Der rechte Rand

der rechte rand.
Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

Einblicke in 20 Jahre
»Institut für Staatspolitik«
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Friedrich Engels zum 200.

Reiner Rhefus
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Lebenswertes Hamburg
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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

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Linke Kommunalpolitik –
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23. Juni 2013 Joachim Bischoff

Kann Hamburgs SPD die Schifffahrtskrise aussitzen?

Die Schifffahrtskrise zeigt immer deutlichere Rückwirkungen für das Bundesland Hamburg. Die Auswirkungen bedrohen nicht nur den großen Schiffsfinanzierer HSH Nordbank, sondern auch die Reedereien und Logistikunternehmen werden von der Krise erfasst. Nach einer Umfrage gehen aktuell 90% der Unternehmen davon aus, dass viele Reedereien das laufende Jahr nicht überstehen werden.

Die Branche befindet sich im sechsten Jahr der Krise. Sinkende Frachtraten wegen der hohen Überkapazitäten und hohe Treibstoffkosten machen den Unternehmen schwer zu schaffen. Viele Reeder stehen zudem mit dem Rücken zur Wand, weil die Banken kaum noch Kredite geben. Mehrere Institute haben sich wegen der düsteren Aussichten aus der Containerschifffahrt zurückgezogen oder dies – wie die Commerzbank – angekündig.

Diejenigen, die wie die HSH Nordbank und die NordLB noch Darlehen an Reeder gewähren, tun dies nur gegen hohe Sicherheiten. Dadurch gewinnen ausländische Kapitalgeber an Bedeutung. Eine große Mehrheit der Akteure erwartet, dass ausländische Investoren für deutsche Reeder in drei bis fünf Jahren die wichtigste Rolle spielen werden.

Die Schifffahrt leidet seit Jahren weltweit unter Überkapazitäten und niedrigen Fracht- und Charterraten. Das gilt speziell für die Containerschifffahrt, in der die deutschen Reeder mit 1.700 Schiffen die weltweit führende Position einnehmen. Angesichts der anhaltenden Unterauslastung suchen immer mehr Reeder den Schulterschluss mit ihren Konkurrenten.

Die drei größten Containerschiffreedereien der Welt, versuchen sich in der Branchenkrise Luft zu verschaffen. Der dänische Konzern A.P. Møller-Mærsk will mit den Konkurrenten MSC Mediterranean Shipping Company aus der Schweiz und der französischen CMA CGM kooperieren. Auf den Linien von Asien nach Europa, über den Pazifik und über den Atlantik wollen die drei Gesellschaften, die über einen kombinierten Weltmarktanteil von 37% verfügen, den Kunden gemeinsame Dienste anbieten. Dies bedeutet, dass unter anderem die Kapazitäten besser gesteuert und die Auslastung erhöht werden sollen, weil man den Kunden auch Containerplätze auf den Schiffen der Partner vermitteln wird.

Vier von fünf befragten Reedereien rechnen in diesem oder dem kommenden Jahr mit Fusionen und Zusammenschlüssen. Laut Umfrage arbeiten bereits 40% der 100 befragten deutschen Reeder in einzelnen Geschäftsbereichen eng mit anderen Unternehmen zusammen, 50% wollen in den kommenden Monaten eine (weitere) Kooperation eingehen. Das gilt vor allem für die untersuchten Tramp-Reeder, die ihre Schiffe an Liniendienste verchartern.

Die Gespräche über eine engere Zusammenarbeit von Hapag-Lloyd und Hamburg Süd sind hingegen ergebnislos abgebrochen worden. Nach der geplatzten Fusion der größten deutsche Reederei Hapag-Lloyd mit Hamburg Süd fordert der Hapag-Großaktionär Klaus-Michael Kühne eine neue Strategiedebatte. »Es muss eine Standortbestimmung und es muss Gespräche über die zukünftige strategische Ausrichtung des Unternehmens geben.« Er plädiert dafür, »dass die Dinge sehr offen zwischen allen Interessengruppen bei Hapag-Lloyd auf den Tisch gebracht werden«. Denkbar ist nach Kühnes Ansicht nicht nur die Suche nach einem anderen Partner für Hapag-Lloyd, sondern auch ein Schrumpfkurs.

