18. März 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller
Rot-Grün in Hamburg: »Wir sind keine Spaßverderber«
Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen in Hamburg schreiten zügig voran, weil vor allem die Grünen sehr »flexibel« agieren und selbst bei grünen Kernprojekten große Abstriche machen. Auch bei Olympia wollen sie nicht als »Spaßverderber« dastehen. Die Ergebnisse der Bürgerschaftswahl brachten für die Regierungsbildung keinerlei Überraschung.
Seit längerem hatte sich abgezeichnet, dass die Sozialdemokratie ihre absolute Stimmenmehrheit in der Bürgerschaft verlieren und damit die Grünen als Regierungspartner aufrücken würden. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte im Wahlkampf klar angekündigt, dass die SPD versuchen werde mit den GRÜNEN auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Nach vier Jahren Alleinregierung brauchen die SozialdemokratInnen einen Regierungspartner, da die SPD mit knapp 46 % die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Scholz legte schon vor den Verhandlungen fest, dass der Spielraum gering sei. Denn mit dem Stimmergebnis von 46% zu 12% sei auch eine inhaltliche Botschaft verbunden, wie die Stadt sich weiter entwickeln soll. Mit Blick auf mögliche politische Forderungen der GRÜNEN prognostizierte Scholz: »Da wird niemand seine Chancen verspielen.« Er sei auch ganz optimistisch, dass die Gespräche zu einem Verhandlungsergebnis führen werden.
Seit drei Wochen laufen die Koalitionsverhandlungen nun und immer deutlicher wird: König Olaf gibt in bekannter Manier Inhalte, Stil und Ton vor. Die GRÜNEN haben wenig zu melden. Die »taz« behauptet mal wieder das Gras wachsen zu hören: »An der grünen Basis ist mancher mittlerweile genervt. ›Die lassen sich totquatschen‹«, sagte ein Mitglied. Schon bei der Stadtbahn gab die grüne Delegation nach. Nun soll der Klimaschutz zwar ein ›Schwerpunkt‹ werden und ein bisschen Geld wird es auch geben, wie Blankau andeutete – die Rede ist von begrünten Dächern, mehr Naturschutzgebieten und mehr Häusersanierung –, das meiste davon hatte die SPD aber eh schon geplant. Auch bei den Themen Schule und Hochschule wird die grüne Basis wieder enttäuscht. Die Ankündigung von mehr Produktionsküchen und ohnehin geplanten temporären Studienplätzen aus Bundesmitteln macht noch keine grüne Handschrift aus.«(taz vom 14.3.2015).
Die GRÜNEN hatten für eine Koalition mit der SPD in Hamburg »harte Verhandlungen« angekündigt. Doch die Logik der Anpassung, die bereits im Wahlkampf sichtbar war, wird fortgeführt. Die Politik des Landesverbandes der GRÜNEN war zu moderat und zu wenig zugespitzt auf ein klar erkennbar grünes Profil. Im Vergleich zu der vorangegangenen Bürgerschaftswahl sprechen die Aussagen der BürgerInnen über die Kompetenzfelder eine klare Sprache: deutliche Verlust in allen wichtigen Bereichen.
Die GRÜNEN fordern, dass Hamburg die Energiewende aktiv voranbringen soll. Vor allem aber geht ihnen der bisherige Klimaschutz nicht weit genug, sie wollen verbindlichere Klimaziele umsetzen. Hamburg solle sich ein Beispiel an anderen Städten nehmen und eine Umweltzone einführen, hieß es noch im Wahlprogramm der GRÜNEN. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts, wonach Hamburg mehr zur Luftreinhaltung tun muss, hatten die Grünen als »schallende Ohrfeige« für den Senat bezeichnet. Bislang hält der SPD-Senat seinen Luftreinhalteplan für ausreichend.
Von einem »grünen Anbau« hatte Bürgermeister Scholz vor den Koalitionsverhandlungen gesprochen. Und wie es aussieht, wird der nicht besonders umfangreich. Die GRÜNEN sind bei ihrer eigentlichen Kernkompetenz eingeknickt. Eine Stadtbahn oder eine Citymaut wird es in Hamburg nicht geben, dafür aber mehr Naturschutzgebiete. Wichtiger noch: Die Trendwende bei der Luftreinhaltung wird vertagt. Vertreter von BUND, Hamburger Energietisch und Bürgerinitiativen hatten gefordert, dass sich die künftigen Regierungsparteien um eine konsequente Luftreinhaltungspolitik kümmern sollten.
Nach BUND-Schätzungen leben etwa 200.000 HamburgerInnen in Gebieten, in denen die Luft so verschmutzt ist, dass sie krank machen kann. Die Stadt sei deshalb bereits vom Verwaltungsgericht verurteilt worden, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Statt die Entscheidung aber zu respektieren, will der Senat in Berufung zu gehen. Die GRÜNEN schließen sich der Berufung gegen das Urteil zu mehr Luftreinheit an. Der Senatsplan, juristisch gegen das Verwaltungsgerichtsurteil vorzugehen, werde beibehalten, sagte GRÜNEN-Chefin Fegebank. Doch durch ein Berufungsverfahren gewinnt der Senat Jahre Zeit, wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität aufzuschieben. Der BUND forderte, Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen einzuführen. Auch eine City-Maut oder eine Umweltzone wären effektiv. Doch die gibt es mit Rot-Grün nicht. Gleichermaßen flau fällt die ökologische Anbau-Politik in den Bereichen Verkehr und Bildung aus. Auch bei den Themen Schule und Hochschule ist keine grüne Handschrift erkennbar.
