Der rechte Rand

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9. Februar 2014 Joachim Bischoff / Björn Radke

Schleswig-Holstein: Dank Schuldenbremse aus dem Gröbsten raus?

Mit einer frohen Botschaft trat die grüne Finanzministerin Monika Heinold für die »Küstenampel« aus SPD, Grünen und SSW Mitte Januar vor die Öffentlichkeit. Nach den vorläufigen Zahlen weist der öffentliche Haushalt des Landes 2013 einen Überschuss von rund 115 Mio. Euro aus. Strukturell, also ohne die Berücksichtigung der konjunkturellen Bedingungen, liegt der Abschluss liegt damit 570 Mio. Euro über der Planung für 2013. Das strukturelle Defizit sinkt von geplanten 769 Mio. Euro auf reale 432 Mio. Euro.

Nicht nur das: »Statt neue Schulden zu machen, zahlen wir alte Schulden zurück«, betonte die Ministerin und setzte dann noch eins drauf: »Zum ersten Mal seit über 50 Jahren sind wir mit dem Geld ausgekommen, das wir eingenommen haben.« Zum Stichtag 31.12.2013 betrug der Schuldenstand Schleswig-Holsteins rund 26,7 Mrd. Euro.

Grund für diese Entwicklung sind die niedrigen Zinsen für Kredite, Zuwächse bei Steuereinnahmen — 375 Mio. Euro mehr als erwartet — und das Festhalten der Landesregierung am Sparkurs. Sie hat den Konsolidierungskurs strikt eingehalten, Personal abgebaut und die Besoldungserhöhung später umgesetzt.

Einerseits nahm das Land rund 375 Mio. Euro mehr an Steuern ein. Parallel dazu lagen die Zinsausgaben um rund 110 Mio. Euro und die Personalausgaben um 75 Mio. Euro unterhalb der Planung. Dies lag u.a. an der verspäteten Übernahme des Tarifabschlusses für den Öffentlichen Dienst. Mehreinnahmen gab es insbesondere bei der Körperschaftssteuer, der Umsatzsteuer und der Lohnsteuer. In der Folge erhalten die Kommunen im Land über den Kommunalen Finanzausgleich im Jahr noch einmal über 35 Mio. Euro. Das ist mehr als in der letzten Steuerschätzung vom November 2013 prognostiziert. Im Vergleich zur Planung aber sind die Landesausgaben für Zuwendungen, Zuschüsse und Investitionen um 150 Mio. Euro angestiegen. Den Großteil davon machen 70 Mio. Euro für die Sondervermögen für Hochschulbau, Kindertagesstätten und Verkehrsinfrastruktur aus.

Die Landesregierung proklamierte in ihrem Finanzbericht vom August 2013 für die folgenden Jahre das Ziel: Zur »Schließung der strukturellen Lücke bis zum Jahr 2020 wird der Anstieg der Ausgaben deutlich unterhalb des Anstieges der Einnahmen verlaufen. Das jahresdurchschnittliche Wachstum der allgemeinen Deckungsmittel beträgt nach den Prognosen im Finanzplan im Zeitraum bis zum Jahr 2020 rund 3,26 Prozent.«

Nun liegen selbst die optimistischsten Konjunkturprognosen der Bundesregierung für das Jahr 2014 nur bei 1,7%. Die Fortschreibung einer entsprechenden Aufwärtsbewegung der Konjunktur für Schleswig-Holstein für die nächsten Jahre im Finanzbericht ist schon deshalb eine heroische Hypothese. Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Zuwachs des BIP in Schleswig Holstein in den Jahren seit 2006 mit 1,57% deutlich unter dem des Bundes mit 1,82% gelegen hat. Auch der Stabilitätsrat mahnt in seinem Bericht vom Dezember 2013 zur »Bewertung des aktualisierten Sanierungsprogramms« zur Vorsicht: »Insgesamt ist das Land Schleswig-Holstein bei der Umsetzung des Sanierungsprogramms weiter auf einem guten Weg. 2014 werden weitere Konsolidierungsmaßnahmen in beträchtlichem Umfang umgesetzt. Allerdings steigen die bereinigten Ausgaben stärker an als vor dem Hintergrund des günstigen Zinsumfeldes und der dargelegten Konsolidierungsmaßnahmen zu erwarten wäre. Der durchgängig hohe Sicherheitsabstand zur Obergrenze der Nettokreditaufnahme darf Schleswig-Holstein nicht zu einem Nachlassen in seinen Konsolidierungsanstrengungen verleiten.«

