28. November 2018 Joachim Bischoff / Norbert Weber
HSH-Nordbank – Alltagsprobleme einer privatisierten Bank
Die HSH Nordbank ächzt unter der anstehenden Privatisierung. In den ersten neun Monaten 2018 habe die Bank einen Verlust in Höhe von 102 Mio. Euro eingefahren, teilte das Geldhaus Mitte November in Hamburg mit. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hatte die Bank noch einen Gewinn von 176 Mio. Euro verzeichnet. Man gehe im Zusammenhang mit der Privatisierung und der laufenden Umstrukturierung von weiteren Belastungen aus. Die Bank rechne für das gesamte Geschäftsjahr 2018 mit einem Minus von 100 Mio. Euro.
Alle Prüfauflagen sind erfüllt. Der Verkauf wird rechtskräftig. Anfang November hatte die Bank mit einem konkreten Plan für den Wechsel aus dem öffentlich-rechtlichen Lager in den Einlagensicherungsfonds der privaten Banken eine der letzten Hürden aus dem Weg geräumt. Nun hat auch die EU-Kommission ihre Zustimmung zum Verkauf erteilt. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein hatten die HSH Nordbank Ende Februar auf Druck der EU-Kommission für rund eine Mrd. Euro an eine Gruppe von US-Finanzinvestoren um die Investmentgesellschaft Cerberus und den Investor J.C. Flowers veräußert. Das unter einem Berg problematischer Schiffskredite ächzende Institut war zuvor mit Steuermilliarden vor der Pleite bewahrt worden.
Trotzdem: Nach vielen Prüfauflagen ist die Privatisierung der Bank jetzt endlich abgeschlossen. ´Frau Heinold, Finanzministerin in Schleswig-Holstein erklärte auf der Abschiedspressekonferenz: Man ziehe einen Schlussstrich unter ein langes wie schmerzhaftes Kapitel. »Durch eine verantwortungslose Expansionsstrategie und eine lange Kette von Fehlern ist aus einer kleinen Landesbank ein Milliardengrab geworden.« Der Hamburger Finanzsenator Dressel schaut melancholisch auf den hinterlassen Schuldenberg: Wegen hoher Belastungen für die Länderhaushalte sei es »wahrlich kein Tag zum Jubeln, aber doch ein Tag der Erleichterung«.
Die EU-Kommission sieht dagegen positiv in die Zukunft: »Die deutschen Behörden haben für die HSH Nordbank eine tragfähige Lösung gefunden, die keine weitere staatliche Unterstützung für die Bank erforderlich macht«, meint die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. »Auf der Grundlage des Geschäftsplans des neuen privaten Eigentümers kann die HSH zu einem rentablen Marktteilnehmer werden, der die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auch weiterhin unterstützt.« Dies ist angesichts der Probleme in der realexistierenden Banklandschaft eine kühne Annahme.
In der Bank, die künftig unter dem Namen »Hamburg Commercial Bank« (HCOB) agiert, herrscht keine Erleichterungsstimmung. Die neuen Eigner und das alte Management proklamieren eine Rosskur: mehr Umsatz mit weniger Personal. Der Quartalsbericht zu Ende September spricht eine klare Sprache: Die Bank verdient zu wenig Geld. Laut Quartalsbericht 3/18 hat sich der Gesamtertrag von 993 Mio. Euro in Q3/17 auf aktuell 488 Mio. Euro in Q3/18 reduziert und damit halbiert. Der Vorsteuergewinn lag bei acht Mio. Euro. Nach Abzug der Steuern stand unter dem Strich jedoch ein Konzernverlust von 102 Mio. Euro. Einsparungen, eine solide Geschäftsentwicklung (?) sowie Sanierungserfolge bei den Schiffskrediten hätten Kosten der Privatisierung vollständig ausgeglichen, hieß es. Für das Gesamtjahr 2018 rechnet das Institut weiter mit rund 100 Mio. Euro Vorsteuerverlust. Dies könne sich durch den Eigentümerwechsel aber noch ändern, erklärte die Hamburg Commerical.
Der Verkauf bleibt umstritten. Der Bund der Steuerzahler prangert ihn in seinem aktuellen »Schwarzbuch« als größten Verschwendungsfall Norddeutschlands an. Im Schwarzbuch heißt es : »Gescheiterter Ausflug in die Finanzwelt kostete mindestens 11 Mrd. Euro«. Dies ist sicherlich nur ein Teilbetrag. Bezieht man die Geschäftsperiode seit 2003 mit ein, kommt man unter Anrechnung der Gewinne und der verschiedenen Einschüsse, sowie unter Berücksichtigung des vereinbarten Kaufpreises über eine Mrd. Euro auf rund 30 Mrd. Euro, also pro Bundesland Hamburg und Schleswig-Holstein ein Verlust von 15 Mrd. Euro.
