Der rechte Rand

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25. Juli 2013 von Joachim Bischoff und Norbert Weber

HSH Nordbank – der ehemalige Marktführer im Sog der Schifffahrtskrise

Vor der 8. Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts wurde der Strafprozess gegen den früheren Vorstand der HSH Nordbank eröffnet. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelte mehr als zwei Jahre lang und vernahm Dutzende von Zeugen, ehe sie eine 600 Seiten starke Anklageschrift einreichte. Weitere eineinhalb Jahre vergingen, ehe das Gericht die Anklage zur Verhandlung zuließ.

Die Staatsanwaltschaft wirft den sechs Angeklagten Untreue in einem besonders schweren Fall vor. Sie sollen mit einem komplizierten Finanzgeschäft im Dezember 2007 der Bank einen Schaden von 158 Mio. Euro zugefügt haben. Die Vorstände hätten auf der Grundlage der ihnen vorgelegten Unterlagen die Chancen und Risiken des Geschäfts nicht hinreichend prüfen können und damit ihre Pflichten verletzt, heißt es in der Anklage.

Die Verteidigung von zwei Angeklagten beantragte, die Anklageschrift, so wie vom Gericht zugelassen, in einigen Punkten nicht zu verlesen, da sie teilweise zu wertend sei. Die Unschuldsvermutung werde dadurch nicht gewahrt. Auch die Richter wurden von den Verteidigern abgelehnt. Die Einsprüche wurden abgewiesen, aber die Öffentlichkeit kann sich drauf einstellen mit harten juristischen Gefechten konfrontiert zu werden.

Für die Bank ist diese Publizität sicher nicht geschäftsfördernd. Aber auch ohne die Machenschaften der ehemaligen Vorstände, von denen ja nur ein kleiner Teil zur Verhandlung kommt1, hat das Finanzinstitut sich redlich bemüht, das Misstrauen gegen das Geschäftsmodell beständig zu aktualisieren. Die Bank lebt nicht von überzeugenden Anstrengungen eine neue Entwicklungsrichtung einzuschlagen, sondern zählt auf die Nibelungentreue ihrer politischen Förderer.

Vor wenigen Wochen wurde der Bank durch Mehrheitsentscheidungen in den Landesparlamenten von Kiel und Hamburg eine Wiederaufstockung des Garantierahmens auf 10 Mrd. Euro bewilligt. Diese Entscheidung wurde von  wichtigen angehörten Experten abgelehnt. Trotz der erneuten Geldzufuhr stufte die Ratingagentur Moody´s die Bank im Langfrist- und im Kurzfristrating zurück. Offizielle Begründung ist, dass die endgültige Zustimmung der EU-Kommission zur Garantieerhöhung noch aussteht und keineswegs sicher ist. Damit hat die Bank im Rating die unterste Stufe vor Ramsch-Niveau erreicht. Sowohl Hamburg als auch Schleswig-Holstein ließen verlautbaren, die Entscheidung von Moody´s käme nicht überraschend. Dies ist anzunehmen, da die Eigentümer sicherlich bereits zeitlich vor der Garantieerhöhung über die drohende Herabstufung informiert waren.

Aber die Unsicherheit bei der Genehmigung durch die EU-Behörden ist das eine. Der eigentliche Grund für die Herabstufung ist allerdings darin zu suchen, dass die HSH Nordbank tief im Strudel der Schifffahrtskrise hängt und mit ihren Leidensgenossen Commerzbank und Nord LB auf der Flucht vor der Insolvenz oder der Schließung durch die Bankaufsicht ist.
Laut Statistik der Bundesbank haben die 12 größten schiffsfinanzierenden Banken noch einen Schiffskreditbestand von etwa 100 Mrd. Euro in ihren Büchern. Davon entfällt allein auf die HSH Nordbank ein Anteil von mehr als 25%. Damit sitzt die HSH Nordbank auf einem riesigen Berg toxischer Kredite und Wertpapiere, hauptsächlich bestehend aus dem Schiffskredit-Portfolio über immer noch etwa 26 Mrd. Euro. Laut Aussage des aktuellen Vorstandsvorsitzenden von Oesterreich sind 50 % davon ausfallgefährdet bzw. werden nicht ordnungsgemäß mit Kapitaldiensten bedient. Das bedeutet allein für das Schiffsportfolio ein Risiko über fast 15 Mrd. Euro.

