Der rechte Rand

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13. März 2019 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

Milliardenplan für neue Schulen und 3.500 zusätzliche Lehrkräfte

Der rot-grüne Senat hastet den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher und sucht nach jahrelanger Rotstiftpolitik die Gestaltungshoheit bei der öffentlichen Infrastruktur zurückzugewinnen. Die letzte Wahlumfrage hat verdeutlicht, dass die Bevölkerung dir Defizite vor Augen hat: der völlig unbefriedigende Öffentliche Nahverkehr, der eklatante Wohnungsmangel und die desolate Bildungslandschaft.

Schon im Herbst 2018 hatte die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Sabine Boeddinghaus kritisiert: »Die Zahl der Schüler_innen in Hamburg wächst von Jahr zu Jahr. Allein seit dem letzten Schulentwicklungsplan (SEPL) aus dem Jahr 2012 sind mehr als 16.700 Schüler_innen neu hinzugekommen – Prognose: weiter steigend. Angesichts dieser Zahlen und der zunehmenden Bildungsungerechtigkeit beantragt die Fraktion DIE LINKE in der kommenden Bürgerschaftssitzung, die Ausarbeitung eines neuen Schulentwicklungsplans.« Der bestehende Schulentwicklungsplan sei sechs Jahre alt und habe »mit der Realität an Hamburgs Schulen nicht mehr viel zu tun«, argumentierte die schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion. So fänden die inzwischen getroffenen Vereinbarungen mit den Volksinitiativen zum »Guten Ganztag« und zur »Guten Inklusion« keine planerische Entsprechung. »Wir brauchen einen neuen Schulentwicklungsplan. Sonst bleibt die Bildung weiterhin Flickenteppich und Stückwerk!«

Nachdem Rot-Grün im Sommer letzten Jahres eine Korrektur der bis dahin praktizierten Politik der strengen Haushaltskonsolidierung vollzogen hat, und den Etat noch für 2018 um eine Mrd. Euro aufgestockt hat, um dem seit Jahren anhaltenden Wachstum der Stadt und den sich daraus ergebenden größeren Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur besser gerecht zu werden, hat man nun festgestellt, dass der durch die Sparpolitik geschrumpfte städtische Anzug auch für den Bereich der Schulen viel zu klein geworden ist.

Deshalb will Rot-Grün nun ein großes Ausbauprogramm für die Hamburger Schulen starten. »Die weit über das Erwartbare hinaus wachsenden Schülerzahlen bedeuten, dass wir 30 bis 40 neue Schulen bauen sowie bestehende Schulen ausbauen und optimiert nutzen werden«, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Allerdings sind die wachsenden Schüler*innenzahlen vor dem Hintergrund des seit Jahren anhaltenden Zuzugs von immer mehr Neubürger*innen durchaus erwartbar gewesen. SPD und Grüne haben diesen Entwicklungstrend aus haushaltspolitischen Gründen schlichtweg solange ignoriert, bis die Zustände unhaltbar wurden.

Laut aktueller Bevölkerungsprognose ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Schüler*innen um 25% bis 2030 wachsen wird. »Das ist ein gewaltiger Anstieg, der drei- bis viermal so hoch liegt wie das parallel laufende Wachstum der Bevölkerung. Das ist eine aus unserer Sicht insgesamt sehr erfreuliche Entwicklung«, sagte Rabe. Zurzeit besuchten rund 195.000 Schüler die allgemeinbildenden Schulen. »Künftige Prognosen laufen darauf hinaus, dass wir in den nächsten elf Jahren auf 240.000 Schüler anwachsen werden. Davon werden gute 40.000 in den staatlichen Schulen erwartet, die anderen 4.000 bis 5.000 in den Privatschulen«, sagte der Senator.

