Der rechte Rand

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29. Januar 2013 Björn Radke

Schleswig-Holstein: Haushalt nach dem Prinzip Hoffnung

Mit den Stimmen von SPD, Grünen und SSW beschloss der Landtag in Kiel den schleswig-holsteinischen Landeshaushalt 2013. CDU, FDP und die Piraten votierten dagegen. Der Haushalt sieht Ausgaben von 9,65 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von 450 Millionen vor. Kürzungen der früheren CDU/FDP-Koalition wurden korrigiert. So bekommen dänische Schulen, Blinde und Frauenhäuser wieder mehr Geld. Andererseits drücken die Altlasten: Für Zinsen auf alte Schulden zahlt das Land fast eine Milliarde Euro.

Während Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und Finanzministerin Monika Heinold (GRÜNE) ihren Haushaltsentwurf verteidigten, waren sich CDU, FDP und die PIRATEN einig: Die Nord-Ampel sorge nicht für absehbare Haushaltsrisiken vor, etwa mit Blick auf die angeschlagenen HSH Nordbank oder die anstehenden Tariferhöhungen bei Angestellten und Beamten. Und: Das Regierungsbündnis setze die falschen Prioritäten. Im Fokus stehen das 50-Millionen-Euro-Sanierungsprogramm PROFI (Programm für vorsorgende Finanzpolitik) sowie die Pläne der Nord-Ampel, besonders umstrittene Sparbeschlüsse der schwarz-gelben Vorgängerregierung wieder zurück zu holen.

Ministerpräsident Albig verteidigte den Haushalt mit blumigen Worten: Ein guter Haushalt sei mehr als nur Zahlenwerk, sondern erzähle auch eine Geschichte. „Unsere Geschichte handelt von Zuversicht, Solidarität und Aufbruch." Die Koalition wolle das Land gemeinsam mit den Menschen gerechter, zukunftssicherer und stärker machen. Der finanzielle Spielraum dafür sei sehr gering. Die Koalition verfolge einen wachstumsorientierten Konsolidierungskurs und wolle mehr Wachstum für das Land als in der Vergangenheit.

Mit solchen schönen, schlichten Worten umschifft der Ministerpräsident nicht nur die von der schwarzgelben Opposition vorgetragene Kritik. Auch der Landesrechnungshof hatte sich im Dezember 2012 deutlich zu Wort gemeldet. Er erinnerte noch einmal an die dramatische Finanzlage des Landes und mahnte die Einhaltung getroffener Vereinbarungen mit dem Bund an: Schleswig-Holstein sitze nach jahrzehntelanger Schuldenpolitik auf einem Schuldenberg von 27 Mrd. €. Hierbei seien die Schulden der Kommunen  noch nicht einmal berücksichtigt. „Ab 2020 darf das Land keine strukturell bedingten Kredite aufnehmen. Darauf muss es sich durch sukzessiven Abbau des Defizits vorbereiten. Seit Aufnahme dieser Schuldenbremse in Grundgesetz und Landesverfassung hat das Land ernsthaft mit dem  Abbau seines strukturellen Finanzierungsdefizits begonnen. Wenn das Land seinen Sanierungspfad einhält, bekommt es bis 2019 insgesamt 720 Mio. € Konsolidierungshilfen von Bund und Ländern“.

Die Koalition will die Netto-Ausgaben im laufenden Jahr auf etwa 9,65 Milliarden Euro erhöhen. Im Vorjahr hatte der von Schwarz-Gelb verabschiedete Haushalt ein Volumen von 9,285 Milliarden. Die Neuverschuldung 2013 beträgt 461 Millionen Euro. Nach der Oktober-Steuerschätzung, die gegenüber der Mai-Schätzung von rund 45 Millionen Euro weniger Einnahmen ausgeht, sah sich die Landesregierung gezwungen über die sogenannte Nachschiebeliste entsprechende Ergänzungen zu ihrem eigenen Haushaltsplan einzureichen.  Das ist mehr als im letzten Jahr, wo Kredite von 265 Millionen Euro aufgenommen wurden, aber deutlich weniger als die in der Finanzplanung ursprünglich angesetzten 941 Millionen. Zugleich soll ein "Risikopuffer" im Haushalt bleiben, weil in Berlin Entscheidungen anstehen, die auf den Landeshaushalt durchschlagen könnten - etwa eine Anhebung des Grundfreibetrags bei der Einkommenssteuer. Trotz der höheren Neuschulden wird Schleswig-Holstein aber nach Aussage des Finanzministeriums die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten.

