Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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15. August 2012 Joachim Bischoff / Norbert Weber

Nicht nur Hapag-Lloyd in der maritimen Krise

Erck Rickmers, seit 2011 Mitglied der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, legt sein Mandat nieder, um sich wieder ganz seiner Reederei und dem Geschäftsfeld Schiffsfinanzierung zu wenden zu können. Dieser Schritt verdeutlicht den Ernst der maritimen Krise.

Die gesamte Branche ist seit Mitte 2011 in einem »starken Abschwung«. Rickmers unterstreicht: Die globalen Märkte hätten sich deutlich verschlechtert und stellten die Unternehmen vor große Herausforderungen, manche seien »ins Schlingern geraten«.

Die Krise der maritimen Wirtschaft stellt auch für die Hansestadt eine mächtige Herausforderung dar. Der Hamburger Logistikkonzern HHLA, eine öffentliches Unternehmen, kann sich dem Abschwung nicht entziehen. Der Containerumschlag wächst kaum noch. Das Unternehmen rechnet mit einem Gewinnrückgang. Ein Gewinnrückgang schlägt sich letztlich in rückläufigen Beteiligungserträgen nieder, die die Stadt über ihre Vermögensholding vereinnahmt.

Noch schwieriger ist ein weiterer Fall: Die Reederei Hapag-Lloyd wurde im Frühjahr 2012 erneut von der Freien und Hansestadt Hamburg vor großen wirtschaftlichen Unsicherheiten gerettet. Hapag-Lloyd ist eines der traditionsreichsten Unternehmen und größeren Arbeitgeber am Standort Hamburg. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren auch finanziell engagiert, um die Reederei und die damit verbundenen Arbeitsplätze für die Region zu sichern. Unternehmensrechtlich gehörte die Reederei Hapag-Lloyd zum Touristikonzern TUI. 2008 wollte die TUI Muttergesellschaft das Containergeschäft aus Hapag-Lloyd herauslösen, um sich auf ihr Kerngeschäft Touristik zu konzentrieren.

Im Wege einer Kapitalerhöhung stockte Hamburg seinen Anteil an der Reederei für einen Kaufpreis von 420 Mio. Euro auf nunmehr 39,3% auf. Somit ist die Freie und Hansestadt Hamburg größter Einzelaktionär der Hapag-Lloyd AG. Insgesamt ist die Stadt mit 1,1 Mrd. Euro an der Reederei beteiligt.

Die Hansestadt wollte das wichtige Unternehmen nicht an einen ausländischen Investor oder Fonds verlieren und zudem sahen die wirtschaftlichen Perspektiven verlockend aus. Die letzten Jahre boomte der Markt, die Euphorie war grenzenlos bis zur globalwirtschaftlichen Rezession 2009. Bis dahin wuchs der Markt, die Frachtraten waren stabil und die Aussicht hervorragend. Es konnte gar nicht genug neue Schiffe geben. Um an das notwendige Investitionskapital zu kommen, wuchs eine ganze Branche heran und verdiente prächtig. Hierzu gehörten Banken, Finanzmakler und viele kreative Köpfe, die es immer wieder schafften, über geschlossene Fondskonstruktionen gut verdienende Privatpersonen zu motivieren, in diese Fonds zu investieren.

Die Stadt handelte als Investor zur Sicherung von Wirtschaftspotenzial und Arbeitsplätzen. Zu Recht wird jetzt gefragt, ob das eingesetzte Kapital auch ohne Wertberichtigungen zurückfließen wird. Da diese »Vermögenspolitik« selbst über Kredite erfolgt, ist die Neuverschuldung und die aus dem Haushalt zu tragende Zinslast von ca. 50 Mio. Euro jährlich in den Zeiten der »Schuldenbremse« sehr kritisch zusehen. Das bisherige Hapag-Engagement der Stadt weist 81,6 Mio. Euro Finanzierungskosten aus, aber nur 23,5 Mio. Euro Einnahmen. Die Vermögensholding der Hansestadt hatte ab 2013 mit einem jährlichen Beteiligungsertrag von 35 Mio. Euro gerechnet; der Ausfall der Erträge wird die öffentlichen Finanzen belasten.

