Der rechte Rand

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14. März 2012 Bernhard Sander

Nach der Ablehnung des Haushalts: NRW vor Neuwahlen

Bekanntlich geht es in NRW immer um die Wurst, wenn über den Haushalt abgestimmt wird. Die rot-grüne Minderheitsregierung ist immer darauf angewiesen, dass eine der drei Oppositionsparteien bei den entscheidenden Abstimmungen sich der Stimme enthält, damit der Haushalt passieren kann. Faktisch sind diese Mehrheitsverhältnisse beim Nachtragshaushalt 2010 (durch Zustimmung einiger Abgeordneter) und beim Haushalt 2011 (durch geschlossene Enthaltung) auf ein inoffizielles Verhandeln und auf eine Tolerierungspolitik der Linken hinausgelaufen. Der große Verdienst der Linken bleibt es, SPD und Grüne auf einem Kurs gehalten und die eigenen Wahlversprechen seriös zu verfolgen (Abschaffung der Studiengebühren, Vergabegesetz, Verteilung von Landesmittel an die Kommunen nach Soziallastenquote usw.) zu haben.

Der Landesparteitag der Linken hatte für diese Runde der Haushaltsberatungen eine klare Fokussierung der Landtagsfraktion auf vier Themengebiete gefordert und den Landesrat beauftragt, die Verhandlungsergebnisse vor der dritten Abstimmungsrunde im Landtag zu bewerten. Diese Themen (Sozialticket, Sicherung der Kommunalfinanzen, Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und der Vorschulbildung) wurden nicht quantifiziert, aber die von der Fraktion durch entsprechende Fachanträge sowie durch rd. 40 weitere Anträge summieren sich auf ein Volumen von über eine Mrd. Euro. Damit wurde sowohl auf die Tatsache reagiert, dass die Landesregierung erhebliche Steuermehreinnahmen prognostizierte als auch in ihrem Haushaltsentwurf mit 3,97 Mrd. Euro um einige Hundert Millionen unter der Verschuldungsobergrenze in der NRW-Landesverfassung blieb.

Die FDP inszenierte sich ebenso wie die CDU als Opposition dagegen, dass die »Verschuldungsorgie zur Staatsphilosophie« erhoben werde. Sie hatte angesichts ihres existenzbedrohend schwindenden Wählerzuspruchs zunehmend für die Landesregierung die Alternative aufgemacht, sich entscheiden zu können, ob sie »mit den Linksextremisten immer tiefer in den Schuldensumpf führen oder mit der FDP über die Sanierung der Landesfinanzen verhandeln will« (FAZ 14.3.12).

Da die Landesregierung keine substanziellen Avancen in die eine oder andere Richtung machte, standen vor der Abstimmung über die Einzeletats alle Zeichen auf Sturm. Denn die Akteure sahen sich plötzlich mit einem Rechtsgutachten der Landtagsverwaltung konfrontiert, dass die Ablehnung eines Einzeletats der Ablehnung des Gesamthaushalts gleichkomme. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Denn nun waren die kleinen Oppositionsparteien erneut vor die Frage der Enthaltung gestellt oder der moralischen unsauberen Lösung, dass einige Abgeordnete bei diesen Abstimmungen unter politisch motiviertem Harndrang den Saal verlassen. Die SPD-Ministerpräsidentin demonstrierte jedenfalls noch am Morgen Härte, es gäbe keine Abweichung vom eingeschlagenen Kurs.

Der Haushalt steht unter dem Damoklesschwert der Schuldenbremse im Grundgesetz. Danach müsste das Land rein rechnerisch seit 2010 jährlich rd. 525 Mio. Euro aus dem Haushalt kürzen. Aber genau das sieht auch der Entwurf für das Haushaltsjahr 2012 nicht vor. Auch wenn es der linksradikalen Mehrheit im Landesvorstand der LINKEN nicht genehm ist, es werden per saldo 30 von 300.000 Stellen wegfallen und einige wichtige Posten wie die Zuwendungen an die Gemeindehaushalte und die Zuschüsse zur U 3-Betreuung erhöht. Es kann also nicht behauptet werden, es handele sich um ein neoliberal geprägtes Machwerk. Auch der sogenannte Stärkungspakt ist im Kern »nur« eine juristisch verbindlichere und mit einem strikten Zeitplan versehene Sparvorschrift, wie sie bereits seit Jahrzehnten relativ wirkungslos in der Gemeindeordnung vorgeschrieben ist, versehen mit einer völlig unzureichenden Konsolidierungshilfe von rd. 350 Mio. Euro. Letztlich ist dieses Instrument aber nur ein Hebel, um die kommunalen Kassenkredite, die zur Hälfte in den Büchern von nordrhein-westfälischen Städten stehen, bedienen zu können.

