14. Dezember 2016 Peter Stahn
Kein Frieden um Fraport, falsche Prognosen und prekäre Arbeitsverhältnisse
Mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn rückte der Frankfurter Flughafen mit seinen Anfluglinien im Norden im Jahr 2011 sehr viel dichter an die Stadt und zwar an dicht besiedeltes Gebiet im Süden der Stadt und an die Gemeinde Flörsheim im Westen von Frankfurt heran. Er überzog die Region mit intensivem Fluglärm. Die vorgeschriebenen sechs Stunden Nachtruhe wurden seitdem fast nie eingehalten. Nach zehn Jahren vergeblicher Proteste gegen den Bau der Bahn, Eingaben und Verfahren gegen den zukünftig zu erwartenden Fluglärm sowie einer Mediation mit zweifelhaften Ergebnissen hinsichtlich der zu erwartenden gesundheitsschädlichen Auswirkungen, protestieren die betroffenen Anwohner seit der Inbetriebnahme der Bahn jeden Montag im Terminal 1 des Flughafens und fordern ihre sofortige Schließung.
Seit dem ersten vollen Betriebsjahr landen dort zwischen 100 000 und 120 000 Flugzeuge im Jahr. Doch der prognostizierte deutliche Zuwachs an Flugverkehr, der den Bau der neuen Landebahn für angeblich unabdingbar darstellte, blieb aus. Im Gegenteil, die Zahl der Starts und Landungen gingen seit der Inbetriebnahme der neuen Bahn in jedem Jahr auch aufgrund der eingesetzten größeren Jets von 487 000 in 2011 auf 468 000 in 2015 weiter zurück.
Um die falschen Prognosen zu rechtfertigen, lässt der Flughafenbetreibers Fraport AG verlauten, der Bau der Landebahn hätte sich dennoch gelohnt, weil er dazu beigetragen hätte, im internationalen Wettbewerb mit weltweit führenden Luftverkehrskreuzen durch Pünktlichkeit in Spitzenzeiten der Flugbewegungen zu bestehen.
Die Fraport AG hat die Drehkreuze Paris, Amsterdam, London und München zu ihren Konkurrenten ernannt. Warum der Flughafen Frankfurt unbedingt als Drehkreuz oder Hub mit Frankfurt lediglich als Zwischenhalt, mitten in der dicht besiedelten Metropolenregion Rhein-Main auf Kosten der Gesundheit der Bewohnern des Frankfurter Südens und weiterer Gemeinden überhaupt fungieren muss, erklärt uns der Mehrheitsanteilseigner an der Fraport AG, die hessische Landesregierung, nicht. Verstößt der Ausbau des Flughafens im Frankfurter Stadtgebiet nicht gegen das in der hessischen Verfassung verankerte Recht eines jeden Menschen auf körperliche Unversehrtheit und ist zugleich menschenverachtend? Diese Frage muss sich die schwarz-grüne Landesregierung stellen lassen.
Um dem Flughafen nun doch noch zur prognostizierten Auslastung und ersehnten Rendite zu verhelfen, wurde ausgerechnet der umstrittene Billigflieger Ryanair, der für seine prekären Arbeitsverhältnisse und die Missachtung von Arbeitnehmerrechten bekannt ist, möglicherweise sogar noch mit Rabatten nach Frankfurt gelockt. Auch in diesem Falle der Umwerbung und Ansiedlung eines umstrittenen Arbeitgebers entzieht sich die Landesregierung in persona Wirtschaftsminister Al-Wazir (Die Grünen) ihrer Verantwortung.
Seiner Ansicht nach werde allein nach Recht und Gesetz entschieden. Ein Verkehrsflughafen stehe allen zugelassenen Luftfahrtunternehmen offen, und Ryanair sei eine in Europa zugelassene Gesellschaft. Prekäre Arbeitsverhältnisse bei bestimmten Airlines seien ein Problem, eine Diskriminierung von Nutzern sei aber rechtlich nicht möglich. »Es darf und wird keine Lex Ryanair geben« (FAZ v. 25.11.2016).
Allerdings hätte die Landesregierung als größter Anteilseigner zusammen mit der Stadt Frankfurt zum einen Einfluss auf die Auswahl weiterer »Low-Cost Airlines« nehmen können. Zum anderen muss sie in einem zumal von ihr beherrschten Unternehmen wie Fraport auch nach der Europäischen Sozialcharta dafür sorgen das soziale Mindeststandards bei der Beschäftigung eingehalten werden und es eine Tarifbindung gebe. Ryanair zahlt absolute Niedriglöhne, unterläuft Sozialstandards und verweigert jede Tarifbindung. Darauf haben Die Linke und selbst die SPD, die bisher aus »ökonomischen« Gründen immer für den Ausbau des Flughafens plädierte, im Landtag hingewiesen.
Der SPD-Abgeordnete Weiß erklärte dazu, dass die Crews, die vom nächsten Sommer an in Frankfurt stationiert werden, würden weder Rentenansprüche nach deutschem Recht erwerben, noch hätten sie Anspruch auf den deutschen Krankenversicherungsschutz: »Ryanair ist ein fliegender Schlecker« (ebenda).
Ausbau der Kapazitäten des Flughafens Frankfurt um jeden Preis auf dem Rücken und auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung, da kann es kaum einen Ausgleich zwischen dem Konzern (mit dem Staat als Mehrheitsanteilseigner) und der zu unfreiwilligen Anrainern gewordenen Bevölkerung geben. Regelungen für Lärmpausen jedenfalls bedeuteten für die Anwohner bisher keinerlei Entlastung. Sie bedeuten lediglich eine Umverteilung aber keine Minderung des Fluglärms. Von den befragten Betroffenen haben 91 Prozent von einer Lärmminderung in den sogenannten Lärmpausen nichts mitbekommen (FAZ v. 30.052016).
So bezeichnet Janine Wissler, Linke-Fraktionsvorsitzende, folgerichtig auch die von Al-Wazir angekündigten Lärmobergrenzen als einen weiteren unglaubwürdigen Versuch »der Ausbauparteien, die sich nun als Lärmschützer inszenieren wollen«.
Der Flughafen ist ein Fluch mitten innerhalb des Ballungsgebiets Rhein-Main. Die steigende Rendite des Flughafenkonzerns ist für die hessische Landesregierung weiterhin wichtiger als der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlicher Beeinträchtigung und der Einhaltung sozialer Mindeststandards in der Region.