Die nun von Hapag-Lloyd vorgelegten Zahlen für das 1. Halbjahr 2012 bestätigen die Risiken. Danach haben hohe Treibstoffpreise und Transportkosten die Hamburger Container-Reederei im ersten Halbjahr tief in die roten Zahlen gedrückt. Unter dem Strich stand ein Verlust von 140 Mio. Euro und damit gut viermal so viel wie ein Jahr zuvor. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) lag Ende Juni bei minus 68,7 Mio. Euro, ein Jahr zuvor hatte hier mit rund 42 Mio. Euro noch ein Gewinn gestanden.

Die hohen Preise für den Schiffstreibstoff als größter Kostenfaktor stellten eine dramatische Belastung dar, berichtete Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt. Im zweiten Quartal seien die Treibstoffpreise verglichen mit dem Vorjahresquartal um 85 US-Dollar auf 694 US-Dollar je Tonne gestiegen. Von Energiepreissteigerungen seien auch Hafenterminals, Binnenschifffahrt, Bahn und Spediteure betroffen, deren Dienstleistungen Hapag-Lloyd weltweit einkaufe, erläuterte das Unternehmen. Deshalb seien weitere Preiserhöhungen im Containergeschäft zwingend erforderlich. Wenn sie im Markt durchgesetzt werden können und konjunkturelle Risiken gering bleiben, erwartet der Vorstandschef im Gesamtjahr wieder ein positives operatives Ergebnis.

Die Erwartung von geringen konjunkturellen Risiken wie auch die Hoffnung auf die Durchsetzung weiterer Preiserhöhungen im Containergeschäft aber sind wenig begründet. Denn die goldenen Zeiten der maritimen Wirtschaft sind zunächst vorbei. Seit etwa vier Jahren befinden sich die Schifffahrtsmärkte in der Krise. Richtig ernst ist die wirtschaftliche Situation für Massengutfrachter (Bulkern), Containerschiffe sowie Tanker – alles Schiffstypen, mit denen die Hapag-Lloyd AG ihre Transportgeschäfte tätigt.

Hier gibt es aufgrund des Überangebots von Transportkapazitäten sowie den nunmehr deutlich gesunkenen Aufträgen zu viele Reedereien, die sich um die Restaufträge balgen. Dies hat Auswirkungen auf die Charterpreise (Frachtraten). Der derzeitige ruinöse Wettbewerb bei den Charterpreisen hat zur Folge, dass die Frachtraten noch nicht einmal für die Kapitaldienste sowie die permanent steigenden Betriebskosten ausreichen. Von möglichen Gewinnen kann überhaupt nicht mehr gesprochen werden.

Über eine gewisse Zeit waren die schiffsfinanzierenden Banken bereit, Kapitaldienste zu stunden. Mittlerweile ist diese Geduld jedoch vorbei, etliche Schiffe werden »stillegelegt« oder gar verschrottet. Nur so sieht man noch ansatzweise eine Möglichkeit, die Frachtraten wieder auf ein erträgliches Maß hochfahren zu können.

Die ehemals in Schiffsfinanzierungen involvierten Banken schnappen alle nach Luft, können sich kaum befreien. Die Commerzbank will als Konsequenz ihr Schifffahrtsgeschäft vollständig aufgeben, musste sogar etliche Schiffe in ihre eigenen Bücher nehmen, um mögliche Verluste zu begrenzen

Und der »größte Schiffsfinanzierer«, die HSH Nordbank? Hier kommt mit der Krise in dem Segment »Schifffahrt« wohl ein weiterer Sargnagel hinzu. Die Bank findet einfach keinen Ausweg aus ihrer hausgemachten Krise. Angeblich will man bisher ausreichend Wertberichtigungen und Abschreibungen gebildet haben, um die Auswirkungen für das eigene Haus abmildern zu können. Der Blick in die Zahlen zeigt jedoch, dass man zwar Risikopositionen gebildet hat, aber in den letzten Monaten zur Darstellung erträglicher Ergebnisse diese größtenteils auch wieder ertragswirksam aufgelöst hat. Somit wird die Krise in den nächsten Monaten auf die HSH Nordbank durchschlagen. Sie sitzt noch auf einem Bestand von 18 Mrd. Euro im Bereich der Schiffsfinanzierungen.