Das heißt konkret:

  • Bis zum Jahr 2020 ist der Abbau von insgesamt über 5.300 Stellen geplant. Dieser Stellenabbaupfad soll konsequent eingehalten werden.

  • Ab 2014 werden weitere Konsolidierungsmaßnahmen insbesondere auf der Einnahmeseite ergriffen, die 2014 Entlastungen von insgesamt 85 Mio. Euro erbringen sollen. Die Anhebung der Grunderwerbssteuer zum 1. Januar 2014 um weitere 1,5%-Punkte auf 6,5% soll zu Mehreinnahmen von 81 Mio. Euro jährlich führen.

Zwischenfazit: Allein durch eine mehrjährige wirtschaftliche Aufwärtsbewegung kommt Schleswig-Holstein nicht aus dem Schuldenjoch. Unbestritten: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich etwas verbessert Gleichwohl: Schleswig-Holstein liegt im ersten Halbjahr 2013 mit einer leichten Schrumpfung von -0,3% unter dem Bundesdurchschnitt. Für das gesamte Bundesgebiet wird für die nächsten Jahre mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 1,5% gerechnet. Bleibt Schleswig-Holstein im Ranking der Bundesländer unter dem Durchschnitt kann von der wirtschaftlichen Entwicklung kein wesentlicher Beitrag zur Lösung der Schulden- und Strukturprobleme erwartet werden. Schleswig-Holstein muss mit einer weiteren wirtschaftlichen Stagnation rechnen. Durch die Kürzungspolitik und die strukturellen Defizite bei der Infrastruktur dürfte sich bei wirtschaftlicher Stagnation die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die soziale Spaltung vertiefen.

Die Industrie- und Handelskammer SH hat in ihrer Konjunkturumfrage für das 3. Quartal 2013 durchweg positive Einschätzungen erhalten. Die Befragung der Unternehmen hat ergeben, dass 33% der Unternehmen ihre Geschäftslage als »gut« und fast 55% als »befriedigend« beurteilen; das war eine Verbesserung zum Vorquartal. Dazu hat insbesondere die Bauwirtschaft beigetragen. Die Zukunftserwartungen werden »vorsichtig optimistisch« beurteilt: Immerhin erwarten 85% der Unternehmen eine verbesserte oder zumindest gleichbleibende Situation. Eine ähnliche, durchaus noch optimistische Einschätzung vertreten die Unternehmensverbände Hamburg/Schleswig-Holstein (UV Nord) Der Anteil der Handwerksbetriebe, die ihre Geschäftslage als »gut« oder »befriedigend« einschätzen, lag im Bericht zum dritten Quartal 2013 bei 91%. Jeder vierte Betrieb berichtet von einem Plus bei den Beschäftigten. Und die Erwartungen für das nächste Quartal sind unverändert. Diese Einschätzung sollen nicht unter den Tisch fallen, aber eine tragfähige Grundlage für die weitere Entwicklung des Bundeslandes ist dies sicher nicht.

 

Alles in Butter?

