Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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6. Januar 2016 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Mythos: Schuldenfrei

2015 war für die Hamburger Sozialdemokratie und den rot-grünen Senat mit vielen Herausforderungen verbunden. Die mit übermäßiger Verve betriebene Olympia-Bewerbung wurde von einer Mehrheit der BürgerInnen nicht als überzeugend bewertet. Diese politische Niederlage wird vom Bürgermeister nicht zu einer Neujustierung der Aufgaben für die Stadt genutzt.

Auch wenn der Schub durch Olympische Spiele ausbleibt: Hamburg werde sein Infrastrukturprogramm mit hohem Tempo vorantreiben, erklärte Scholz. Als Beispiel nannte er den Ausbau des U-Bahn-Netzes. Gleichermaßen werden die anderen Probleme mit üblicher Routine kleingehalten. Die Hafenwirtschaft schwächelt. Die Entscheidung über die Elbvertiefung, über die seit mehr als einem Jahrzehnt gesprochen wird, steht immer noch aus. Hamburgs wichtigstem Wirtschaftsmotor geht es ohnehin nicht besonders gut, vor allem durch die Einbrüche beim China- und Russland-Geschäft. Die Aktie der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) dümpelt auf niedrigem Niveau. Und die Reederei Hapag Lloyd, an der auch die Stadt beteiligt ist, musste beim Börsengang vor wenigen Wochen zunächst die Preise senken, damit es überhaupt mit der Börse klappte. Schließlich folgte gegen Jahresende der Offenbarungseid in Sachen HSH Nordbank. Sie muss bis 2018 verkauft oder abgewickelt werden. Die Bürgerschaft – wie auch der Kieler Landtag – musste im Eiltempo eine Kreditermächtigung über 16,2 Mrd. Euro beschließen, um die Bank bei unklaren Risiken zu sanieren, indem »faule« Kredite aufgekauft werden.

Zu den offenen großen Herausforderungen, die auch 2016 die Hansestadt beschäftigten werden, gehört zweifellos die Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen. Auch hier bleibt der SPD-Chef bei der Strategie, möglichst keine Aufmerksamkeit oder gar Unruhe zu erregen. Scholz erklärt: »Wir wollen, dass der Alltag der Hamburger möglichst unbeeinträchtigt bleibt.« Gleichzeitig gehe es darum, den Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland zu verringern. Hamburgs Erster Bürgermeister folgt der politischen Konzeption des Bundesvorstandes, die die Politik auf die arbeitende Mitte der Gesellschaft ausrichten will. D.h. den Rechtspopulisten möglichst wenig Anlass zu einer Forderung nach Veränderung der Politik zu bieten. Die verschärfte Handhabung des Asylrechtes ist dabei ein zentrales Instrument. Daher fordert eben auch Scholz, die deutschen Sozialgesetze für europäische Zuwanderer an die europäische Rechtsprechung anzupassen. »Freizügigkeit bedeutet nicht, dass man sich aussuchen kann, wo man Sozialleistungen erhält.« Niemand wolle »Wanderungsbewegungen, die durch höhere Sozialleistungen motiviert werden«.

Trotz der großen Herausforderungen, zu denen auch die Unterbringung, Versorgung und Integration der großen Zahl der Schutzsuchenden gehört, so die frohe Botschaft der politischen Führung, hält der rot-grüne Senat daran fest, von 2017 an dauerhaft keine neuen Schulden mehr zu machen. Stattdessen soll von da an damit begonnen werden, den Schuldenberg der Stadt (Kernhaushalt) in Höhe von rund 24 Mrd. Euro abzutragen. Die Schuldentilgung soll 2017 mit 41 Mio. Euro beginnen, 2018 dann 156 Mio. Euro und 2019 schon 346 Mio. Euro betragen.

Die wichtigste Zielsetzung ist der Schuldenabbau. Niemand kann allerdings übersehen, dass eine Ausweitung der Ausgaben unvermeidlich ist. Wie aber bewältigt die rot-grüne Regierung diesen Spagat zwischen Mehrausgaben und Schuldenreduktion? Der Senat will die Ausgaben gegenüber der bisherigen Planung deutlich anzuheben. So will er die Investitionen um rund 150 Mio. Euro pro Jahr anheben auf dann deutlich über 800 Mio. Euro jährlich. Investiert werden soll das Geld »insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Wohnungsbau und Digitalisierung der Verwaltung«. Der Senat will zum Beispiel das bisherige Programm, das den Neubau von 6.000 Wohnungen pro Jahr vorsieht, noch einmal erheblich ausweiten. Außerdem sind diverse große Infrastrukturprojekte in Planung, etwa der A 7-Deckel und der Bau neuer U- und S-Bahnlinien.

Um politische Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, musste zunächst das Finanzrahmengesetz geändert werden. Durch die Anhebung der Ausgabenobergrenze für die Jahre 2016 bis 2020 um rund 400 bis 500 Mio. Euro pro Jahr wurde ein finanzpolitischer Spielraum von insgesamt 2,3 Mrd. Euro gewonnen. Zugleich hat die Stadt höhere Steuereinnahmen und erhält höhere Bundeszuschüsse zur Handhabung der Flüchtlingsfrage. Also zeichnet sich kein Konflikt zwischen höheren Ausgaben und dem Ziel des Schuldenabbaus ab?