Entscheidend für den sehr großen Anstieg sei in erster Linie die Entwicklung der Geburtenzahlen. Laut Statistikamt wurden 2018 genau 21.388 Jungen und Mädchen geboren, die in fünf oder sechs Jahren auch eingeschult werden. Zum Vergleich: 2011 kamen 16.732 Kinder in Hamburg zur Welt - seitdem gab es also ein Plus von 28 Prozent. »Das ist ein gewaltiger Anstieg, der um drei- bis viermal so hoch liegt wie das parallel laufende Wachstum der Bevölkerung«, sagt Rabe.

Laut aktueller Prognose werden Anfang der 2030er Jahre 1,983 Mio. Menschen in Hamburg leben. »Die Schulbehörde entwickelt ein großes Ausbauprogramm für die Hamburger Schulen. Dazu zählt, dass wir 30 bis 40 neue Schulen gründen, Schulen erweitern und bestehende Schulen optimiert nutzen wollen«, sagte Rabe.

Laut Rabe wird das Bauprogramm bis 2030 »mindestens ein Volumen von vier Milliarden Euro« umfassen. Es wird eines der größten Investitionsprojekte der Stadt im kommenden Jahrzehnt werden »Das ist eine gewaltige Summe, die deswegen nötig ist, weil wir uns entschieden haben, nicht an der Qualität zu sparen«, sagte der Senator. Soll heißen: Die niedrigen Klassenfrequenzen werden nicht erhöht. Um die Schüler*innen nach jetzigen Standards zu unterrichten, muss die Stadt zusätzlich mehr als 3.500 Lehrer*innen einstellen. Die Neugründungen werden Grund-, Stadtteilschulen und Gymnasien umfassen, ohne dass jetzt schon gesagt werden könnte, zu welchen Anteilen und wo. Ein Problem für die Planer liegt darin, dass das Schülerwachstum nicht gleichmäßig über die Stadt verteilt ist.

In der Schulbehörde haben deshalb endlich die Arbeiten an einem neuen Schulentwicklungsplan begonnen. »Intern brauchen wir kein halbes Jahr mehr, um etwas vorzulegen. Dann wird es eine gründliche öffentliche Beteiligung geben«, so Rabe. Für das Verfahren gibt es feste Regeln. So werden die Eltern-, Schüler- und Lehrerkammer, die Schulen und die Bezirke angehört und der Schulausschuss der Bürgerschaft beteiligt. Über den Plan entscheidet letztlich die Schuldeputation, nicht die Bürgerschaft. »Wir machen keine Hektik. Das Ziel ist, dass alle sagen: Das ist ein guter Plan«, sagte Rabe.

Nach jahrelanger Schlafmützigkeit soll endlich ein neuer Schulentwicklungsplan her. Dies müsste durch einen Generalverkehrsplan und überhaupt einen Stadtentwicklungsplan ergänzt werden. Mit beständiger Improvisation kann man eine Millionen-Stadt nicht managen. Zu begrüßen freilich ist, dass der rot-grüne Senat seinen in der Vergangenheit begangenen »Pfad von Investieren und Konsolidieren« nun auch im Bereich der Schulen modifiziert, weil die Politik der strengen Haushaltskonsolidierung die städtischen Defizite immer deutlicher hat zutage treten lassen.

Begründet wurde das mit dem Wachstum der Stadt und den sich daraus ergebenden größeren Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur. Und in der Tat: Allein der Bevölkerungszuwachs hat anfangen vom Wohnen, über die Bildung bis hin zu Gesundheit und Alter die bisherige Konzeption der Politik der Haushaltskonsolidierung durchlöchert und deren negativen Folgen für die Entwicklung der Stadt noch deutlicher zutage treten lassen: Verfall der öffentlichen Infrastruktur, dramatischer Mangel an preiswertem Wohnraum, Verfestigung der sozialen Spaltung und wachsender Schuldenberg.

