Der rechte Rand

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14. November 2012 Joachim Bischoff und Bernhard Müller

Schulden trotz Rekordsteuereinnahmen - Das Rätsel von Hamburgs öffentlichen Finanzen

Hamburg wird in diesem Jahr erstmals mehr als neun Mrd. Euro Steuern einnehmen. Nach der November-Steuerschätzung sollen es exakt 9,046 Mrd. Euro sein und damit noch einmal 34 Mio. Euro mehr als im Mai vorhergesagt. Gegenüber der Haushaltsplanung des Senats, die auf der Steuerschätzung aus 2011 basiert, würden die Mehreinnahmen sogar 271 Mio. Euro betragen.

Trotz Steigerung bei den Einnahmen müssen weiter Kredite zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben aufgenommen werden. In der öffentlichen Meinung herrscht die Auffassung vor, die regierende Sozialdemokratie könne nicht mit dem öffentlichen Geld umgehen. An diesem Vorwurf ist auch einiges richtig, aber zunächst ist für Hamburg wie für andere Stadtstaaten und dem Großteil der Kommunen entscheidend: Für die Umsetzung der Aufgaben steht nicht genügend Geld zur Verfügung.

Die Rekordeinnahmen basieren auf der guten konjunkturellen Entwicklung der letzten Monate und den üblichen Preissteigerungen. Allerdings werden für 2013 bis 2016 nun deutlich geringere Einnahmen erwartet als noch im Mai. Hatten die Steuerschätzer seinerzeit ihre Prognose für diese Jahre um insgesamt fast 800 Mio. Euro nach oben korrigiert, haben sie diese Erwartung nun nahezu komplett wieder kassiert.

Im Vergleich zur Steuerschätzung im Mai liegt Hamburg sowohl beim Plus in 2012 wie auch den geschätzten Abweichungen nach unten in den Folgejahren deutlich unter den Annahmen für andere Bundesländer und Gemeinden. So wurden die Annahmen für die Einnahmen aus Gewerbesteuer in 2012 um (erstaunliche) 170 Mio. Euro und für 2013 um 220 Mio. Euro nach unten korrigiert – ein durchaus erklärungsbedürftiger Umstand.

Hamburgs Finanzsenator Tschentscher führt diese gedämpften Erwartungen für die Steuereinnahmen vor allem auf die konjunkturelle Entwicklung zurück. Der Senat hatte dem in seiner Haushaltsplanung Rechnung getragen, in dem er bei den Steuereinnahmen mit »Vorsichtsabschläge« operiert hat. Tschentscher sieht vor diesem Hintergrund auch keinen Spielraum an der grundsätzlichen Linie, die Ausgaben pro Jahr nur um 0,88% steigen zu lassen, um 2020 zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, etwas zu ändern. Es bleibt bei dem rigiden Haushaltskonsolidierungskurs. Es ist eindeutig: Die SPD will die bestehenden Ausgaben noch nicht einmal mit der Preissteigerungsrate anwachsen lassen. Auch beim Personal soll will man unter den üblichen und keineswegs opulenten Tarifsteigerungen bleiben. Wenn das Personalbudget stärker ansteigt, sollen mehr Stellen gestrichen werden.

CDU und FDP fordern den Senat auf, angesichts der immer noch sprudelnden Steuereinnahmen die Schuldenbremse früher umzusetzen. »Die Einnahmen Hamburgs haben sich 2012 noch einmal verbessert und bleiben danach auf hohem Niveau«, sagte CDU-Finanzexperte Roland Heintze. »Diese Lage muss der Senat nutzen, um möglichst schnell keine neuen Schulden zu machen. Damit könnte er sofort anfangen.« Auch die Grünen fordern angesichts höherer Steuereinnahmen und niedriger Zinsen für Altkredite schon für 2012 »eine deutlich geringere Neuverschuldung«.

Sowohl der SPD-Senat wie auch die bürgerlichen Oppositionsparteien verkennen allerdings, dass Hamburg – trotz rekordhoher Steuereinnahmen – nicht in erster Linie ein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem hat. Weite Teile der städtischen Infrastruktur sind stark unterfinanziert. Allein der Sanierungsstau bei den Schulen wird vom Rechnungshof auf 4,1 Mrd. Euro geschätzt. Die vom Senat praktizierte Ausgabendrückerei verschärft diese Situation zusätzlich. Der Substanzverlust in der öffentlichen Infrastruktur wird fortgeschrieben. Ohne Erneuerung und Ausbau der Infrastruktur (im übrigen unter Einschluss der öffentlich Beschäftigten) wird die wirtschaftliche Zukunft der Hansestadt noch unsicherer.