Die Welt der Schiffsbanken hat sich in den vergangenen Jahren radikal geändert. Nach jahrzehntelangem Boom ist die Schifffahrt in eine hartnäckige Krise geraten. Überkapazitäten drücken auf den Markt, die Fracht- und Charterraten bewegen sich in einem Dauertief. Viele Schiffe können Zins und Tilgung nicht mehr erwirtschaften.
Die Schiffsbanken müssen also hohe Risikovorsorge treiben. Ein Großteil des  Kredit-Rekordvolumens, das durch deutsche Banken vergeben wurde, ist mittlerweile ausfallgefährdet oder mit Zahlungen im Verzug. Die NordLB, die rund 18 Mrd. Euro an den Sektor verliehen hat, musste im ersten Quartal ihre Risikovorsorge im Kreditgeschäft weiter aufstocken und schreibt rote Zahlen. Die Branche rechnet nicht damit, dass die Schifffahrtskrise im nächsten Jahr zu Ende geht, allenfalls im übernächsten.

Die Commerzbank will deshalb vorübergehend sogar einige Schiffe über eine Tochtergesellschaft in die eigene Bilanz nehmen und von externen Experten betreiben lassen, um sie nicht verkaufen zu müssen. Denn auch die Preise für gebrauchte Schiffe haben einen Tiefpunkt erreicht. »Das werden aber nur einige wenige zukunftsfähige Schiffe sein«, sagte der Chef der Sparte.

Auch die HSH Nordbank, immer noch größter Schiffsfinanzierer weltweit, hat vor einigen Wochen eine Ausflucht vorgestellt, mit der der Verkauf von Schiffen oder besser die Verschleuderung vermieden werden soll. In einer Kooperation mit einer griechischen Reederei soll sichergestellt werden, dass die Bank von einer möglichen Erholung der Schifffahrtsmärkte von 2015 an profitiert.

Wie sich die deutschen Reeder künftig mit Eigen- und Fremdkapital versorgen wollen, ist die spannendste Frage in der Branche. Die Hamburger Rickmers-Gruppe hat gerade eine Unternehmensanleihe über bis zu 200 Mio. Euro aufgelegt und zahlt dafür knapp neun Prozent Zinsen. Dieser Weg dürfte nicht allen Reedereien offen stehen; viele sind auf den Gang an den Kapitalmarkt nicht vorbereitet. Die meisten Experten rechnen deshalb mit einer Konsolidierung, bei der kleinere Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. Die deutsche Handelsflotte von rund 3.800 Schiffen, die drittgrößte der Welt, wird daher in den nächsten Jahren schrumpfen. Und dieser Verlust schlägt auf die Schiffsbanken durch.

Wenn man die von der HSH Nordbank bisher getätigten Abschreibungen und Wertberichtigungen hierauf mit den entsprechenden Vorsorgen anderer Banken vergleicht, so hat die HSH bisher viel zu geringe Risikovorsorge getroffen. Die HSH hat Kredite im Volumen von 26 Mrd. Euro vergeben, die etwa 2.800 Schiffe umfassen. Bis Ende 2012  wurden rund 500 Mio. Euro für Nettokreditverluste zurückgestellt – ein Großteil davon für die Schifffahrtsbranche. In 2013 wurde die Risikovorsorge bisher auf 1,2 Mrd. Euro erhöht. Die Nord/LB hat allerdings im Mai 2013 ihre Risikovorsorge im Bereich Schiffskredite versiebenfacht.

Betrachtet man die Erlösstruktur und -größenordnungen der Bank aus operativem Geschäft und stellt die Kostenstruktur und -größenordnungen dem gegenüber, so ist klar, warum die Bank diese Risikovorsorgen schon allein aus Kostengründen gar nicht ordnungsgemäß bilden kann. Abschreibungen sind betriebswirtschaftlich Kosten und somit ergebniswirksam. Würde die Bank die 3-5 Mrd. Euro zusätzlich notwendige Abschreibungen buchen, wäre sie mit diesen Beträgen im Verlust. Fakt ist: Sie verdient noch nicht einmal ihre Abschreibungen.
Die HSH Nordbank befindet sich in einem höchst fragilen und überaus anfälligen Sanierungsprozess. Jedes noch so kleine Problem, welches von anderen Banken locker weggesteckt würde, könnte für die HSH Nordbank das Aus bedeuten.

Die Bankverantwortlichen der HSH Nordbank werden nicht müde, eifrig zu bekunden, sie wären fremdbestimmt und hätten diese Negativentwicklung nicht zu verantworten. Wenn man sich jedoch die reinen Fakten ansieht, so haben die Bankverantwortlichen sehr wohl durch eigenes Handeln den erneuten Negativsog verstärkt. Die Bank sitzt nicht nur auf schlechten Risiken, die sie vor 2009 aufgebaut hat. Auch danach hat sie sich zunächst munter weiter im Schifffahrtsgeschäft engagiert. So hat sie massiv in Schiffsfonds-Konstrukte investiert, die nun dazu beitragen, dass sie erneut den Rand der Insolvenz geraten ist. »Schiffsfonds-Konstrukte« deshalb, weil nicht direkt in Schiffe, sondern über die Finanzierung der Fonds auch in »weiche« Bestandteile wie Verkaufsprovisionen (teilweise bis zu 30% der herausgelegten Kredite) investiert wurde. Diese »weichen Faktoren addieren sich zu den Verlusten dieser Fonds durch sinkende Frachtraten und Nichtauslastung der Schiffe und bringen sie und damit auch die HSH Nordbank in große finanzielle Schwierigkeiten.