Vorsorgende Haushaltspolitik hätte darin bestehen müssen, die öffentliche Infrastruktur (d.h. auch die personelle Ausstattung) kontinuierlich an das Bevölkerungswachstum anzupassen. Faktisch hat die Hansestadt ihren Bürger*innen eine zu kleine öffentliche Infrastruktur zugemutet, hat ein Jahrzehnt den hohe Überschuss bei den Steuern in die Konkursvermeidung und letztlich die Privatisierung der HSH Nordbank gesteckt, und versucht jetzt im Übergang zu den »mageren Jahren« eine Modernisierung der Infrastruktur zu organisieren – und auch dies ohne Zukunftskonzeption.

Unter dem Druck der Verhältnisse hat der rot-grüne Senat deshalb seine bisherige Politik der Haushaltskonsolidierung (teilweise) korrigiert und nutzt die relativ guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die damit einhergehenden Steuermehreinnahmen, um mit dem Nachtragshaushalt 2018 und dem Doppelhaushalt 2019/2020 mit einer deutlichen Steigerung der Ausgaben einige Fehlentwicklungen in der Stadt zu korrigieren. Dies ist gut so, reicht aber nicht aus. Vor allem fehlt dahinter ein Plan für Hamburgs Zukunft.

Das bloße Reagieren auf sich auf städtische Notlagen führt nur zu einer Mangelwirtschaft in Permanenz. Zudem muss bezweifelt, ob schon allein die aus den jährlich 20.000 neuen Bewohner*innen sich zusätzlich ergebenden Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur (vor allem Verkehr, Wohnen) und die staatlichen Dienstleistungen mit diesen Ausgabesteigerungen bewältigt werden können – geschweige denn die Beseitigung der sich über lange Jahre aufgebauten strukturellen Defizite.

Die über den Wachstumsfaktor mobilisierten Finanzmittel reichen deshalb nicht aus, um auch nur die Folgen des Bevölkerungszuwachses aufzufangen. Die städtischen Defizite werden vielmehr trotz Mehrausgaben größer. Beispiel Wohnungspolitik: Wenn im Doppelhaushalt 2019/2020 an der Linie festgehalten wird, 3.000 preiswerte Wohnungen im Jahr zu bauen, reicht das nicht einmal, um die Neuankömmlinge unterzubringen, geschweige denn das Problem der strukturell fehlenden 80.000 preiswerten Wohnungen in der Stadt (und jährlich kommen die aus der Sozialbindung fallenden Wohnungen hinzu) anzugehen. Das Gleiche lässt sich für den Bereich Schule sagen. Die jetzt avisierten vier Mrd. Euro für Schulneubau und -sanierung und die Einstellung von zusätzlichem Lehrpersonal sind zwar ein wichtiger erster Schritt, werden aber nicht ausreichen, um die aufgelaufen Defizite nachhaltig zu beheben. Dasselbe ließe sich für Kindergärten oder öffentlichen Nahverkehr sagen.

Die hierfür trotz deutlicher Ausgabensteigerung vorgesehenen Mittel sind alles andere als »auskömmlich«. Hinzu kommen die großen Probleme in der Wirtschaftsstruktur Hamburgs. Denn trotz aller Positivmeldungen über Wirtschaftswachstum, hohen Beschäftigungsstand und Rekordeinnahmen bei den Steuern, darf nicht vergessen werden, dass vor allem die Hamburger Hafenwirtschaft immense Probleme hat.

Der rot-grüne Senat hätte deshalb sehr viel besser daran getan, angesichts des immer noch niedrigen Zinsniveaus die zur Schuldentilgung genutzten Mittel mindestens teilweise für die Investitionen in die großen städtischen Defizite zu nutzen und auch mehr gegen die soziale Spaltung in der Stadt, etwa zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit, zu tun. Das wäre auch angesichts der sich abschwächenden Konjunktur ein eigentlich unverzichtbarer Beitrag zur Stützung der regionalen Wirtschaftskreisläufe. Man müsste eigentlich erwarten können, dass die Warnung des früheren ersten Bürgermeisters der Stadt, Scholz, »Die fetten Jahre sind vorbei«, auch in der Landespolitik seinen Widerhall findet.

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