15. Juni 2015 Peter Stahn: Wir brauchen eine soziale Arbeitsmarktpolitik
Die hessische Arbeitsagentur meldet geschönte Zahlen ohne Kontext.
Mit der neuesten Erfolgsmeldung »niedrigste Arbeitslosenzahl seit 24 Jahren« leitet uns die Arbeitsagentur in die Irre.
Im Mai ist die Arbeitslosenquote in Frankfurt mit 6,7 Prozent so niedrig gewesen wie seit Jahren nicht mehr. Im Vorjahresvergleich ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Frauen und Männer um 6,4 Prozent auf 25.460 nach Mitteilung der Arbeitsagentur Frankfurt zurückgegangen. 28,5 Prozent der registrierten Arbeitslosen sind 50 Jahre und älter. Der Anteil der Ausländer liegt den Angaben zufolge bei knapp 45 Prozent.
»Der Arbeitsmarkt in Frankfurt ist für gut qualifizierte Kräfte sehr aufnahmefähig. Die positive Stimmung in den meisten Wirtschaftsbereichen und gut gefüllte Auftragsbücher scheinen dem regionalen Arbeitsmarkt zusätzlich Beschäftigungsimpulse zu verleihen«, so Karl-Heinz Huth, Leiter der Frankfurter Arbeitsagentur.
Mit dieser neuesten Erfolgsmeldung vom hessischen Arbeitsmarkt brüstet sich die staatliche Arbeitsagentur mit geschönten Zahlen ohne Kontext. Im lauten Jubel darüber geht unter dass der hessische Arbeitsmarkt nicht das Bild eines stabilen Beschäftigungsaufbaus abgibt:
- Er ist einseitig auf Banken und Versicherungen ausgerichtet.
- Die Vollzeiterwerbstätigkeit geht zurück.
- Nicht wenige arbeiten und leben in prekären Verhältnissen.
- Immer mehr Menschen finden nur geringfügige Beschäftigung oder arbeiten im Niedriglohnsektor und
- die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt kontinuierlich.
Im Januar schrieben wir zur Situation auf dem hessischen Arbeitsmarkt[1] u.a.: »Die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt kontinuierlich, ein harter Kern von Langzeitarbeitslosen ist auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar. Zwei Drittel der Arbeitslosen in Hessen haben keine Absicherung durch Arbeitslosengeld und erhalten Hartz IV.«
Heute stellt sich heraus, dass die geplanten Programme für 43.000 von über eine Mio. Langzeitarbeitslose im Bund durch Umschichtung zulasten der Jobcenter finanziert werden sollen. So sollen bis 2017 insgesamt 750 Mio. statt an die Jobcenter in die Programme für Langzeitarbeitslose fließen. Diese Umschichtung ist völlig absurd, ein weiteres Beispiel dafür, dass die »schwarze Haushaltsnull« hochgehalten wird statt Steuereinnahmen zugunsten einer effektiven Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, für Qualifizierungs- oder Beschäftigungsprogramme einzusetzen. Zur Eindämmung der Langzeitarbeitslosigkeit brauchen wir einen »sozialen Arbeitsmarkt«, der eine wirkliche Teilhabechance für die Betroffenen eröffnet.
Wir erinnern an die »grünen« Versprechen in Hessen: Will Arbeitsmarktpolitik »neue Perspektiven für Menschen schaffen, die bisher von Erwerbsarbeit weitgehend ausgeschlossen sind« und »Menschen mit Behinderungen, Migrantinnen und Migranten, Alleinerziehende, Junge ohne Schulabschluss, Ältere, Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte« nicht zurücklassen, dann »muss endlich Schluss sein, mit einer der-Markt-wird-es-schon-richten-Mentalität in der Arbeitsmarktpolitik« (aus dem Grünen-Wahlprogramm in Hessen).
[1] Vgl. hierzu unseren ausführlichen Beitrag zum hessischen Arbeitsmarkt vom Januar 2015: Schwarz-grüner Schlafwagen? Der Arbeitsmarkt in Hessen 2015.