15. Dezember 2012 von Joachim Bischoff / Norbert Weber
Neues öffentliches Geld für die HSH Nordbank ?
Die marode HSH Nordbank muss weiterhin unterstützt werden. Die Bank gehört zu 85,4 Prozent den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein. Offensichtlich wollen die Regierungen der beiden Bundesländer die bestehenden Ländergarantie für die Bank erneut um drei Mrd. Euro erhöhen. Warum diese erneute Rettung der seit langem maroden Bank und was bringt dieses höhere Engagement des Staates?
Die HSH Nordbank muss dringlich sicherstellen, dass sie ihre harte Kernkapitalquote über dem geforderten Mindestwert von neun Prozent hält. Gegenwärtig liegt sie bei 9,4%. Trotz Übergang zu einem »neuen Geschäftsmodell« halten die Verluste an. Die Bank schreibt erneut rote Zahlen und rechnet mit anhaltenden Belastungen für ihr Geschäft. In den ersten neun Monaten betrug der Konzernverlust 25 Mio. Euro. Nach sechs Monaten hatte die Bank noch einen Gewinn von 70 Mio. Euro ausgewiesen.
Der Vorstandschef Constantin von Oesterreich erklärte gegenüber der Presse, er könne nicht ausschließen, dass der Verlust höher als im Vorjahr ausfallen werde. Gegenwärtig sehe es aber nicht so aus. 2011 hatte die Bank einen Verlust von 263 Mio. Euro ausgewiesen. Sie hatte außerdem angekündigt, die beiden Eigentümerländer müssten wegen drohender Verluste bei Schiffskrediten bis zum Jahr 2025 wohl 1,3 Mrd. Euro Garantiezahlungen leisten.
Die Bank ist als großer Schiffsfinanzierer besonders von der anhaltenden Krise in der Schifffahrt betroffen. Vor allem deshalb musste das Institut die Risikovorsorge in den ersten neun Monaten des Jahres um 458 Mio. Euro aufstocken. Besserung ist nicht in Sicht; die Krise in der Schifffahrt wird nach den Einschätzungen der Analysten noch mindestens bis 2014 dauern. Das neue Geschäftsmodell läuft selbst nicht verlustfrei und deshalb fehlt ein Ausgleich für die Wertberichtigungen und erhöhte Risikovorsorge aus dem Schifffahrtsportfolio. Logischerweise kann die politische Klasse nicht europaweit versuchen, harte Bankkontrollen durchzusetzen und eine Auflösung von maroden Banken verlangen, während gleichzeitig ein Landesinstitut beständig durch Zuschüsse und Garantien am Leben erhalten wird. Die bundesdeutsche Bankaufsicht BaFin wird zurecht einschreiten müssen, wenn die Kapitalquote von 9% wegen weiterer Verluste und Risikorückstellungen unterschritten wird. Selbst wenn die Bundesländer ihre Garantien aufstocken sollten, muss die EU-Kommission einer Erhöhung der Garantien zustimmen.
2009 war die Bank von den Ländern vor dem Aus gerettet worden. Sie stemmten einen Kapitaleinschuss im Wege einer Kapitalerhöhung von drei Mrd. Euro und gewährten eine Garantie über 10 Mrd. Euro. Der SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) spannte darüber hinaus einen weiteren Garantieschirm über 30 Mrd. Euro zur Rettung der HSH Nordbank.
Seit 2009 versucht die HSH Nordbank, ein neues Geschäftsmodell zu realisieren mit der Zielrichtung »Bank für Unternehmer«. Dieses neue Geschäftsmodell greift nur unzureichend, die Bank subventioniert ihr verlustreiches, überhaupt nicht tragendes operatives Kerngeschäft durch permanente Verkäufe von Assets bzw. Beteiligungen, überaus kreatives Buchungsgebaren sowie gewinnerhöhende Auflösungen von dringend notwendigen Risikovorsorgepositionen.
Aufgrund des massiven Drucks seitens der EU-Kommission müssen alle Landesbanken ihre Geschäftsmodelle ändern, weg von ihren risikobehafteten internationalen Geschäften. Dies führt dazu, dass die Landesbanken nunmehr – am Leben gehalten durch Steuergelder – in einen weitestgehend funktionierenden regionalen Bankenmarkt (insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, auch ggf. Großbanken) drängen. Hier besteht die Gefahr, dass die Landesbanken auch dort nur Unheil anrichten. Punkten und Marktanteile holen können sie in diesem für sie neuen Verdrängungswettbewerb nur über Dumpingkonditionen. Dies wird nicht ohne Probleme bei den konservativ aufgestellten anderen Banken über die Bühne gehen können.
