Der rechte Rand

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Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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28. Februar 2012 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Schlanker Staat in Hamburg?

Der erste Bürgermeister der Stadt Hamburg, Olaf Scholz, hat gegenüber der Presse unterstrichen, dass die vom SPD-Senat verfolgte Politik »von ganz alleine« zu einem »schlanken Staat« führen werde. Scholz greift damit eine zentrale Zielsetzung der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte auf. In der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik haben seit Ende der 1970er Jahre neoliberale Konzepte zur Wiederbelebung der Kapitalakkumulation und des Wirtschaftswachstums sowie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dominiert.

In deutlicher Absetzung von einer nachfrageorientierten Wirtschaftssteuerung setzen die Vertreter der »Angebotspolitik« vor allem auf das Leitbild eines »schlanken Staates«. Alle Staatsausgaben – vor allem die Sozialleistungen und die Personalausstattung sollen überprüft und gekürzt werden. Wirtschaftspolitisch könne – so die These – mit dieser Ausrichtung erreicht werden, dass der Staat mit den Finanzressourcen nicht länger die (gesamtwirtschaftliche) Nachfrage stimuliert und sozial Schwache und Arbeitslose stützt, sondern die Steuermittel zur Förderung der Unternehmen und der Wirtschaftskraft einsetzt.

Das neoliberale Versprechen lautet also: Durch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen, den Abbau sozialer Sicherheit und des Staatspersonals, also den »schlanken Staat«, sowie gleichzeitige massive Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögensbesitzer kann eine neue wirtschaftliche Dynamik entfesselt werden. Der Neoliberalismus hat dieses Versprechen nicht einlösen können, und ist mit dem Ausbruch der Großen Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre gescheitert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass neoliberale Ideologie nicht nach wie vor gesellschaftlich wirksam ist.

Scholz begründet seinen Rückgriff auf das Bild des »schlanken Staates« mit der auch von der Sozialdemokratie ins Grundgesetz geschriebenen »Schuldenbremse«. »Es hat noch niemand so richtig begriffen, welchen dramatischen Paradigmenwechsel wir durch die Schuldenbremse eingeleitet haben.« Das mit der Schuldenbremse vorgegebene Ziel, bis 2020 zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, sei nur zu erreichen, wenn »wir die jährlichen Ausgabensteigerungen auf maximal ein Prozent begrenzen. Da bleibt nur ein ungeheuer kleiner Spielraum! Das heißt: Wir werden am Ende strukturell zehn Prozent des Haushalts einsparen.«
Prinzipiell ist das Ziel der Sanierung der öffentlichen Finanzen, und das heißt zunächst einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung zu realisieren, natürlich auch durch eine deutliche Erhöhung der Einnahmen, vor allem Steuererhöhungen, erreichbar. Doch die staatlichen Einnahmen will der Sozialdemokrat Scholz nur »moderat verbessern«, weil Unternehmen und Vermögensbesitzer weiter geschont werden sollen. In dieser Asymmetrie steckt das Kernproblem: In den letzten Jahrzehnten sind massive Steuersenkungen durchgesetzt worden. Außerdem ist der faktische Steuervollzug deutlich verschlechtert worden. Die massive Entlastung der höheren Einkommen ist so durch die ungleiche Behandlung des Steuervollzugs ergänzt worden. Gleichwohl registrieren wir eine deutliche Zunahme der Steuerflucht und der Steuerhinterziehung. Jetzt soll – dank der neuen Schuldenregel in der Verfassung – eine Konsolidierung bei den öffentlichen Finanzen vor allem durch Kürzungen erzwungen werden.

Scholz ist wie die Mehrheit der Sozialdemokratie von der Richtigkeit dieses Weges überzeugt und macht sich um Fürsprecher der »permanenten Knausrigkeit« der öffentlichen Verwaltung. »Knausrigkeit« bedeutet im Hamburger Landeshaushalt praktisch erstens, dass jedes Jahr mindestens 250 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden sollen.

»Knausrigkeit« bedeutet zweitens, dass die öffentlichen Dienstleistungen drastisch beschnitten werden. So ist im Vorfeld der Vorlage des Doppelhaushalts 2013/2014 schon jetzt bekannt geworden, dass in der offenen Kinder- und Jugendhilfe 3,5 Mio. eingespart werden sollen.

»Knausrigkeit« bedeutet drittens, dass nur geringe Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den vom Rechnungshof schon heute auf 3,7 Mrd. Euro geschätzten Sanierungsstau in der städtischen Infrastruktur zu beseitigen.