Die Bourgeoisie ihrerseits hat sehr wohl erkannt, dass der rot-grüne Kurs gefährliche Zuspitzungen zum Ende der Legislaturperiode bedeutet. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hält das vom Finanzminister »formulierte Ziel, die Neuverschuldung bis 2017 lediglich knapp auf unter zwei Milliarden Euro zu senken für ›ganz gefährlich‹, weil dann in den letzten beiden Jahren vor dem Greifen der Schuldenbremse noch ein Defizit in dieser Höhe in eben dieser Höhe abgebaut werden müsse. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft empfahl dringend einen ambitionierteren Konsolidierungskurs« (FAZ 14.3.12). Dahinter steht die Sorge, die bisher adressatenlose Wut fände schließlich durch überrissene Kürzungsvorschläge einen Fokus und ein Ziel, wenn die Schuldenbremse zu einem Thema in einen Wahlkampf aufwüchse. Denn 2017 liegt zu Mitte der nächsten regulären Wahlperiode, deren Mehrheits- und Regierungsverhältnisse jetzt keiner kennt.

Statt also die globalen Mindereinnahmen, die im veranschlagten Volumen nur den in den vergangenen Jahren eingesammelten Haushaltsresten entspricht, als neoliberale Streichorgie hochzustilisieren, hätte DIE LINKE die mittelfristige Perspektive in den Blick nehmen sollen. Jedes Jahr des Herausschiebens der Umsetzung der Schuldenbremse verstärkt die Spannungen zwischen den konsolidierungsentschlossenen Grünen und der Gruppe der Sozialsensiblen in der SPD. Der vielbeschworene Politikwechsel lässt sich, wenn DIE LINKE es ernst meint, schließlich nur dann einleiten, wenn die SPD gezwungen werden kann, eine klare Richtungsentscheidung in den eigenen Reihen zu treffen.

Bei der Regierung Kraft sind offensichtlich der Wille und die finanziellen Möglichkeiten des Lavierens erlahmt. Für härtere Haushaltsschnitte fehlt die klare Landtagsmehrheit. Deshalb wird es nach der gescheiterten Haushaltsabstimmung nun Neuwahlen geben. Der Augenblick scheint auch günstig, um sich der Fundamentalisten von der FDP und der LINKEN zu entledigen. Die beiden Altparteien treten auf der Stelle ihres letzten Wahlergebnisses (je 35%), sodass eine absolute Mehrheit für Rot-Grün in greifbare Nähe zu rücken scheint. Die Piraten, die vor allem den Stern der Grünen (aktuell 17%) verblassen ließen, verlieren im Flächenland NRW zunehmend an Rückhalt (von 9% im November auf 5% im Februar), sodass ihr Einzug unsicher ist. Sollten LINKE und Piraten bei Neuwahlen doch in den Landtag einziehen, bliebe immer noch die Option einer »großen Koalition«, kalkuliert die Ministerpräsidentin, die bereits dem neoliberalen Hardliner Steinbrück als Ministerin diente.

DIE LINKE hatte im Verlauf des letzten Jahres aufgrund ihres Kurse konstruktiver Opposition stabile Umfragewerte über 5% und geriet erst mit einer Umfrage im Februar in den Strudel des sinkenden Ansehens der Bundespartei. Sie hat durchaus Chancen auf einen Wiedereinzug, da sie mit ihren Forderungen zum Haushalt den Kern eines konkreten, an Arbeit und sozialer Gerechtigkeit orientierten Wahlprogramms formuliert hat. Der Kürzungszwang vor allem in den vom Stärkungspakt verhafteten Kommunen spielt ebenfalls der LINKEN in die Karten. Eine wiedereingezogene Linke hätte allerdings bei einer absoluten Mehrheit für Rot-Grün ihren Einfluss auf das Hinauszögern der Schuldenbremse verloren. Deshalb muss in einem Wahlkampf die Thematisierung der durchaus populären Schuldenbremse, wie die hessische Volksabstimmung gezeigt hat, eine wichtige Rolle spielen. Die Aufmerksamkeit lässt sich auf linke Alternativen zur Verschuldung (»Unsere Schuldenbremse heißt Vermögenssteuer«) lenken, um zu zeigen, dass man sanieren können muss.

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