Hinzu kommen die Risiken aus den Problemen der für Hamburg so wichtigen maritimen Wirtschaft. Die schwächelnde Konjunktur lässt sich an den Zahlen des Hamburger Hafenkonzerns HHLA ablesen. So stagnierte im dritten Quartal der Umschlag des Unternehmens auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums bei 1,9 Mio. Containern (TEU). Der Umsatz sank von 316 Mio. auf 281 Mio. Euro, der Gewinn vor Steuern von 63 Mio. auf 41 Mio. Euro. Das dritte Quartal gilt in der Branche europaweit als das wichtigste des Jahres. Zwischen Juli und September wird der größte Teil der Weihnachtsimporte abgewickelt. Doch die fielen in diesem Jahr enttäuschend aus. »Das wirtschaftliche Umfeld der HHLA hat sich im dritten Quartal weiter eingetrübt«, sagte Konzernchef Klaus-Dieter Peters. »Die Abschwächung der Weltkonjunktur, die Schifffahrtskrise und der Aufbau von Terminal-Überkapazitäten in Nordeuropa belasten unsere Mengen- und Erlösentwicklung.«

Davon betroffen ist selbstverständlich auch die Traditionsreederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt mit 1,1 Mrd. Euro beteiligt ist. Sie muss trotz etwas besserer Zahlen im 3. Quartal unterm Strich einen Nettoverlust von 94,1 Mio. Euro ausweisen. Für das Gesamtjahr geht Vorstandschef Behrendt nun zwar von einem insgesamt positiven operativen Ergebnis aus. Unter dem Strich dürfte es aber nicht für schwarze Zahlen reichen.

In Hamburg reicht es immer nur zum ersten Schritt. Der Ausbau des öffentlichen Anteils an der maritimen Wirtschaft wurde eben nicht begleitet durch eine zukunftsträchtige Strukturpolitik. Immer deutlicher fällt ins Gewicht, dass Hamburg Basisstrukturen wie Hafen, Industrie, Dienstleistungen, Infrastruktur, Wohnungen und Verkehr allein den Marktkräften überlässt.

Für Finanzsenator Tschentscher sind die Schwächesymptome in der Wirtschaft kein Problem. Er hält es »aus heutiger Sicht« zwar auch für »eher unwahrscheinlich«, dass die Stadt die erwartete Dividende von 35 Mio. Euro von Hapag-Lloyd für das Geschäftsjahr 2012 bekommen wird. Auch die HHLA leide unter der Krise, räumte der Senator ein. Dennoch fürchte er keine negativen Auswirkungen auf den Haushalt. »Das wird nach heutiger Einschätzung nicht dazu führen, dass wir den Verlustausgleich für unsere Konzernholding HGV erhöhen müssen.« Diese Eleganz der Problemvertagung wird nur noch bis zum Jahresende Bestand haben. In der Gesamtabrechnung für 2012 werden trotz Rotstiftpolitik massive Deckungslücken sichtbar werden.

Wie schon so oft, übt sich der Finanzsenator hier – wie seine Vorgänger Peiner und Freitag – in der hohen Kunst des Spurenverwischens. Die rezessive Entwicklung und die Überkapazitäten im internationalen Containergeschäft werden die maritime Wirtschaft weiter erschüttern – mit den entsprechenden Folgen für Arbeitsmarkt und Haushalt der Hansestadt. Es wäre deshalb endlich an der Zeit über einen Plan B nachzudenken und umzusetzen, der die Bedeutung der maritimen Wirtschaft für Hamburg relativiert. Mit dem Einstieg bei Hapag Lloyd hat die Stadt zwar einen ersten wichtigen Schritt zur Steuerung der Hafenwirtschaft getan, ohne allerdings die dadurch gewonnene Möglichkeit, direkt auf die Geschäftspolitik der Reederei Einfluss zu nehmen, auch zu nutzen.

Jetzt müsste Hamburg allerdings zwei Schritte weitergehen und die Möglichkeiten des starken Pfunds öffentlicher und genossenschaftlicher Unternehmen nutzen, um einen Umbau der Hamburger Wirtschaft auf den Weg zu bringen. Das würde zwar Geld kosten, das damit aber besser angelegt wäre als bei der Verschleuderung von Steuergeldern, um ein Pleitebank am Leben zu halten oder aber Leuchtturmprojekte wie die Elbphilharmonie zu Ende zu bringen.

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