Die wirtschaftliche Stagnation des Bundeslandes hat logischerweise Schattenseiten: Es gibt einen gewaltigen Investitionsstau. Aufgrund der angespannten Finanzlage werden notwendige Infrastrukturmaßnahmen nicht durchgeführt. So hat die wichtigste künstliche Wasserstraße, der Nord-Ostsee-Kanal (NOK), im vergangenen Jahr massiv an Schiffspassagen und an transportierter Ladung eingebüßt. Rund 31.100 Schiffe passierten den Kanal 2013, das waren 10,8% weniger als im Jahr zuvor. Die zwischen Brunsbüttel und Kiel-Holtenau transportierte Ladungsmenge ging um 9% auf 94,8 Mio. Tonnen zurück, teilte die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mit. Bei den Teilstreckenverkehren verzeichnet die Kanalverwaltung des NOK einen Rückgang von 9,7%. Vor allem die großen Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel müssen grundsaniert werden. Eine dritte große Schleuse soll dort neu gebaut werden, damit Schiffe von mehr als 125 Meter Länge den Kanal auch während der Sanierung befahren können. Der Bund veranschlagt dafür 375 Mio. Euro Kosten. Die gesamte Sanierung des NOK würde aus heutiger Sicht rund eine Milliarde Euro kosten. Neben der Aufarbeitung der Schleusen gilt vor allem die Erweiterung der östlichen Kanalstrecke für größere Schiffe als unverzichtbar.

Auch bei der Erzeugung von Windenergie muss die Landesregierung nach der EEG-Reform Sigmar Gabriels Abstriche machen. Windparkbetreiber installierten im vergangenen Jahr neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 400 Megawatt. Gleichzeitig rissen sie 107 Rotoren mit insgesamt 78 Megawatt Leistung ab. Im Gegenzug errichteten sie an denselben Standorten 68 neue mit einer Kapazität von 185 Megawatt – das ist fast die Hälfte des Zubaus im Land. Der zuständige Minister Harbeck (Grüne) wendet sich gegen die von Gabriel beabsichtigte Deckelung der jährlichen Ausbau-Obergrenze von 2.500 Megawatt, da sonst wegen des wachsenden Ersatzbedarfs bald kaum noch zusätzlicher Ausbau möglich wäre. »Bezieht man dieses Repowering ein, gibt es ab 2017 kaum Platz für neue Windmühlen und ab 2020 gar keinen mehr«, sagte Habeck. Oder anders ausgedrückt: Der Ausbau-Boom ist irgendwann vorbei und der reine Austausch von alten Anlagen wird nicht die Margen bringen, die das Land braucht. Die wirtschaftlich bescheidenen Aussichten und der Investitionsrückstau bei der öffentlichen Infrastruktur erklären das Beharren der Landesregierung auf Korrekturen am Bundesprogramm der Energiewende. Das Land will von der Umstellung überdurchschnittlich partizipieren.

 

Arbeitsmarkt

Neben diesen beiden Großbaustellen liefert auch der Arbeitsmarkt keine Hoffnung: Die Zahl der Arbeitslosen ist im Januar – im Vergleich zum Vormonat Dezember – um 8.800 oder 8,6% auf 111.700 gestiegen. Die Arbeitslosenquote liegt nun bei 7,5%. Im Vergleich zum Januar des Vorjahres stieg die Arbeitslosigkeit um 2.700 oder um 2,4%.

Die Chefin der Regionaldirektion-Nord beschwichtigt: »Der Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vormonat Dezember ist jahreszeitlich typisch. Sie weist aber auch darauf hin, dass der milde Winter den Anstieg der Arbeitslosigkeit bisher gebremst habe. Während wir im Januar 2013 noch ein Plus von 10.600 melden mussten, ist es aktuell eine Zunahme um 8.800 – der geringste Anstieg in einem Januar gegenüber dem Vormonat Dezember seit 2008.«

Ein positives Signal sieht Haupt-Koopmann in den Stellenzugängen. Im Januar wurden den gemeinsamen Arbeitgeberserviceteams der Arbeitsagenturen und Jobcenter insgesamt 4.400 sozialversicherungspflichtige Stellen gemeldet. »Das sind nicht nur 479 oder 12,2 Prozent mehr als im Vormonat Dezember, es sind sogar 681 oder 18,3 Prozent mehr als im Januar des letzten Jahres. Speziell der Handel, das Gastgewerbe und die Gesundheitswirtschaft suchen verstärkt nach Personal.«