»Es gibt entweder die große Lösung mit einem starken Partner«, so Kühne, »oder die Möglichkeit eines selektiveren Geschäftsmodells mit Stärken in Nischen und bestimmten Fahrtgebieten.« Er favorisiere zwar die weltweite Präsenz von Hapag-Lloyd, sei allerdings der Meinung, »dass darüber verstärkte strategische Gespräche zwischen den Gesellschaftern stattfinden sollten«. Ein Schrumpfkurs würde für den größten Aktionär der Hapag-Lloyd aber einen schmerzhaften Vermögensverlust bedeuten. Immer deutlicher wird, dass die Politik des Scholz-Senates, die Probleme aussitzen zu wollen, zu einer schweren Belastungsprobe für die Wirtschaftsstruktur der Hansestadt und deren Vermögen wird.

Die Krise des Hamburger Hafens macht sich auch im Hafen selbst und den Geschäften der Gesamthafenorganisation bemerkbar. Im Hafen wird weniger umgeschlagen und weniger Geld verdient. Wie sieht die Zukunft des Hafens aus, welche Wachstumsprognosen sind realistisch, wie viel muss noch in Straßen und Brücken investiert werden?

In der »Elite« der Hansestadt dominiert seit langem ein nicht zu erschütternder Optimismus, der sich im Hafenentwicklungsplan niedergeschlagen hat: Prognostiziert wird ein Umschlagswachstum von knapp zehn Mio. Containereinheiten (TEU) im Jahr 2012 auf dann 20 Mio. im Jahr 2020 . Schon bei dieser Logik käme die Stadt mit den unverzichtbaren Investitionen nicht hinterher. 1,4 Mrd. Euro sollen laut Plan in den Hafen bis 2018 investiert werden. Zweidrittel davon allein für Ersatz und Reparatur bei Straßen, Brücken und Hafenbahn. Doch dieses Geld hat die Stadt »definitiv« nicht.

Schlussfolgerung: Die Hafeninvestitionen beschneiden den Handlungsspielraum für andere Wirtschafts- und Wertschöpfungsbereiche. Rund 750 Mio. Euro beträgt der jährliche Investitionsetat der Stadt für die nächsten Jahre. Gut 100 Mio. Euro davon fließen in den Hafen, also etwa 13%. Für den hier sichtbaren Investitionsstau – Ertüchtigung von Brücken, Straßen und Schienenwegen – sind weitere Mittel notwendig. Wird die Elbvertiefung in den anhängigen Gerichtsprozess genehmigt, fallen nochmals höhere Mittel an.

Selbst aus der Hafenwirtschaft hört man neuerdings Korrekturen bei der Umschlagsprognose. Bis 2020 sollen danach bestenfalls 16 Mio. TEU erreichbar sein. Gleichwohl wird dieser deutlich geringere Umsatz nur erreicht werden können, wenn der riesige Sanierungsstau in allen Bereichen der Infrastruktur aufgehoben wird.

Der Anteil der gut 77.000 Hafenbeschäftigten beträgt nur 6,8% der Jobs in Hamburg. 9,4 Mrd. Euro nimmt die Stadt pro Jahr durch Steuern und andere Einnahmen ein, 750 Mio. Euro davon durch den Hafen – was einem Anteil von 8% entspricht. Setzt man dies in Beziehung zu den mindestens 13% Hafen-Investitionen, wird deutlich, dass die Hansestadt immer schwerer aus der Schwerpunktsetzung herauskommt. Notwendig wäre in der Tat, dass auch andere Bereiche wie die Luftfahrtindustrie, die Medizinwirtschaft, der Wohnungsbau und die öffentlichen Dienstleistungen gestärkt werden.

Die ökonomisch-finanzielle Zwangslage wird bei der Bilanz der Hafenbehörde Hamburg sichtbar. Die Port Authority (HPA) hat im vergangenen Jahr rund 212 Mio. Euro in den Erhalt und Ausbau der Hafen-Infrastruktur investiert und damit rund neun Mio. Euro mehr als im Jahr zuvor. Aber die Umsatzerlöse gingen im gleichen Zeitraum um eine Mio. Euro auf insgesamt 157 Mio. Euro zurück. Künftig werden die Investitionsmittel für den Hafen aus dem Hamburger Haushalt getragen werden müssen. Es sei denn, es werden weitere Anteile der öffentlichen Unternehmen der Hafenwirtschaft privatisiert.

Mit dem Verkauf eines Anteils an der Hamburger Hafen- und Logistik-Firma HHLA wurden in den zurückliegenden Jahren die Hafeninvestitionen aufgebracht. Die Mittel sind aufgebraucht und die ökonomische Existenz des Konzerns ist gleichfalls angegriffen. HHLA-Chef Peters macht die Elbvertiefung zur Schicksalsfrage: »Für uns und den Schifffahrtsstandort ist eine positive Entscheidung des Gerichts eine Schicksalsfrage. Eine weitere Verzögerung können wir unseren Kunden, insbesondere in Fernost, nicht mehr glaubhaft erklären.« Die Hängepartie um die Elbvertiefung sei – so Peters und die Hafenwirtschaft - das derzeit größte Hindernis für den Containerumschlag im Hamburger Hafen. Weil die Zahl extrem großer Containerschiffe schneller steige als erwartet, werden die Zeitfenster, in denen die Containerriesen bei Flut in Hamburg ein- und auslaufen können, zunehmend knapp.

