbremse muss es bis 2020 völlig abgebaut sein.

Nach dem neuesten Haushaltsentwurf will die Landesregierung wegen der niedriger ausgefallenen Steuereinnahmen neue Schulden in Höhe von 243 Mio. Euro machen statt wie bisher geplant 98 Mio. Euro. Ein erneuter Zeitgewinn, der sich stützt auf die Hoffnung, dass die Rahmendaten nicht noch ungünstiger werden. Für die Koalitionäre wird es immer schwieriger zu vermitteln, wie sie bei Beibehaltung ihres Kurses die »Schwarze Null« erreichen und gleichzeitig den »sanften« Sparkurs einhalten wollen. Das Finanzministerium geht von der Annahme aus, dass die Zinsausgaben im kommenden Jahr trotz der erhöhten Kreditaufnahme sinken werden – um rund 95 Mio. Euro auf dann 785 Mio. Euro. Das Ministerium hält diese Annahmen für gerechtfertigt. »Die Zinsen sinken schon seit Längerem«, sagte Ministeriumssprecher Eugen Witte. Auch nach dieser Neufestlegung seien die Ausgaben in diesem Bereich immer noch »sehr konservativ gerechnet«.

Innerhalb der Koalition gibt es aber auch skeptische Stimmen, vor allem auch angesichts der Tatsache, dass die Steuerschätzer für die Jahre nach 2015 ebenfalls mit niedrigeren Einnahmezuwächsen rechnen. Der Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen von den Grünen sprach von einer »angespannten« Haushaltslage. Der SSW-Fraktionschef Lars Harms sagte: »Kein Zweifel, die finanziellen Spielräume werden in den kommenden Jahren wieder enger.« Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben, musste eingestehen, dass es »noch immer in vielen Bereichen Unterfinanzierungen« gebe: In der Bildung, in der Kindertagesbetreuung, in der Migrationsberatung, bei den Krankenhäusern, bei den Hochschulen »könne nicht jeder Anspruch befriedigt werden.«. Die Fraktionschefin gibt sich am Ende damit zufrieden, »dass wir mutig genug sind, die Dinge beim Namen zu nennen und fair genug, auch andere Meinungen in ihrem eigenen Recht stehen zu lassen«. Da sind demokratisches Selbstverständnis und der Gestaltungswillen kaum noch zu unterbieten.

Immerhin blendet SPD-Fraktionschef Ralf Stegner nicht aus, dass es auf der Einnahmeseite des Landes nicht gut aussieht. »Sehr gerne allerdings hätten wir die Einnahmesituation des Landes noch weiter gestärkt, um den Kraftakt notwendiger Investitionen in Bildung und in Infrastruktur besser stemmen zu können. Ein stärkerer Solidarbeitrag der höchsten Einkommen und Vermögen war mit der Union im Bund aber leider nicht zu machen. Wir werden als Land Schleswig-Holstein auch weiterhin unsere Interessen in Berlin deutlich artikulieren. Ich hoffe sehr, dass wir wenigstens mit Blick auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen in diesem Hause gemeinsam streiten, da geht es nämlich um sehr viel für unser Land.«

Bei den anstehenden Entscheidungen um den Länderfinanzausgleich wird es aber nur dann zu befriedigenden Ergebnissen kommen, wenn auch die SPD-regierten Länder sich für einen  Länderfinanzausgleich einsetzen, der im Kern ein sozialer und solidarischer Föderalismus sein muss. Die soziale Komponente wird durch das im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsgebot sowie das Anrecht der Bundesländer auf ausreichende Steuereinnahmen zur Deckung ihrer notwendigen Ausgaben begründet. Den Bundesländern soll es hierdurch ermöglicht werden, ihre Ausgaben an den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung auszurichten, ohne gleichzeitig einem permanenten Druck zu unterliegen, Leistungen abzubauen oder auszudünnen.

Die CDU hat außer lau(t)en Sprüchen keine Alternativen anzubieten. »Das erste laue Lüftchen bringt Heinolds Kartenhaus zum Einsturz«, sagte Tobias Koch, der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Mit der Absenkung der prognostizierten Zinsausgaben um 133 Mio. Euro sei der Spielraum der Finanzministerin endgültig ausgereizt. »Deshalb ist ihre Halbzeitbilanz in Wahrheit eine Schlussbilanz: Sie haben nichts mehr zu bieten.«

Die Einnahmesituation des Landes zu verbessern kann sich aber nicht darauf beschränken auf die Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen zu setzen. Im Lande selbst braucht es Impulse zur Überwindung der strukturellen Schwäche. Nach Angaben der Landesregierung »gehört Schleswig-Holstein zu den wichtigsten und attraktivsten Tourismusstandorten in Deutschland. Prognosen des Landes Schleswig-Holstein deuten an, dass es eine Branche mit hohem Wachstumspotenzial ist. In der Tourismusbranche arbeiten rund 130.000 Beschäftigte, womit die Branche fast so groß wie das Verarbeitende Gewerbe ist. Im Tourismus wird ein Umsatz von rund 4,5 Milliarden Euro erarbeitet, was in ungefähr der Größenordnung der wichtigen Industriebranchen in Schleswig-Holstein - Ernährungsgewerbe, Maschinenbau und Chemie – entspricht.« Die Landesregierung nennt die Chemieindustrie, Ernährungswissenschaften, Agrarwirtschaft, maritime Wirtschaft, Life Science, Logistik, Luftfahrt, Tourismus und erneuerbare Energien als seine Schwerpunktbereiche.

Nun ist es aber auch Fakt, dass nicht nur in der Tourismusbranche ein Großteil der Beschäftigten  einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Insgesamt im Land betrifft dies 256.000 Beschäftigte. Diesen großen Anteil an Niedriglohnbeschäftigung zurückzudrängen, wäre eine wichtige Herausforderung für die Landesregierung. Der Verweis auf die Einführung des bundesweiten, gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro trägt nicht sonderlich, da er erstens durchgesetzt werden muss und, zweitens in dieser Höhe nicht ausreicht, um der Armutsfalle zu entgehen. Eine gute Beschäftigungslage ohne Entgelte, die zum Leben reichen stimulieren den Wirtschaftskreislauf nicht.

Impulse zum Ausbau dieser Wirtschaftskreisläufe, damit der Erhöhung der Einnahmen, und Verbesserungen in der Infrastruktur (Verkehr, Bildung, Gesundheit) sind ohne ein öffentliches Investitionsprogramm nicht zu haben. So viel Zeit hat die Landesregierung nicht mehr, die angestauten Probleme anzupacken: Das Eis wird dünner.

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