Der zentrale Grund für dieses Entgegenkommen: Die GRÜNEN haben sich der sozialdemokratischen Logik unterworfen, wie in Hamburg geordnete öffentliche Finanzen bis 2020 hergestellt werden sollen. Dabei hätte der Haushaltsüberschuss von 400 Mio. Euro in 2014 durchaus Spielraum geboten, um einige grüne Anliegen, und dazu gehörte im Wahlkampf auch das Thema soziale Spaltung, nach vorne zu bringen. Dass die GRÜNEN diese Spielräume in den Koalitionsverhandlungen nicht einmal zum Thema gemacht haben, wundert allerdings insofern nicht, weil sie in den Haushaltsdebatten der letzten Jahre den SPD-Senat immer mit dem Argument attackiert haben, er spare etwa beim Personalabbau nicht genug. Politisch ist der Kurs der Grünen wenig überzeugend: Auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft nehmen sie weitere Abstriche in ihrem Kernkompetenzfeld Umwelt/Nachhaltigkeit und Verkehr in Kauf.
Wenn wegen der Haushaltskonsolidierung etwa bei Personal und öffentlichen Dienstleistungen der Spaß aufhört, soll dies allerdings nicht gelten für die Hamburger Olympia-Bewerbung. Im Wahlkampf hatten die Grünen noch stets betont, eine Bewerbung nur unter ganz bestimmten Bedingungen mittragen zu wollen: Möglichst große Kostentransparenz vor der endgültigen Entscheidung durch das Volk, keine neuen Schulden, kein unnötiger Flächenverbrauch, eine sinnvolle Nachnutzung aller Olympia-Bauten und eine breite Bürgerbeteiligung gehörten dazu. Und selbst diese »Ja, aber«-Haltung, für die Parteichefin Katharina Fegebank steht, musste innerhalb der Grünen hart gegen die »Nein, aber«-Fraktion erkämpft werden, der ebenso einflussreiche Mitglieder wie der frühere Justizsenator Till Steffen angehören.
Vor dem Hintergrund der schon jetzt absehbaren Kostenlawine hätten die Grünen eigentlich allen Grund an ihrer Position festzuhalten. So dürfte allein die Bewerbung Hamburgs ungefähr 50 Mio. Euro kosten. Für den Sportstättenneubau wird mit etwa zwei Mrd. Euro gerechnet, insgesamt sollen sich die Kosten der Spiele auf etwa sechs Mrd. Euro. Nach den Erfahrungen mit den Kalkulationen für Großereignisse und Großprojekten (z.B. Elbphilharmonie) dürften selbst diese Kostenansätze noch deutlich zu niedrig angesetzt sein. Und selbst wenn die Stadt wie beim Olympia-Projekt in London ohne Erhöhung der Schulden aus der Unternehmung herauskommt, werden für die Stadtentwicklung Verhältnisse zementiert, die den öffentlichen Gestaltungsspielraum einengen. Die Stadt hat massive Defizite bei Anzahl und Qualität der Sportanlagen; dieser Zustand wird durch Olympia nicht verbessert. Es ist zu hoffen, dass bis zur Volksabstimmung im Herbst die Schattenseiten des Spektakels verdeutlicht werden.
Und auch in Sachen »Nachhaltigkeit«, für die GRÜNEN eigentlich unverzichtbar, gibt es große Zweifel am Sinn des olympischen Großprojekts. So verwies der Naturschutzbund Nabu, immerhin angeführt vom früheren grünen Umweltsenator Alexander Porschke, auf die Risiken einer Bewerbung. »Die Freude an dem sportlichen Großereignis« inklusive positiver Begleiterscheinungen für Arbeitsplätze, Infrastruktur und Stadtentwicklung sei »nicht ohne ökologische, ökonomische und soziale Kosten zu bekommen«, teilte Porschke mit und verwies auf London 2012, wo viele Versprechen zur ökologisch nachhaltigen Ausrichtung der Spiele nicht eingehalten worden seien. »Besonders wichtig ist uns, ob Hamburgs Bewerbung zukunftsweisend tatsächlich auch Grenzen des Wachstums insbesondere bei der städtischen Flächen-Inanspruchnahme in den Blick nimmt.«
Gleichwohl hat sich die sportbegeisterte Grünen-Landeschefin entgegen der Beschlusslage ihrer Partei bei der Präsentation der Olympia-Bewerbung in Frankfurt mächtig ins Zeug gelegt und für Hamburg geworben. Das Argument: Die Grünen wollten auf keinen Fall als die »Dagegen-Partei« dastehen, an der eine Hamburger Bewerbung gescheitert ist. »Wir wollten nicht die Spaßbremse spielen«, formuliert es ein führendes Mitglied. Also dann sehen wir spaßigen Zeiten einer rot-grünen Koalition entgegen.