Der rechte Rand

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5. März 2016 Peter Stahn

Investieren in Wohnen und Bildung

Jahrelange Versäumnisse der schwarz-grünen Koalition im Frankfurter Römer insbesondere beim Bau bezahlbarer Wohnungen sowie bei Investitionen in neue Schulen und Kitas wie auch in deren Bestandserhaltung verlangen nach einem Politikwechsel bei den Kommunalwahlen in Hessen am 6. März.

Der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann schmücke sich nach Ansicht der FAZ vom 2. März d. J. zwar regelmäßig damit »Leistungen der Koalition als seine auszugeben. Bei schwarz-grünen Rückschlägen dagegen macht er sich einen schlanken Fuß«. Zumindest verfügt er u. M. nach über die Gabe den Finger auf offene Wunden und Versäumnisse schwarz-grüner Stadtpolitik zu legen. Folgt man seinem kommunalpolitischen Bericht (vgl. auch FAZ vom 26. 03. 16) liegt die größte Herausforderung der nächsten Jahre in der sozialen Gestaltung des Wachstums. Die soziale Schere habe sich schon ein Stück weiter geöffnet als Frankfurt gut tue: »Der nächste Magistrat wird noch ein Stück sozialer agieren müssen«.

Für eine sozial gerechtere Stadtpolitik müsse nach Feldmanns Auffassung in erster Linie mehr Geld zum Bau für bezahlbare Wohnungen in die Hand genommen werden, Baugebiete müssten schneller ausgewiesen werden und preiswerter gebaut werden. Durch Mietpreisbremse, Milieuschutz, Anwendung des Vorkaufsrechts der Stadt und Konversion von Büroraum müsse der Markt beeinflusst werden (FAZ v. 23.2.16).

Zur Mietpreisbremse und Milieuschutz gab es kürzlich ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (AZ.: VIII ZR 217/14). Danach dürfen Mieten innerhalb von fünf Jahren nur um 15 Prozent erhöht werden. Diese Kappungsgrenze gilt für alle Stadtteile gleichermaßen. Bei neuen Mietverträgen dürfe die Miete maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Damit bekommen Städte und Gemeinden einen weiteren Gestaltungsspielraum (vgl. FAZ v. 5.11.15), den sie aber auch nutzen müssen. In Frankfurt ist dieser Spielraum noch nicht genutzt. Besonders  fällt dabei auf, dass die städtische Frankfurter Wohnungsgesellschaft ihre Mieten regelmäßig erhöht und bis auf das Mietspiegelniveau anhebt.

Zur Möglichkeit der Konversion von Büroraum in Wohnungen weist Kipping von der Linken darauf hin, dass in Frankfurt trotz besorgniserregendem Fehlbestand an Wohnungen außerdem 1,5 Millionen Quadratmeter Büroraum aus Spekulationsgründen leer stünden: »Spekulation ist aber kein Menschenrecht, Wohnen schon«.

Nicht ohne Grund nannten bei der Bürgerbefragung im vergangenen Jahr in Frankfurt 40 Prozent der Befragten das Thema Wohnungsmarkt als ihre dringlichste Sorge. Zahlen bestätigen das: In Frankfurt allein fehlen 35 000 bis 40 000Wohnungen, aber auch in Kassel, Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt. Bis 2030 wird die Bevölkerungszahl in Frankfurt voraussichtlich um 100 000 steigen.

Wohnungsmangel in Hessen und besonders in Frankfurt besteht nicht wegen der Flüchtlinge, es gab ihn schon vorher. Die öffentliche Hand hat sich viel zu lange aus der Wohnungsbaupolitik herausgehalten. Jetzt fehlt es an Sozial- und bezahlbaren Wohnungen. Von den noch existierenden 110 000 Sozialwohnungen für Mieter mit Wohnberechtigungsschein. Aber Jahr für Jahr fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue dazu kommen. In den Städten fehlen besonders viele bezahlbare Wohnungen. Bundesweit fehlen mindestens 350 000 Wohnungen pro Jahr, in Hessen allein mindestens 50 000 pro Jahr.

Im Brennpunkt der Kritik steht dabei die Politik der städtischen Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft AGB.  Sie baue zu wenig  geförderte Wohnungen. Nur 38 Prozent der neu gebauten Wohnungen sind öffentlich gefördert. In Frankfurt geht der Bestand  geförderter Wohnungen Jahr für Jahr zurückgeht. Anfang der neunziger Jahre gab es noch fast 68 000 Sozialwohnungen, heute sind es weniger als 30 000. Fast die Hälfte  dieser Wohnungen gehört der AGB. Die Gründe für den Schwund sind vielfältig: Sozialwohnungen werden nur auf Zeit gefördert, die Bindung ist massenhaft ausgelaufen. Bund und Land haben sich über Jahre hinweg aus dem geförderten Wohnungsbau zurückgezogen. Die Stadt steuert diesem Trend zu wenig entgegen. Die Linke wirft der seit 2006 regierenden schwarz-grünen Koalition zudem vor, falsche Prioritäten gesetzt zu haben. So hätte an erster Stelle der soziale Wohnungsbau gefördert werden müssen, anstatt die kostspielige Altstadtrekonstruktion zu finanzieren.