Bedrohlich wird die Lage nunmehr für Anleger in Deutschen Schiffsfonds. Etliche Fonds stehen kurz vor der Insolvenz oder haben gar bereits Insolvenz angemeldet. Allein in Deutschland haben etwa 450.000 Anleger in derartige Fondskonstruktionen investiert, das Anlagevolumen beträgt mehr als 50 Mrd. Euro.

Laut Auskunft des »Verband geschlossene Fonds« sind in den letzten Monaten mindestens zehn Schiffsfonds insolvent gegangen, weitere Insolvenzen sind nicht ausgeschlossen und werden sogar erwartet. Nach Einschätzung von Marktexperten befinden sich derzeit etwa 800 fondsfinanzierte Schiffe in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Auch die Hapag-Lloyd AG musste im ersten Quartal 2012 sechs Schiffe zusätzlich in die eigenen Bücher nehmen. Die TUI, immer noch mit 22% an der AG beteiligt, hat gerade ihre Quartalsergebnisse zum 31.6.2012 (3.Quartal des Wirtschaftsjahres der TUI) veröffentlicht. Hier wird von einer leichten Erholung gesprochen, wobei wohl vor allem der Verkaufserlös aus der Beteiligungsreduzierung an Hapag zur Entspannung bei der TUI maßgeblich beigetragen hat. Offensichtlich hat die TUI einen Großteil ihrer wirtschaftlichen Sorgen – dank des ehemaligen Finanzsenators Peiner (CDU), der für die vertragliche Grundlagen gesorgt hat – an die Freie und Hansestadt Hamburg abgeben können.

Nachdenklich macht in diesem Zusammenhang die Aussage der TUI im ihrem Quartalsbericht: »TUI Anteil an Hapag-Lloyd auf rund 22% reduziert… Um den vollständigen Ausstieg aus der Containerschifffahrt zu vollziehen, kann TUI seit Ende Juni 2012 jederzeit einen Börsengang mit vorrangiger Platzierung der von TUI gehaltenen Aktien verlangen. TUI bleibt daneben unverändert berechtigt, die verbleibenden Hapag-Lloyd-Anteile an Dritte zu verkaufen.« (TUI-Zwischenbericht – Lagebericht – vom 14.8.2012)

Es bleibt also in den kommenden Monaten bei der starken Abhängigkeit der Hapag-Lloyd AG und damit der Hansestadt von der Entwicklung der TUI. Die TUI hat es aufgrund der Vertragsgrundlagen in der Hand, über den zeitlichen Ablauf und wohl auch über den Preis zu bestimmen. Durch den Rückgang der Beteiligungserträge und die absehbaren Verlustrisiken in der Schifffahrt (und bei der Schiffsfinanzierung, also der HSH Nordbank) droht hier eine weitere Verschlechterung der öffentlichen Finanzen des Hansestadt – mit ungewissen Zukunftsaussichten. Eine Trennung von dem Unternehmensengagement ist auf absehbare Zeit nicht vorstellbar.

Auch das Projekt Elbvertiefung wird – neben dem Engagement bei Hapag – nur mit höheren Kosten durchzusetzen sein. Bislang waren für das aus Hamburger Sicht wichtige Projekt für die maritime Wirtschaft rund 385 Mio. Euro veranschlagt worden. Davon würden zwei Drittel auf den Bund entfallen. Neuerdings ist von »mindestens« 500 Mio. Euro die Rede. Auf den Stadtstaat Hamburg würden weitere 40 Mio. Euro zukommen. Außerdem lauern beim Hafenentwicklungsplan und der Umgestaltung der Hamburg Port Authority (HPA)weitere Finanzaufwendungen. Es wird hohe Zeit, dass in der Hamburger Politik endlich über eine tragfähige Zukunftsperspektive für die Wirtschaftsstruktur debattiert wird.

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