28. Januar 2016 Joachim Bischoff / Bernhard Müller
Kluge Haushaltspolitik sieht anders aus
Die Finanzbehörde hat Ergebnisse des kameralen Haushaltsverlaufs [1] für das Jahr 2015 festgestellt. Die bereinigten Gesamtausgaben der Freien und Hansestadt Hamburg betragen danach rund 12,6 Mrd. Euro, während sich die bereinigten Gesamteinnahmen auf rund 12,8 Mrd. Euro belaufen. Daraus ergibt sich ein positiver Finanzierungssaldo von rund 200 Mio. Euro. Dieser Haushaltsüberschuss kann sich wegen Nachbuchungen noch um einige Millionenbeträge ändern.
»Gleichwohl steht mittlerweile fest, dass Hamburg damit nach Jahrzehnten zum zweiten Mal in Folge einen echten Haushaltsüberschuss erzielt hat«, sagte Finanzsenator Peter Tschentscher. Dieser falle niedriger aus als im Vorjahr, weil es zu einem deutlichen Anstieg der Ausgaben für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen gekommen sei, die aber nicht durch neue Schulden finanziert werden müssten.
Die Veränderungen werden deutlich sichtbar, wenn man die letzten Planungsvorstellungen zugrunde legt:
Erneut ist mit dem Haushalts Überschuss des Jahres 2015 die unter dem Regime der Schuldenbremse entwickelte Haushaltsplanung deutlich korrigiert worden.
Die wichtige Schlussfolgerung: Trotz beträchtlicher Mehrausgaben für die Bewältigung der Flüchtlingsbewegung in Hamburg ist der Prozess der Sanierung der öffentlichen Finanzen in der Hansestadt fortgeführt worden. Eine genauere Abrechnung der Belastungen würde zeigen, dass die im Laufe des Jahres 2015 erhöhten Bundeszuschüsse sicherlich ein wichtiger Faktor für diese Entwicklung sind.
Auch auf Bundesebene ist ein Haushaltsüberschuss in Höhe von 12 Mrd. Euro angefallen. Klugerweise sind diese Mittel für erhöhte Ausgaben im Jahr 2016 zurückgestellt worden. Der Bundesfinanzminister ist also nicht dem Verfahren in Hamburg gefolgt, wo die Überschüsse des Jahres 2014 zur Schuldentilgung eingesetzt wurden. Zu befürchten ist, dass auch der verringerte Überschuss des Haushaltsjahres 2015 wiederum für die Schuldentilgung eingesetzt werden wird. Mit einer solchen radikalen Spar- und Schuldentilgungspolitik werden die großen Defizitfelder der öffentlichen Sektors in der Hansestadt verstärkt. Es wäre also sinnvoll diesem Überschuss von rund 200 Mio. Euro für wichtige Defizitbereiche einzusetzen.
Flüchtlingsversorgung verbessern, Armut bekämpfen
Bei den signifikant gestiegenen Zahlen für Flüchtlingsunterbringung und -betreuung sind deutliche Mehrbedarfe unvermeidlich, für die der Überschuss in 2015 genutzt werden kann. Desweiteren geht es um Maßnahmen gegen die wachsende Armut in der Stadt (wie z.B. Sozialkarte ÖPNV und einen Sozialtarif »Energie« für alle bedürftigen Menschen in Hamburg, Langzeitarbeitslose im öffentlichen Sektor qualifizieren, sozialen Arbeitsmarkt entwickeln).
Die im Zuge der Flüchtlingsmigration an die unzureichenden sozialstaatlichen Strukturen gestellten Anforderungen sind gewaltig. Dies umso mehr, als die Integration der Flüchtlinge weit komplexer ist als der einfache Ausbau vorhandener Strukturen. Auch in Hamburg ist das miserable Management der Flüchtlingsströme zum Symbol des Staatsversagens geworden. Die Flüchtlingsmigration macht dabei die ohnehin vorhandenen Schwachstellen des Systems überdeutlich – die sozialen Kosten, die durch diese strukturellen Schwachstellen eines neoliberalen Staatsverständnisses sträflich verursacht wurden, müssen derzeit von durch ehrenamtlichen Einsatz ausgeglichen werden.
Öffentliche Infrastruktur ausbauen
Selbst der Rechnungshof hat in seinem letzten Bericht auf den Vermögensverzehr in der öffentlichen Infrastruktur hingewiesen und höhere öffentliche Investitionen angemahnt. »So bleibt es dabei, dass trotz Verbesserungen gegenüber der Vergangenheit die weiterhin abwachsend geplanten Gesamtinvestitionen und die 2018 die Abschreibungen unterschreitenden Investitionen der Substanzerhalt weiter mehr als gefährdet ist.« Angesichts des erheblichen und nur noch langfristig behebbaren Nachholbedarfs – der sich sowohl in den hohen Anlagenabnutzungsgraden, als auch den vorliegenden Zustandsbewertungen deutlich ausdrückt – warnen Stadtplaner davor, bei den Bestrebungen zum Abbau des Sanierungsstaus nachzulassen. Die Bauinvestitionen müssen vielmehr weiterhin und nachhaltig gestärkt werden, um zusammen mit der notwendigen Unterhaltung eine Erholung des Anlagevermögens und eine Zustandsverbesserung bei öffentlichen Bauten zu erreichen.
Verbesserung der personellen Ausstattung
Auch bei der Entwicklung von Personalbestand musste man feststellen, dass die weitere Verschlankung des Staates nicht mehr funktioniert. Faktisch hat die Flüchtlingsbewegung schlagartig den Unfug einer exzessiven Sparpolitik aufgedeckt. Der Senat sollte von seiner Strategie, jährlich 250 Vollkräfte (VK) einzusparen, abrücken.
[1] Mit dem Haushaltsjahr 2015 ist in Hamburg die Doppik als neues Haushaltswesen eingeführt worden. Der Abschluss des neuen kaufmännischen Rechnungswesens unterscheidet sich grundsätzlich von der kameralen Kassenstatistik und wird insofern gesondert erstellt und veröffentlicht.