Positiv verlaufe auch weiterhin die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Sie ist – es handelt sich hierbei um November-Daten – um 8.900 oder 1,0 Prozent auf 878.500 im Vorjahresvergleich gestiegen. Besonders im Handel (+1.900), im Gesundheits- und Sozialwesen (+1.900) sowie bei den wirtschaftlichen Dienstleistungen (+1.800) sind zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. In der Energiewirtschaft (-1.300) und im Bereich Information und Kommunikation (-800) gingen hingegen Arbeitsplätze verloren.

Es lohnt allerdings schon ein Blick auf die Fakten, die die Arbeitsagentur nicht benennt:

  • Immer noch sind 265.763 Schleswig-HolsteinerInnen oder 9,5% der Bevölkerung gegenwärtig auf Sozialleistungen angewiesen.

  • Armut trotz Arbeit finden wir bei immer mehr BürgerInnen unseres Landes. So hat sich die Zahl der »Aufstocker«, d.h. der Beschäftigten, die von ihrer Arbeit nicht leben können und deshalb zusätzlich Hartz IV beziehen müssen, deutlich erhöht (aktuell: 44.200 Beschäftigte). Auch die Zahl der hilfsbedürftigen Menschen trotz sozialversicherungspflichtiger Vollbeschäftigung ist geringfügig auf 21.394 angestiegen.

  • Die Zahl der Kurzarbeiter (2.189)und der Leiharbeitsplätze (15.563) hat sich dagegen nur unwesentlich verändert, eben verfestigt.

  • Zugenommen hat die Zahl der RentnerInnen (von 31.425 auf 34.982), die Grundsicherungsleistungen beziehen, weil sie von ihrer Rente allein nicht leben können.

  • Wenn auch um über 1.000 gesunken, bleibt die Anzahl der Kinder in Armut (62.017) völlig inakzeptabel.

Festzuhalten bleibt bei wirtschaftlicher Stagnation mit mäßigem Beschäftigungsaufbau eine Verfestigung prekarisierter Lohnarbeit und einer sozialen Schicht von dauerhaft Ausgegrenzten.


Dazu gehört, dass die Bruttostundenlöhne In Schleswig-Holstein mit 17,99 Euro so niedrig sind wie in keinem anderen westdeutschen Land und unter dem Bundesschnitt von 19,33 Euro liegen. Zudem standen hierzulande rund 860.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigten laut Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit zuletzt etwa 260.000 geringfügig Beschäftigte gegenüber – Tendenz steigend. »Genau dieses Zusammenspiel von Niedriglöhnen und atypischer Beschäftigung ist laut Datenreport jedoch dafür verantwortlich, dass der Job-Boom nicht zu mehr Wohlstand geführt hat. Arbeit sei nur auf mehr Schultern verteilt worden, das Arbeitsvolumen heute niedriger als vor 20 Jahren«, so der DGB-Nord.

 

Armut im Alter

»Die Spaltung in Arm und Reich ist Jahr für Jahr tiefer geworden«, so Uwe Polkaehn, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nord. »Wird nichts dagegen getan, fliegt die Gesellschaft auseinander.« Der Vorsitzende des Sozialverbands Schleswig-Holstein, Sven Picker, sagte: »Der oft zitierte Satz: ›Sozial ist, was Arbeit schafft‹ stimmte so noch nie und heutzutage erst recht nicht.« Sozial sei, was Arbeit schaffe, von der die Menschen vernünftig leben können. Laut Verband zeigen sich die Folgen niedriger Löhne spätestens im Rentenalter. So sei die Zahl der Anträge auf Grundsicherung zwischen 2007 und 2012 in Schleswig-Holstein um 26% gestiegen. Ganz unmittelbar wirkt sich die Armut auch auf die Lebenserwartung aus.1 Im Schnitt sterben arme Männer elf Jahre früher.