Wenig »knausrig« zeigt sich der SPD-Senat dagegen, wenn es um aus seiner Sicht wichtige Standortentscheidungen geht. So kostet der Ausbau des Engagements bei Hapag Lloyd um 420 Mio. Euro (Gesamtinvestition: über eine Mrd. Euro) die Stadt jährlich mindestens 15 Mio. Euro an Zinsen – der vierfache Betrag dessen, was an der Jugendhilfe eingespart werden soll. Seit Dezember 2008 ist die Stadt Hamburg zur Sicherung der Arbeitsplätze auch durch Aktienbesitz an der Reederei Hapag-Lloyd beteiligt und hat – bei geringen Gebühreneinnahmen für Bürgerschaften – für dieses Engagement bis Ende 2011 eine Zinslast von über 60 Mio. Euro (summiert) aufgebracht. Jetzt soll das Investment, das mit der strategischen Bedeutung der Reederei für die maritime Wirtschaft begründet wird, ausgeweitet werden.

Eine zukunftssichere Anlage ist dieses Engagement nicht, weil hohe Risiken existieren: Die Zukunftsperspektiven des Seehandels mit seinen großen Überkapazitäten und damit auch der Wert des Unternehmens können mit einem erheblichen Wertverlust des Aktienpakets verbunden sein.

Wenig »knausrig« zeigt sich der SPD-Senat auch bei der HSH-Nordbank, wo erneute Abschreibungen von 600 Mio. Euro auf das städtischen Vermögen im Haushalt zu verarbeiten sind. Die HSH Nordbank hat jetzt zudem erstmals auf einen Teil Bürgschaften in Höhe von drei Mrd. Euro, die Hamburg und Schleswig Holstein geben mussten, zurückgegriffen. Die Behauptung, dass das nie haushaltswirksam wird, ist im Zusammenhang mit der Skandalbank schon oft aufgestellt worden.

Wenig »knausrig« war der SPD-Senat auch, als er dem Sondervermögen Hafen und Stadt (Hafencity) mit 420 Mio. Euro in 2012 und 2013 aus der Patsche geholfen hat.
Es gibt also durchaus (fragwürdige) »Schonbereiche«, in denen die »Schuldenbremse« keine Anwendung findet. Dafür muss dann in anderen Bereichen um so mehr gespart werden. Eine tragfähige Konzeption für die Zukunft der Stadt ist in all dem nicht erkennbar.

Die Frage, die jede verantwortungsvolle (vor allem auch sozialdemokratische) Regierungs- wie auch Oppositionspartei sich stellen müsste, nämlich welche Ausstattung ein Gemeinwesen für eine lebenswerte Zukunft aller seiner BürgerInnen haben muss, welche Ressourcen dafür gebraucht werden, und wie sie aufgebracht werden können, wird erst gar nicht mehr gestellt. Weil dafür angeblich kein Geld da ist, fabuliert der erste Bürgermeister stattdessen über den neoliberale »schlanken Staat« und setzt ihn praktisch um. Für Gesichtspunkte der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Zusammenhalt etwa ist da kein Platz mehr. Den bitteren Preis dafür müssen die BürgerInnen der Stadt zahlen.

Selbstverständlich gibt es zu diesem auch volkswirtschaftlich höchst riskanten Weg (Spirale nach unten) eine Alternative. Durch eine andere Steuer- und Einnahmepolitik (allein die Widereinführung der Vermögenssteuer brächte mindestens eine Mrd. Steuermehreinnahmen jährlich) ließen sich Ressourcen erschließen, um den Sanierungsstau in der öffentlichen Infrastruktur (und damit den Verfall des städtischen Vermögens) zu beheben und Investitionen in einen Umbau der Hamburger Wirtschaft auf den Weg zu bringen. Die Weigerung des Senats, den Steuervollzug zu effektivieren, spricht hier allerdings eine deutliche Sprache. Der SPD-Senat will diesen Weg nicht gehen.

Auf längere Sicht kann dieser Weg zu einem schlanken Staat nicht überzeugen. Die BürgerInnen werden sich gegen diese Prioritätensetzung auflehnen. Die Verschlechterung der öffentlichen Leistungen kann mit dem Versprechen der Sicherung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft nicht erträglich gemacht werden.

Noch profitieren Senat und erster Bürgermeister in der Stimmung der Bevölkerung von der guten Konjunktur und den sprudelnden Steuereinnahmen. Da sich die Konjunktur dreht, wird das nicht so bleiben. Die absehbar ökonomisch schwieriger werdenden Zeiten werden zusammen mit dem strikten Sparkurs des Senats bei öffentlichem Personal und Dienstleistungen zu einer deutlichen Ernüchterung führen.

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