Ebenso türmen sich die Versäumnisse der Politik in der Bildung. Aufgrund der steigenden Kinderzahl braucht die Stadt mehr Kitas, Schulen und Lehrer: »Der Zustand vieler Schulen in unserer Stadt ist erschreckend«, so Feldmann. Und nach Ansicht der Linken benötige die Stadt für die nächsten fünf Jahre 500 Millionen zum Erhalt und Ausbau von Schulen und Kitas und zwar zusätzlich zu den jährlichen Bildungsinvestitionen von bis zu 180 Millionen. Die Idee vom sozialen Aufstieg durch Bildung scheitere ihrer Meinung nach in Frankfurt an maroden und fehlenden Schulen und sei ein Versagen von Schwarz-Grün.

Die entscheidende Stellschraube für die Einnahmen der Stadt und Grundlage kommunalpolitischen Handelns in Sachen Wohnen und Bildung ist der Hebesatz der  Gewerbesteuer und zugleich mit Abstand die wichtigste Einnahmequelle der Stadt Frankfurt. Um die richtige Höhe des Hebesatzes wird heftig gestritten. Der Hebesatz beträgt in Frankfurt 460 Punkte. In Deutschland liegt er in München (490), Dortmund (485) und Köln (475) höher als in Frankfurt. Jeder weitere Punkt würde Mehreinnahmen um vier Millionen bedeuten. Im Streit über die richtige Höhe gibt es zwei eindeutige Lager (vgl. FAZ v. 4.1.16). Darin sind sich SPD, Linke und Grüne einig: Der Hebesatz müsse erhöht werden, um in die wachsende Stadt investieren zu können.

Der Streit um den richtigen Weg zu bezahlbarem Wohnen und Bildungschancen für alle Bürger können die Wähler am 6. 3. entscheiden Aus der letzten Kommunalwahl 2011 ist allerdings die Erkenntnis gewachsen, dass nicht nur die Wahlbeteiligung wie in anderen Großstädten sinkt, sondern auch in armen Stadtteilen deutlich weniger Bürger zur Wahl gehen als in reichen. Schlusslicht im Ranking nach der Wahlbeteiligung bildet in Frankfurt das Gallus. Direkt davor liegen die Statteile Griesheim, Innenstadt, Höchst und Fechenheim. In diesen Stadtteilen leben die meisten Menschen, die auf Arbeitslosengeld oder andere Sozialleistungen angewiesen sind und am wenigsten Chancen auf sozial gerechte Beteiligung am Wohnen und an Bildung haben. Ihnen fehlt zudem der Kontakt zu Gewerkschaften und Parteien. Und gerade auch in Stadtteilen wie dem Gallus beginnt der Prozess der Gentrifizierung mit steigenden Mieten, der bei den Bewohnern die Angst verbreitet aus der Stadt verdrängt zu werden, weil sie die Mieten nicht bezahlen können.

Nach einer Untersuchung über den Einfluss der Parteien und ihren Wahlkampf mit dem Titel »Asymmetrische Mobilisierung« bedenken in Frankfurt vor allem CDU, FDP und Grüne vorrangig die wohlhabenden bürgerlichen Stadtteile mit ihrem Wahlkampf, in denen die Beteiligung an der Wahl traditionsgemäß hoch ist (vgl. FAZ v. 15.2.16). Ob dieses bewährte Muster für die Schwarz-Grüne Koalition im Frankfurter Römer auch diesmal wieder ausreicht ist fraglich. Nach jüngsten Prognosen gibt es eine Wechselstimmung in Frankfurt, vor allem festgemacht an den hohen Mieten, dem Mangel an Wohnraum und letztlich dem sich verbreitenden Gefühl der sozialen Spaltung, der in Zukunft von der Stadtregierung entschlossener entgegenzutreten sei. Ob es der Linken und der SPD gelungen ist, sich den Nöten der Menschen auch in den ärmeren Vierteln im Wahlkampf besonders angenommen zu haben und für die Menschen eine Alternative geboten zu haben, werden wir an der Wahlbeteiligung in den Stadtteilen und an den Wahlergebnissen ablesen können.

Nicht zuletzt lehnen die Frankfurter Gewerkschafter eine Stadt der Ausgrenzung, eine Stadt der Reichen und Wohlhabenden in ihren Aufrufen ab und fordern uns zur Kommunalwahl auf: »Wählen gehen« für bezahlbares Wohnen, Wirtschaft für die Menschen, chancengleiche Bildung und Ausbildung, benutzerfreundlichen Öffentlichen Verkehr, lebendige Demokratie, Kultur für alle, soziale Integration und gerechte Finanzierung. Diesem Aufruf folgen wir gerne.

Übrigens: Im Flugverkehr, neben Wohnen und Bildung das dritte heiß umkämpfte Thema im Rhein-Main-Gebiet, müsse, so Feldmann, der Lärm kontinuierlich reduziert werden, auf dass die Bewohner wieder ihre Nachtruhe hätten. Da unterscheiden sich der Oberbürgermeister und seine Frankfurter SPD von ihrer wirtschaftsfreundlichen Parteimehrheit in Hessen, angeführt vom Landesvorsitzenden Schäfer-Gümbel, der eine Ausweitung des Nachtflugverbots am Frankfurter Flughafen strikt ablehnt (wir berichteten darüber am 16.2.). Ein striktes Nein zum Ausbau des Flughafens und ein eindeutiges Votum für die Erweiterung des Nachtflugverbots kommen nur von der Linken.

 

 

 

 

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