Die Zahl der von Armut betroffenen BürgerInnen hat sich im Verlauf der letzten Jahre deutlich erhöht. 2012 waren davon 14,0% der Bevölkerung betroffen. Das Land nähert sich damit im stärker dem Bundesdurchschnitt (2012: 15,2%) an. Nimmt man als Bezugspunkt nicht den Bundesmedian, sondern den Landesmedian, der die Lebenshaltungskosten besser berücksichtigt, waren sogar 15,6% (Bundesdurchschnitt: 15,2%) der Menschen in Schleswig Holstein von Armut betroffen.

Die Armut wächst, obwohl die Zahl der SGB-II-EmpfängerInnen wegen der relativ guten Konjunktur der letzten Jahren deutlich gesunken ist. Gab es 2006 noch 295.000 EmpfängerInnen von Mindestsicherungsleistungen in Schleswig Holstein, waren es 2012 »nur« mehr 265.000. Dass die Armutsquote gleichwohl gestiegen ist, hat vor allem mit der enormen Zunahme prekärer Jobs zu tun.

Die Armutsrisikoschwelle – d.h. der monatlich verfügbare Geld-Betrag, der mindestens gegeben sein muss, um nicht mehr von einem Armutsrisiko zu sprechen – betrug 2012 in Schleswig-Holstein 904 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt und 1.898 Euro für einen Haushalt mit zwei erwachsenen Personen und zwei Kindern unter 14 Jahren.

 

Am stärksten betroffen von Armut sind vor allem Alleinerziehendenhaushalt (37,9%), Arbeitslose (54,3%) und Menschen mit Migrationshintergrund (29,0%).

Im Jahr 2012 hatten von den insgesamt 2,84 Mio. Menschen in Schleswig-Holstein nach den Ergebnissen des Mikrozensus 363.000 einen Migrationshintergrund im engeren Sinne gehabt, das entspricht einem Anteil von rund 13%. Sie waren im Durchschnitt erheblich jünger als die Menschen ohne Migrationshintergrund. Mit 83.000 waren 23% von ihnen unter 15 Jahre alt, 32.000 waren 65 Jahre oder älter (9%). Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund waren 24% 65 Jahre und älter und 12% unter 15 Jahre. Ca. die Hälfte der Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 65 + im Lande hat keine deutsche Staatsbürgerschaft. Von diesen 17.000 nicht-deutschen Bewohner/innen Schleswig-Holsteins erhielten 2011 insgesamt 2.197 Personen (bzw. 12,9 %) Leistungen der Grundsicherung im Alter.2

Die Armut hat insbesondere auch bei den älteren BürgerInnen kontinuierlich zugenommen. Waren 2005 »erst« 9,6% der Menschen über 64 Jahre von Altersarmut betroffen, erreichte die Quote 2012 bereits 13,1%. Das liegt zwar immer noch leicht unter dem Landesdurchschnitt, aber wegen prekärer Löhne und der politische gewollten Senkung des Rentenniveaus, wird sich das in den nächsten Jahren ändern.

In absoluten Zahlen: in Schleswig-Holstein sind 2011 ca. 86.700 ältere Menschen armutsgefährdet. Folgt man den etwas korrigierten Zahlen des Zensus 2011, ist von ca. 85.000 armutsgefährdeten Personen auszugehen.

Die Situation der Kommunen

Die Bestandsaufnahme der Finanzsituation der schleswig-holsteinischen Kommunen hat ergeben, dass die Situation der kreisfreien Städte besonders problematisch ist und es daher gerechtfertigt erscheint, den Ursachen auch und vor allem im Rahmen der Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Sie erzielen nur wenig mehr Steuereinnahmen als der kreisangehörige Raum, obwohl sie einen umfassenderen Bestand an Aufgaben finanzieren müssen. Die relative Finanzschwäche wird nur teilweise durch den bestehenden Verteilungsmodus für Schlüsselzuweisungen ausgeglichen, so dass sich in den kreisfreien Städten eine große Lücke zwischen allgemeinen Deckungsmitteln und Zuschussbedarfen ergibt. Im kreisangehörigen Raum stellt sich die Finanzsituation der kreisangehörigen Gemeinden besser dar als die der Kreise.