Einige Kernpunkte des nur ein Jahr gültigen Etats:

  • Es werden wie ursprünglich geplant 354 Stellen in der Verwaltung abgebaut. Allerdings sollen 300 Lehrerstellen zum Schulhalbjahr Ende Januar zusätzlich geschaffen werden.
  • Die Zahl der Differenzierungsstunden in den Gemeinschaftsschulen wird erhöht, die Schulsozialarbeit an den Grundschulen wird ausgebaut.
  •  Die Kommunen erhalten Zuschüsse beim Ausbau der Kinderbetreuung, und die Schulen der dänischen Minderheit werden wieder zu 100 Prozent gefördert.
  • Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen sowie Mädchentreffs erhalten mehr Geld.
  •  Als "Herzstück" des Haushalts sollen 50 Millionen Euro in das PROFI-Projekt fließen, durch das öffentliche Gebäude energiesparend nachgerüstet werden.

Diese Umschichtungen werden zu Lasten anderer Beeiche des Öffentlichen Sektors gehen. Auch die Dreier-Ampel hat keinen anderen Plan als ihre Vorgängerregierung: die Personaldecke im Öffentlichen Sektor ausdünnen und die Arbeit verdichten. »Für Tarifsteigerungen sind ca. 45 Millionen Euro eingeplant und für mögliche Auswirkungen durch absehbare Bundesgesetzesänderungen haben wir zusätzliche Belastungen von mehr als 10 Millionen Euro eingeplant.« Im Haushalt 2013 sind Tariferhöhungen von max. 1,5 Prozent eingeplant. "Damit kann man die Kollegen im öffentlichen Dienst nicht abspeisen. Wir wollen einen heftigen Schluck aus der Pulle", sagte DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn. Angesichts der robusten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre rechne die Gewerkschaft in diesem Jahr mit Tarifabschlüssen je nach Branche in Höhe von vier, fünf Prozent. Der Deutsche Gewerkschaftsbund erwartet ein hartes Ringen mit der Landesregierung in der Tarifauseinandersetzung des öffentlichen Dienstes.

Vor Weiterführung dieses Kurses warnt zwar auch der Landesrechnungshof:
„Die Verdichtung der Arbeit auf weniger Köpfe wird die Landesregierung nur mit hoch motiviertem  Personal schaffen. Bislang eingeleitete und angekündigte Maßnahmen lassen eher das Gegenteil befürchten: Nullrunden für Beamte und Stellenhebungen für wenige sind keine Erfolg versprechende Methode. Weitere finanzielle Einschnitte sind nicht vertretbar. Das Land wäre gut beraten, sein Personal angemessen zu bezahlen  und es im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht schlechter zu stellen.“ Da die Einsparungen an Personal notwendig seien, soll die damit verbundene Arbeitsverdichtung wenigstens mit guter Bezahlung abgegolten werden, lautet der etwas schlichte Vorschlag. Die bekannten Folgen sind nicht mit besserer Bezahlung auzuheben: Nach neuesten Studien sind 43 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland davon überzeugt, dass ihr Arbeitsstress in den vergangenen zwei Jahren zugenommen hat. 19 Prozent fühlen sich überfordert.

„Risiken in nie für möglich gehaltenem Ausmaß“

Der Haushalt der Nord-Ampel gewichtet zwar innerhalb des Haushaltes um und erhöht seine Ausgaben um 350 Millionen Euro. Dabei bleibt die Nord-Ampel mit einem strukturellen Defizit von 764 Millionen zwar unter der in der Schuldenbremse festgelegten Obergrenze von 783 Millionen Euro, und für die Finanzministerin ein Beleg dafür, dass es möglich ist, „innerhalb dieses finanziellen Rahmens eine andere Politik“ zu machen.