Weshalb also sollte die BaFin und die EU-Kommission erneut ein Auge zudrücken und den Bundesländern eine Ausnahme genehmigen? Abgesehen von der wachsenden politischen Unglaubwürdigkeit der bundesdeutschen Regulierungspolitik sprechen folgende Gründe für eine zügige Schließung und Abwicklung der Bank:
- Seit ihrem Beinahe-Crash in den Jahren 2007 bis 2009 hat die Bank noch nie ihre Planungen einhalten können. So ist von ihr bisher auch nicht dargelegt worden, wie sie ausgerechnet auf die Zielgröße 1,3 Mrd. Euro Garantieziehung in 2019 gekommen ist. Die Planung ist völlig intransparent, unausgegoren und offensichtlich lediglich an den Haushaltsplanungen der beiden Ländern ausgerichtet, die in 2019 mit Hilfe des Knebel-Instrumentes »Schuldenbremse« einen ausgeglichenen Haushalt erreicht haben wollen. Die Bank würde also nur weitere Mittel verbrennen und der Zeitgewinn ist mit keinerlei positiven wirtschaftlichen Struktureffekten verbunden.
- Der Aktienwert der Bank war seit langem überhöht und musste mit sanftem Druck der EU von 19 Euro auf 13,05 Euro korrigiert werden. Schon die Berichtigung auf 19 Euro erzeugte massive Vermögensverluste beim Hamburgischen Versorgungsfonds. Die Reduktion auf 13,05 Euro schädigte den HSH Finanzfonds AöR für seine Engagements bei der Landesbank beträchtlich. Er musste zum 31.12.2011 Abschreibungen in Höhe von 939 Mio. Euro vornehmen. Und weiter geht die Reise: »Zwischenzeitlich ist von der HGV und der hsh finanzfonds AöR eine weitere Abschreibung auf ihren jeweiligen Beteiligungswert der HSH vorgenommen geworden.« Die HSH-Aktien, die Hamburg und Schleswig-Holstein seinerzeit für 19 Euro erworben hatten, werden derzeit nur mit 11,95 Euro bewertet. Das sind noch einmal 1,10 Euro weniger als bei der zuletzt vorgenommenen Korrektur auf 13,05 Euro. Dadurch ergibt sich allein beim finanzfonds ein weiterer Abschreibungsbedarf von ca. 200 Mio. Euro. Mit anderen Worten: Die drei Mrd. Euro Kapitaleinschuss würden die Länder bei einem Verkauf der HSH-Anteile bei Weitem nicht zurückbekommen. Es wird endlich Zeit, das Kapitel HSH Nordbank zu beendigen. Leider werden hier wie bei der WestLb massive Verluste für das öffentliche Vermögen anfallen.
- Das Argument, dass die HSH Nordbank für den Norden ein unverzichtbarer Finanzierungspartner für die Schifffahrt sei, entbehrt jeder Grundlage. Einmal besteht eine EU-Auflage, die die Bank einhalten muss. Sie kann seit kurzem nicht beliebig Schiffe finanzieren, sondern muss im Gegenteil das Segment schrumpfen! Zum Anderen kann die Bank gar nicht in notwendiger Größenordnung Neugeschäfte tätigen, weil sie ihr dafür notwendiges Eigenkapital in Beständen (Assets) gebunden hat, die sie nicht los wird. Hinzu kommt ein weiteres gravierendes Problem: Die Bank hat einen Bestand an Schiffen, der sich wie folgt zusammensetzt (Geschäftsbericht 31.12.2011, S. 58): »So sind im Shipping-Portfolio der Kernbank 59 % der Finanzierungen durch Schiffe besichert, die jünger als fünf Jahre sind oder sich noch im Bau befinden, 21% 5 bis unter 10 Jahren, 6% 10 bis unter 15 Jahre und lediglich 3%, die mindestens 15 Jahre alt sind. Auf Finanzierungen ohne Objektbezug entfallen 11%.« Die HSH Nordbank hat demnach ihr Portfolio ausgerechnet in einer Boom-Phase aufgebaut. Genau diese Schiffe leiden derzeit unter mangelnder Auslastung. Für entsprechende Finanzierungen kann kaum der Kapitaldienst erbracht werden, entsprechende Risiken schlagen direkt auf die finanzierende HSH Nordbank durch. Zudem ist nur zu vermuten, dass ein beträchtlicher Teil dieser Schiffe durch geschlossene Fonds gehalten und an Reedereien verchartert werden. Um mangelnder Auslastung etwas entgegensetzen zu können, trennen sich Reedereien natürlich zunächst von diesen gecharterten Schiffen, um ihre eigenen Schiffe besser auslasten zu können.