Laut Peters machen Aktionäre und Kunden des Hafenkonzerns bereits Druck. Die einen beklagen seit Jahren die schlechte Börsenperformance ihrer Unternehmensanteile, die anderen denken darüber nach, auf konkurrierende Häfen wie den im Ausbau befindlichen Hafen Rotterdam oder den bisher kaum ausgelasteten neuen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven auszuweichen. Damit macht der HHLA-Chef erstmals die ruhenden Baggerarbeiten beim Ausbau der Fahrrinne von Außen- und Unterelbe für die schlechten Wirtschaftszahlen der HHLA verantwortlich. Weitere Gründe sind allerdings die desaströse Schifffahrtskrise, die sich zuspitzende Wettbewerbssituation und die schleppende Weltkonjunktur.

Die Zusammenballung der Probleme ist offenkundig: Die Schifffahrt durchläuft wegen des mauen Welthandels, Überkapazitäten und gestiegener Treibstoffkosten eine tiefe Krise, was sich eben in der Hafenwirtschaft insgesamt zeigt. Die Hafenbehörde, die Reedereien, aber auch Banken wie die HSH Nordbank, NordLb und die Commerzbank werden durch diese Entwicklung in die Verlustzone gedrückt.

Die maritime Wirtschaft und vor allem die Ökonomie des Hamburger Hafens haben sich in den vergangenen Jahren massiv geändert. Nach jahrzehntelangem Boom ist die Schifffahrt in eine hartnäckige Krise geraten. Überkapazitäten drücken auf den Markt, die Fracht- und Charterraten bewegen sich in einem Dauertief. Viele Schiffe können Zins und Tilgung nicht mehr erwirtschaften. Dazu kommt, dass die Containerisierung ihren Zenit überschritten hat.

Die Hamburger Hafenwirtschaft hat mit der politischen Führung auf grenzenloses Wachstum gesetzt. Zuerst hat es die HSH Nordbank erwischt, die ihren Schwerpunkt der Schiffsfinanzierungen durch einen Übergang ins internationale Immobilien- und Wertpapiergeschäft verlagern wollte. Durch das Platzen der Vermögenspreisblase ist die Bank an den Rand der Insolvenz geraten und die politischen Hilfsmanöver waren alle kurzsichtig. Die Schiffsbanken müssen hohe Risikovorsorge treiben. Bei der HSH Nordbank ist rund die Hälfte des Schiffskreditbestands von 27 Mrd. Euro nicht gesund.

Die Branche rechnet nicht damit, dass die Schifffahrtskrise im nächsten Jahr zu Ende geht, allenfalls im übernächsten. Die Verluste der HSH Nordbank sind eine Risiko für die Hauptanteilseigener Hamburg und Schleswig-Holstein. Dazu kommt jetzt der strukturelle Niedergang der Reedereien, bei denen die Hansestadt auch mit erheblichen Milliardenbeträgen beteiligt ist. Die Hamburger Politik hat noch ein großes Aufgabenpaket abzuarbeiten und sollte sich daher endlich aus der Untätigkeit in Sachen Struktur- und Regionalpolitik verabschieden.

Wie aber reagiert die Politik auf die Strukturkrisen? Sie spielt den schwarzen Peter der Bundespolitik zu. Horst Melsheimer, Vorsitzender des Zusammenschlusses von 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern und zugleich Präses der Handelskammer Hamburg, forderte die Regierung auf, das Ende 2013 auslaufende »Sofortprogramm Seehafenhinterlandverkehr zur schnellen Beseitigung der wichtigsten Engpässe fortzuführen und zu verstetigen«. Die Hinterlandanbindung der norddeutschen Häfen müsse ein Investitionsschwerpunkt im neuen Bundesverkehrswegeplan werden.

Zudem beharrt die norddeutsche Wirtschaft darauf, dass die Energiewende nur gelingen könne, wenn die Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt sowie die anfallenden Kosten bundesweit aufgeteilt werden. Außerdem solle der Bund der Offshore-Wirtschaft klare Rahmenbedingungen bieten, um ihr Innovationssicherheit an die Hand zu geben.

Dieser Hilferuf dürfte allerdings nur wenig Entlastung bringen.

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