Die HSH Nordbank hat großteils Schiffe von Fonds und Chartergesellschaften finanziert. Da der Markt nunmehr deutlich enger geworden ist und die Überkapazitäten steigen, legen die Reedereien in ihrer Not Teile ihrer Schiffe still und nehmen sie aus dem Markt. Laut Aussage von Verantwortlichen der Hapag-Lloyd nehmen Reeder dabei natürlich zunächst die gecharterten Schiffe aus dem Markt, um ihren eigenen Schiffen die Frachtraten zu sichern.

Selbst als ebenfalls stark engagierte Wettbewerber wie die Commerzbank Anfang 2012 die Reißleine gezogen haben und sich aus dem Schiffsfinanzierungsmarkt verabschiedeten, haben bei der HSH Nordbank immer noch nicht die Alarmglocken geläutet. Außer dem Transfer von Schiffs-Engagements in die eigene Bad-Bank »Restructuring Unit« oder die Bildung von Interimslösungen wie z.B. die Initiative »Frachtschiffkontor Bahia ‚GmbH und Co. KG« (eine Poollösung initiiert mit einigen Reedern zur Vermeidung von Insolvenzen) sind keinerlei Antikrisenmaßnahmen getroffen worden. Das sind alles seitliche Verschiebungen der Probleme, die sie nicht lösen. Die verantwortlichen Banker sind erneut »sehenden Auges« in eine weitere Krisensituation hinein geschlittert. Und wieder soll es aus Steuergeldern gerade gebogen werden. Der erste Sanierungsschritt war die Erhöhung der Ländergarantie um erneut drei Mrd. Euro, weitere Schritte zu Lasten öffentlicher Kassen werden ganz sicher folgen.

Die Banken müssen zu einer Restrukturierung der Schiff-Kredite kommen. Die Konzentration uneinbringlicher Forderungen, die die deutschen Banken angesammelt haben, zählen zu den höchsten in einer Region in der Geschichte. In einigen dieser Portfolios sind die ausgegebenen Kredite deutlich höher als der Wert der Vermögenswerte. Die Schiffe werden aber nicht am Wert gewinnen. Die beständige Verschiebung der vorhandenen Überkapazitäten ist keine Lösung, zumal die Wachstumsaussichten für den globalen Schifftransportmarkt sich deutlich eingetrübt haben.

Der Ausblick für die globale Schifffahrtsindustrie bleibt laut dem letzten Bericht von  Moody‘s für die nächsten zwölf bis 18 Monate weiter negativ. Die Neueinführung von Kapazität übertreffe die Nachfrage nach Stellplätzen auf den meisten Routen, schreibt die Ratingagentur. Schon seit Juli 2011 bestehe ein unausgeglichener und schwieriger Markt. »Die beträchtliche Überkapazität wird die Frachtraten zumindest für die nächsten 18 Monate beschränken und sich damit insbesondere auf die Einnahmen im Trockenschüttgutmarkt und Rohöltankerbereich auswirken. Fallende US-amerikanische Rohölimporte und die sinkende europäische Nachfrage werden wahrscheinlich die auf dem Seeweg beförderten Lieferungen vermindern.« Es ist zu erwarten, dass die Erlöse der globalen Schifffahrtsindustrie in 2013 um fünf bis zehn Prozent zurückgehen. Die Schiffsfinanzierung wird gering und auf bestimmte Banken begrenzt bleiben. In 2014 sollen sich die Aussichten verbessern, da die angebotene Überkapazität schrumpft. Trotzdem bestehen hohe Risiken, da sich die globale Erholung in den letzten Monaten abgeschwächt hat.

Die politischen Instanzen haben bislang jeden Punkt einer vermögensschonenden Abwicklung der HSH Nordbank verpasst. Das Drama in Hamburg und Kiel: Unter dem Aspekt der Schadensbegrenzung wurde beständig frisches Geld nachgeschossen oder der Garantierahmen erhöht. Die Bank muss schnellstens restrukturiert und somit in eine schonende und kontrollierte Abwicklung geführt werden. Diesbezügliche Maßnahmen müssten unverzüglich eingeleitet werden. Alles andere wird in einem finanziellen GAU zu Lasten der öffentlichen Kassen enden.

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