Finanzierungs- oder besser Sanierungspartner für die norddeutsche Schifffahrt bzw. Reedereien könnte deutlich besser und entspannter eine Investitionsbank sein, die sich nicht nur nahezu ausschließlich mit ihren internen Problemen beschäftigten muss. Die HSH Nordbank hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie mit ihrer Verantwortung nicht umgehen kann. Die Bank hat zu Recht einen Konflikt mit der EU-Kommission, weil sie die Auflage des Bankenstabilisierungsfonds, die Managergehälter bei 500.000 Euro pro Jahr zu deckeln, von Beginn an unterlaufen hat. - Die schlechten konjunkturellen Rahmenbedingungen und die Strukturkrise der maritimen Wirtschaft werden noch längere Zeit anhalten. Die Bank ist einschließlich der eigenen »Bad Bank«, der »Restructuring Unit«, mit etwa 30 Mrd. Euro in der Schiffsfinanzierung engagiert. Davon ist ein hoher Prozentsatz bereits als »uneinbringlich« eingestuft. Dieses spiegelt sich jedoch noch nicht in der gebildeten Risikovorsorge, z.B. den Abschreibungen, wider. Es bleibt das Dilemma, dass die Bank diese notwendigen Abschreibungen nicht als Kosten buchen kann, ohne noch höheren Verlust ausweisen zu müssen.
- Ende 2015 wird ein Großteil der derzeit noch etwa 30 Mrd. Euro hohen Mittel, die durch öffentliche Gewährträgerhaftung unterlegt sind, auslaufen. Das Argument lautet immer, dass die Bank auf jeden Fall solange (not-) beatmet und am Leben gehalten werden muss, bis diese von der Bank selbst aufgenommenen, durch Gewährträgerhaftung unterlegten Gelder auslaufen. Dies würde die Risiken der öffentlichen Hand deutlich mindern. Dieses Argument überzeugt allerdings nicht. Denn was wird Ende 2015 mit diesem auslaufenden Bestand passieren? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder findet die Bank Anschlussfinanzierungen oder sie muss den Bestand zurückzahlen bzw. tilgen. Beide Möglichkeiten funktionieren nur dann reibungslos, wenn der Bank der seit 2009 herbeigesehnte turn-around gelingt. Voraussetzung für einen solchen turn-around wäre auf jeden Fall, dass sich wenigstens andeutet, dass das »neue Geschäftsmodell« funktioniert. Das ist allerdings nicht ansatzweise zu erkennen.
Kurzum: Das Problem löst sich Ende 2015 ganz sicher »nicht in Luft auf«. Hinzu kommt, dass angebahnte Geschäfte und die daraus resultierenden Erlöse nicht zeitgleich sind, sondern die unangenehme Eigenart eines beträchtlichen Nachlaufs an sich haben. Bis Ende 2015 hat die Bank nur noch drei Geschäftsjahre, die Situation zu drehen.
Der durch Gewährträgerhaftung unterlegte Anteil an der Passivseite der Bank beträgt max. etwa. 22 % der Bilanzsumme von 136 Mrd. Euro (per 30.09.2012). Die Bank hat sich in Ihrem Anlagegebaren, das sich auf der Aktivseite der Bilanz in den Assets (Anlagebeständen) widerspiegelt, nie an die »goldene Bankregel« gehalten: Fristenkongruenz oder Laufzeitgleichheit zwischen Mittelherkunft und Mittelverwendung. Vielmehr wurden in der »wilden« Schlussphase der Bank bis 2008 über täglich fällige Gelder langfristige Anlagen finanziert.
Konsequenz: Niemand in der Bank wird wissen, wie diese durch Gewährträgerhaftung unterlegten Passivpositionen angelegt wurden. Wenn überhaupt noch eine Mittelverwendung nachzuvollziehen wäre, dürfte dabei herauskommen, dass die Bank entsprechende Assets, so sie denn ausreichend fungibel bzw. veräußerbar waren, höchstwahrscheinlich schon längst liquidiert und zum Stopfen von Löchern verwendet hat. Da sie dies immer wieder tut und in Zukunft auch so gut wie unkontrolliert tun wird, verschärft und erhöht sich das wirtschaftliche Risiko für die Länder von Monat zu Monat.
Die Bank entwickelt sich immer mehr zu einer Resterampe. Die Situation der Bank ist hochkritisch und die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein erhalten eine teure Quittung dafür, dass sie nicht bereits 2009, und zwar vor dem Sanierungseinschuss in Milliardenhöhe, den Problemfall HSH Nordbank schonend beendet haben. Die wirtschaftlichen Risiken, die möglicherweise an der Allgemeinheit hängen bleiben, vergrößern sich von Monat zu Monat, in denen die HSH Nordbank noch weiter künstlich am Leben gehalten wird.