Zur angekündigten Rosskur:
1. Die Bank muss ihre Kosten in den Griff bekommen
Seit der ersten Rettung der Bank aus Steuermitteln 2008/2009 trägt die Bank einen viel zu hohen Kostenblock mit sich herum. Alle entsprechenden Bestrebungen der Bankenführung waren eher halbherzig, konnten sie sich doch immer wieder auf die Ländergarantie über 10 Mrd. Euro verlassen. Eines der daraus resultierenden fatalen Ergebnisse war, dass die Bank viel zu wenig Abschreibungen auf ihre Schrottkredite bildete und diese schlechten Risiken mit viel zu hohen Buchwerten in ihrer Bilanz führte. Auch das musste aus Steuergeld ausgeglichen werden, die ländereigene HSH Portfoliomanagement AöR zahlte nicht nur den Marktwert über etwa 2,4 Mrd. Euro für die notleidenden Schiffskredite, sondern auch noch aus Garantieinanspruchnahme die Differenz zu den zu hohen Buchwerten über weitere 2,6 Mrd. Euro auf die Schiffskredite. Das Steuergeld wurde schlichtweg versenkt.
Die Garantie ist von der Bank nun vollständig in Anspruch genommen worden und die neuen Eigentümer werden sich nicht auf diese Kostensituation der Bank einlassen, die Kosten müssen runter! Der Vorstandsvorsitzende Ermisch bereitet seine Mitarbeiter schon mal auf Personalabbau ein, beschreibt dies mit einem »immensen Kraftakt«. Ermisch selbst hat in einer internen Mitarbeiterinformation angekündigt, der Einsatz von Personal- und Sachkosten solle effizienter werden. Die Bank werde künftig mit »deutlich schlankeren Strukturen« tätig sein, um profitabler zu werden. »Unser Back-Office ist noch zu groß.«Allein durch den Wegfall der Abbaubank und das Ende der Garantie der bisherigen Eigner Hamburg und Schleswig-Holstein fielen bestimmte Aufgaben nun weg. Vermutlich werden deutlich mehr als 600 Stellen abgebaut werden müssen.
Wir haben noch die Argumente der regierenden SPD/Grünen-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft im Ohr, die die erneute Rettung der Bank aus Steuergeldern damit rechtfertigte, die Arbeitsplätze zu sichern. Hat prima geklappt, das Steuergeld ist weg und die Arbeitsplätze jetzt auch. Medienberichten zufolge wird der Standort Kiel komplett geschlossen werden. Unterstrichen wird diese Annahme schon durch den neuen Namen der Bank: aus »HSH-Nordbank« (HSH für Hamburg/Schleswig-Holstein) wird die »Hamburg Commercial Bank«.
2. Gläubiger von Tier-1-Anleihen der HSH Nordbank gehen auf die Barrikaden
Anfang November veröffentlichten Anleihegläubiger im Volumen von rund einer Mrd. Euro eine Stellungnahme zur Restrukturierungsankündigung der Bank. Sie sehen sich im anstehenden Verkaufsprozess als benachteiligt, ihre Anleihen erlitten deutliche Kursverluste durch die Ankündigungen der Bank, Schritte zu Verschlankung und Stärkung der Eigenkapitalbasis, u.a. durch Umstrukturierung von Anleihen vor deren Ablauf (sogenanntes Liability Management Exercise, kurz LME) vornehmen zu wollen.
Auch die Schutzgemeinschaft deutscher Kleinanleger, kurz SdK, hat sich öffentlich eingeschaltet und alle Anleihegläubiger der HSH-Nordbank aufgefordert, sich der wahrscheinlichen Sammelklage anzuschließen. Ziel soll wohl die Verhinderung des Verkaufsprozesses sein.
Das finanzielle Desaster für die beiden Bundesländer dürfte mit dem Verkauf der Bank noch lange nicht vorbei sein. Schleswig-Holsteins Ministerin Heinold hat vergangene Woche schon mal angekündigt, in 2019 mehr Schulden wegen den Folgekosten aus der HSH-Rettung machen zu müssen als geplant.
3. Über Deutschland schwebt ein neuer Steuerskandal
Nach Cum-Ex und Cum-Cum wurde nun eine weitere Masche des Steuerbetrugs von Teilen der Banken aufgedeckt: dubiose Aktiengeschäfte über Aktienzertifikate, sogenannte American Depositary Receipts (ADRs). Hierbei handelt es sich um »Phantom-Papiere« (Platzhalter), die in den USA gehandelt werden, jeweils unterlegt durch direkte Aktien. Herausgestellt hat sich nun, dass jedoch diese Unterlegung durch »direkte Aktien« oft fehlte. Steuererstattungen an Banken, auch deutsche Banken, erfolgten somit ohne Grundlage und Anspruch. Der Skandal hat auch bereits einen Namen, nämlich »Cum-Fake«.
Bisher war die HSH-Nordbank immer dabei, wenn es um Bankgeschäfte in Grauzonen ging, egal, ob Cum-Ex, Kreislaufgeschäfte oder Geschäfte in Steueroasen. Wir sind gespannt, ob die HSH Nordbank diesmal vielleicht nicht dabei gewesen ist.