Wegen regionaler Vor- oder Nachteile übt das Land eine gewisse Ausgleichsfunktion aus. Die Höhe der ausgleichenden (Schlüssel-) Zuweisungen richten sich nach regionalen Gegebenheiten und errechnen sich jedes Jahr neu. Das Gerüst dieser Mathematik ist im Schleswig-Holsteinischen Finanz-Ausgleichs-Gesetz (FAG) geregelt. Nachdem das Land das Umverteilungsvolumen vor einigen Jahren wegen der »Schuldenbremse« um 120 Mio. Euro gekürzt hatte, werden aktuell 960 Mio. Euro über Schlüsselzuweisungen umverteilt. Innenminister Andreas Breitner (SPD) hatte zur Vorbereitung einer Reform des FAG ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zielvorgabe für das Gutachten war das Inkrafttreten eines neuen FAG zum 01.01.2015, das effizient, gerecht, nachvollziehbar, einfach und »atmend« gestaltet sein soll. Demnach seien zunächst die kreisfreien Städte wegen zentraler Sonderaufgaben besser zu stellen. Es verändert sich die Quote für gemeindliche Aufgaben von 40 auf 42%, für übergemeindliche Aufgaben von 11 auf 13% und für die Kreisaufgaben sinkt sie von 48 auf 43%.

Die geplante Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein erhitzt die Gemüter. Die kreisfreien Städte und Kreise fühlen sich ungerecht behandelt. Der Grund der Aufregung: Es geht um die Verteilung von viel Geld – rund 1,2 Mrd. Euro. Daran etwas zu ändern bedeutet immer, dass die einen mehr Geld bekommen und andere dafür weniger.

Nach der Kritik des SHGT (Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag), hat auch der SH-Landkreistag starke Kritik geäußert: Das Land Schleswig Holstein habe durch die Bundesübernahme der Grundsicherung einen jährlichen Vorteil von 55 Mio. Euro. Es wäre das Mindeste, wenn das Land dieses Geld herausgäbe und umleite in die Erhöhung der Finanzausgleichsmasse. Aufgrund der massiven Kritik will das Innenministerium noch im Februar einen neuen Vorschlag vorlegen.

Perspektiven

Die optimistischen Verlautbarungen der Landesregierung, dass sich durch eine »kluge Politik« nun alles zum Guten wende, betrachten wir mit Zurückhaltung. Derzeit sind es nur die besonderen Bedingungen der niedrigen Zinsen für Kredite, und das Festhalten der Landesregierung am Sparkurs. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten deuten nicht auf eine Stärkung des Brutto-Inland-Produktes hin.

Wenn die Landesregierung an diesem Kurs festhält, sind wirkliche strukturelle Veränderungen im Land, die es aus seiner ökonomischen Schieflage hinausführt, nicht erkennbar. Es bleibt wohl bei weiteren Sparhaushalten, in denen kaum Geld für aufwendigere Investitionen vorhanden ist. Das Land wird schlaglochübersäte Straßen nicht sanieren können. Die Kreise und Kommunen müssen Schülertransporte einschränken. Und die Städte werden weitere Theater und Museen, Büchereien und Schwimmhallen schließen und die soziale Spaltung wird sich verschärfen.

Engagierte Politiker_Innen in Kommunen und Gemeinden können an den Rahmenbedingungen des Landes nichts ändern. Sie werden sich darauf konzentrieren müssen, dass nicht noch mehr Personal eingespart und die Sozialetats weiter eingeschränkt werden.

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1Datenreport 2013:Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland

2 Quelle: Statistisches Amt des Bundes und der Länder, www.amtliche-sozialberichterstattung.de



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