Für Finanzsenator Peter Tschentscher hält der Senat mit seiner neuen Finanzplanung (vgl. Drucksache 21/2678) »an seinen bewährten Grundlinien der Haushaltspolitik fest«. So habe man wie in den Vorjahren die Ergebnisse der Steuerschätzung für die Jahre 2017 bis 2019 um »Vorsichtsabschläge« von zusammen mehr als einer Milliarde Euro nach unten korrigiert – also ein Sicherheitspuffer geschaffen. »Auch mit dieser Planung hält Hamburg die Schuldenbremse bereits 2017 ein und kann ab 2018 Altschulden in nennenswerter Höhe tilgen.«

Nach einem Überschuss von 420 Mio. Euro in 2014, mit dem im wesentlichen Altschulden getilgt wurden, rechnet Tschentscher für 2015 allerdings mit einem deutlich bescheideneren Haushaltsabschluss. »Insgesamt gehen wir aber weiterhin davon aus, dass der Haushalt 2015 tatsächlich besser abschließen wird als in der Planung, die für 2015 noch eine Nettokreditaufnahme von rund 230 Millionen Euro vorgesehen hat.« Ob am Ende eine »schwarze Null« steht, der Etat also ohne neue Schulden ausgeglichen werden kann, wisse man aber erst, wenn alle Buchungen für das Jahr 2015 abgeschlossen sind.
Für die gegenüber 2014 gedämpfteren Erwartungen für 2015 sind laut Finanzbehörde vor allem drei Faktoren verantwortlich. Erstens die hohen Kosten für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen, für die gegenüber 2014 300 Mio. Euro zusätzlich (insgesamt 600 Mio. Euro) veranschlagt werden mussten. Mit diesem Geld werde man »voraussichtlich« auskommen, so die Finanzbehörde. Zweitens hätten die Behörden »in größerem Umfang« Geld ausgegeben (z.B. für die Elbphilharmonie), das in früheren Jahren bewilligt worden war – die sogenannten Reste. Drittens gab es einen Sondereffekt bei den Gewerbesteuereinnahmen. Die waren im Dezember sogar »negativ«, die Stadt musste also mehr Geld zurückzahlen als sie eingenommen hat, durch »einzelne, nicht erwartete hohe Erstattungsfälle«. Gegenüber der Schätzung, die Gewerbesteuereinnahmen von gut 1,7 Mrd. Euro für das Gesamtjahr vorausgesagt hatte, fehlen daher mehr als 100 Mio. Euro.

Versucht man allerdings nachzuvollziehen, wie die großen Probleme, vor denen die Stadt tatsächlich steht, in der Finanzplanung bis 2019 abgearbeitet sind, und damit auch die auf Beruhigung der BürgerInnen ausgelegte positive Grundmelodie des Finanzsenators, stößt man beim Studium der »Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft« an enge Grenzen. Dem spröden Zahlenwerk des doppischen Gesamtergebnisplans sind wenig konkrete Erkenntnisse zu entlocken. Die optimistische Sichtweise des Finanzsenators wird damit zur Glaubenssache.

Erstens ist aus dem Finanzplan nicht ersichtlich, mit welchen Kosten der Senat für die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen für die Stadt in den Jahren 2017 bis 2019 tatsächlich rechnet. Dazu heißt es in der Drucksache nur lapidar, dass bei den Kosten für die Schutzsuchenden in diesem Zeitraum »die Zusage des Bundes, sich weiterhin an den zusätzlichen Kosten der Länder auf Grund der Flüchtlingsentwicklung zu beteiligen« berücksichtigt worden sei. Der Rechnungshof hatte schon darauf hingewiesen, dass die Mehrbedarfe für Flüchtlinge in 2015 vor allem aus zentralen Töpfen (u.a. Zinsaufwand) finanziert wurden bzw. werden. »Für ähnliche Mehrbedarfe stehen ab 2016 keine zentralen Positionen in relevanten Größen mehr zur Verfügung.« Sieht das der Senat anders?

Zweitens droht mit dem HSH Nordbank-Debakel durch den Zwang zur Aufnahme von Krediten in Höhe von bis zu acht Mrd. Euro noch in 2016 eine direkte Belastung des Haushalts durch dafür fällige Zinsen von über 100 Mio. Euro. Sind die im Finanzplan schon berücksichtigt?

Drittens hat der Rechnungshof in seinem letzten Bericht auf den Vermögensverzehr in der öffentlichen Infrastruktur hingewiesen und höhere öffentliche Investitionen angemahnt. »So bleibt es dabei, dass trotz Verbesserungen gegenüber der Vergangenheit die weiterhin abwachsend geplanten Gesamtinvestitionen und die 2018 die Abschreibungen unterschreitenden Investitionen der Substanzerhalt weiter mehr als gefährdet ist.« Ist das bei der Finanzplanung berücksichtigt worden?