„Dafür schöpfen wir die Möglichkeiten aus, die uns die Schuldenbremse gibt. Wir geben der Politik ihren Gestaltungsanspruch zurück. Wir können mit Geld umgehen“, davon ist die grüne Finanzministerin Heinold überzeugt. Der Landesrechnungshof sieht dies offenbar anders. Mit diesem Haushalt an der Obergrenze des Erlaubten schlage die Landesregierung einen neuen Weg ein. Das Land sei nicht gewappnet gegen die Haushaltsrisiken der kommenden  Jahre. „Erst recht ist es nicht gut aufgestellt für die Risiken, denen es angesichts der allgemeinen Finanzlage und der besonderen Probleme im eigenen Land gegenübersteht:

  • Nicht auszudenken ist, was passiert, wenn die Rettung der HSH-Nordbank nicht gelingt. Damit könnte das Land seinen Schuldenstand, den es in über 40 Jahren aufgetürmt hat, nahezu verdoppeln.
  • Noch nicht absehbar ist die weitere Entwicklung der Staatsschuldenkrise im Euroraum.  Auswirkungen auf die Zinsentwicklung und auf den Landeshaushalt sind vorprogrammiert.
  • Die gegenwärtigen Regelungen der Schuldenbremse sind möglicherweise nicht ausreichend, um den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt) einhalten zu können. Die Bundesregierung hat mit den Ländern  Eckpunkte einer innerstaatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalpakts und des Stabilitäts- und Wachstumspakts vereinbart.“

Es ist schnell nachzuvollziehen: Da nach dem Diktat der Schuldenbremse das strukturelle Defizit bis 2020 auf Null heruntergefahren sein soll, muss ab 2012  jährlich die Obergrenze um 112 Millionen Euro gesenkt werden. Jede Verzögerung der Absenkung führt dazu, dass die Absenkungsquote in den darauffolgenden Jahren größer wird, damit Einsparungsmaßnahmen umso drastischer.


(Quelle: Landesrechnungshof 11.12.2012)

In der Tat mögen zwei Beispiele zeigen, dass der Landesrechnungshof hier nicht mit unrealistischen Horror-Szenarien agiert:

Erstens: Schon bei einer Erhöhung der Zinssätze um nur 1%-Punkt können auf das Land Zinsmehrausgaben von 270 Mio. € zukommen.

Zweitens: Die aktuellen Schwierigkeiten der Sparkassen, deren Anteile an der schwer angeschlagenen HSH Nordbank bis Ende 2011 mehr als 500 Millionen Euro an Wert verloren. Für das Jahr 2012 wird mit weiteren Wertberichtigungen von mindestens 70 Millionen Euro auf die HSH-Anteile gerechnet. Hinzu kommen Abschreibungen aus der Beteiligung an der Landesbank Berlin in Höhe von rund 50 Millionen Euro. Die Haupteigner der HSH Nordbank, die Bundesländer Schleswig Holstein und Hamburg, tragen über ihren Kapitalanteil von über 85% hinaus hohe Risiken durch die Garantien für Kredite und Bürgschaften für die Bank.

Im November 2012 hatte die HSH mitgeteilt, dass die Nordländer von 2019 an womöglich für Ausfälle bis zu 1,3 Milliarden Euro aufkommen müssen. Die politisch Verantwortlichen spielen sehr stark auf Zeit und den Zeitpunkt einer Trennung von dem Finanzinstitut hinausschieben – sei dies nun durch Verkauf, Fusion oder vermögensschonender Schließung, aber den Sparkassen hilft das nicht weiter.

Bei der Landesregierung ist nicht erkennbar, dass sie sich zu einer Herauslösung der 15 Prozent Anteile der Sparkassen an der siechenden HSH-Nordbank und ein Stützungsprogramm für die gefährdeten Sparkassen durchringen wird. Stattdessen wird im März der Kieler Landtag über 'eine Wiedererhöhung der Garantien von sieben auf zehn Milliarden Euro beraten, kündigte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) an.

Es bleibt der Landesregierung nur noch auf Zeit zu spielen und auf die Hoffnung zu setzen, dass sich alles irgendwie schon „zum Besseren“ finden werde. Das hat mit einer ernsthaften Strategie zur Bewältigung der schwerwiegenden Probleme aber nicht viel zu tun.

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