Viertens hat der Rechnungshof das Scheitern der auch vom rot-grünen Senat propagierten Strategie der Verschlankung des Staates durch Personalabbau festgestellt. »Der Senat war mit seiner Strategie, jährlich 250 Vollkräfte (VK) einzusparen, bisher nicht erfolgreich. Der Personalbestand ist insbesondere durch die Definition von Schonbereichen von 2011 bis 2014 im Saldo um 948 VK angestiegen, obwohl in den Nicht-Schonbereichen ein Personalabbau erfolgte.«

Zurecht weist der Rechnungshof darauf hin, dass bei 56,5% des Gesamtpersonals in »Schonbereichen« die Absicht, in den übrigbleibenden 43,5%, die wie die Bezirke eh schon völlig ausgeblutet sind, um so intensiveren Personalabbau betreiben zu wollen, nicht funktionieren kann.
Der kritische Blick des Rechnungshofs gilt aber nicht nur den Grenzen der bisher praktizierten Personalpolitik. Vielmehr kommt er zusammenfassend zu dem Schluss, dass die bisherige Konsolidierungspolitik zwar erfolgreich war, durch die von Jahr zu Jahr geringer werdenden Spielräume in den Behördenbudgets aber nicht mehr durchzuhalten ist. »Die Liste zeigt: Die in den letzten Jahren durchaus erfolgreichen bewirtschaftungsorientierten Vorgaben und Instrumente kommen an ihre Grenzen, weil Puffer aufgebraucht und daher zunehmend Einschnitte in Leistungen und Aufgaben erforderlich sein werden.« In welcher Weise trägt der Senat dem in seiner Finanzplanung 2015-2019 Rechnung? Folgt er dem Rat des Rechnungshofs, gegebenenfalls sogar Einnahmeerhöhungen in Betracht zu ziehen? »Auch Einnahmeerhöhungen sollten in die Betrachtung einbezogen werden: Wenn die Analyse des Senats ergeben sollte, dass beispielsweise der Personalabbau vor dem Hintergrund drängender Staatsaufgaben nicht im geplanten Umfang realisiert werden kann und soll, müssten gegebenenfalls Einnahmeerhöhungen strukturelle Bedarfe gegenfinanzieren.«

Fünftens erfordert eine seriöse Finanzplanung die Einbeziehung des gesamten öffentlichen Bereichs. So betrugen die Schulden des öffentlichen Bereichs in Hamburg zum 31.12.2014 insgesamt 38,6 Mrd. Euro. Davon entfielen 23,2 Mrd. Euro auf den Kernhaushalt, sieben Mrd. Euro auf die Extrahaushalte und 8,3 Mrd. Euro auf sonstige Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU). Die 15 Mrd. Euro öffentliche Schulden außerhalb des Kernhaushalts haben selbstverständlich auch Auswirkungen auf den Kernhaushalt, aus dem etwa die Zinsen für die Kredite etwa der Sondervermögen mindestens teilweise aufgebracht werden müssen. So werden die Abschreibungen bei der Beteiligung an Hapag Lloyd das Ergebnis der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) belasten und zu Ausgleichszahlungen aus dem Kernhaushalt zwingen. Und irgendwann müssen ja auch die Kredite, die jetzt z.B. für die »Rettung« der HSH Nordbank aufgebracht werden, zurückgezahlt werden. Wieweit ist dies in der neuen Finanzplanung berücksichtigt?

Der Landesrechnungshof ahnt den politischen Ausweg: »Die primär bewirtschaftungsorientierte Konsolidierungsstrategie kommt an ihre Grenzen. Es gelang jetzt noch, Mehrbedarfe im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen durch Inanspruchnahme zentraler Ansätze, Verschieben von Investitionen etc. zu finanzieren. Dies wird so nicht noch einmal möglich sein. Zudem sind hohe Steuereinnahmen und niedrige Zinsen kein Dauerzustand.«

Die Regelungen des Bundes und Hamburgs zur Schuldenbremse lassen die Möglichkeit der Kreditaufnahme in rechtlich selbstständigen Tochterorganisationen weiterhin zu. Was also macht der Senat? Generell finanzieren sich Kreditaufnahmen in Tochterorganisationen teilweise aus eigenen Finanzierungskreisläufen. Eine klare Abgrenzung, welche Organisationen oder welche Finanzierungsbedarfe den Haushalt belasten, gibt es jedoch nicht. Fakt ist: Die erheblichen Abschreibungen auf Vermögen der öffentlichen Unternehmen (HHla, Hapag Lloyd, HSH Finfonds etc.) und deren Kredite erlauben dem Senat die Illusion einer erfolgreichen Entschuldungspolitik aufrecht zu erhalten. Es wäre demokratischer und klüger in öffentlicher Debatte eine breite Verständigung über die vorhandenen städtischen Probleme und die Begrenztheit der finanziellen Ressourcen herzustellen.

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