5. Juni 2014 Knut Persson
HSH Nordbank AG Prozess: Freiheit für die Frühstücksdirektoren!
Es ist Mittwoch, der 4.Juni 2014 um 9.40 Uhr im Landgericht Hamburg. Der Verteidiger K. des Angeklagten Berger, seinerzeit (Dezember 2007) Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank AG, steht hinter seinem Rednerpult. Nach einer Stunde und vierzig Minuten Plädoyer fordert er Freispruch für seinen Mandanten.
Die Forderung nach Freispruch kommt alles andere als überraschend. Am 28. April hatte der Gutachter H. von der »Frankfurt School of Finance« die Frage beantwortet, ob durch die »Omega 55«-Transaktionen ein Vermögensschaden für die Bank entstanden sei. Antwort: Zwischenzeitlich war zwar ein Schaden zu Lasten der Bank in Höhe von 12 bzw. 26 Mio. Euro (H. präsentierte zwei Varianten: eine Variante ohne und eine mit »Financials«) im Rahmen von Kursschwankungen entstanden. Spätestens 2010 jedoch, gutachtete der Fachmann, war der Schaden wieder aufgeholt. Das war’s für den Prozess.
Zuvor hatte der zahm gewordene Staatsanwalt Bewährungsstrafen von bis zu einem Jahr und zehn Monaten gefordert. Er stellte in seinem Plädoyer lediglich einen Schaden von 53 Mio. Euro fest. Das war ein Rabatt in Höhe von 66% gegenüber seiner Anklage und darüber hinaus auch schwer nachvollziehbar (s.o.). Die »Nebenbeiaspekte« »Bilanzfälschung« und »Urkundenfälschung« gegen Nonnenmacher waren gar nicht erst verhandelt worden im Prozess. Weder für die Untreue noch für die Fälschungen gab es belastbare Dokumente. »Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse«, wird es heißen.
Im Prozess selber gab es seitens der Staatsanwaltschaft dagegen schon mal langanhaltendes Geschrei und verbale Attacken: »Schreien sie nicht so laut, das ist nicht altersgerecht«, herrschte er schon mal einen älteren, in Ehren ergrauten Verteidiger an. Es folgte der Rüffel von der Richterbank. Jetzt beim Plädoyer war davon fast nichts mehr zu spüren. Lediglich die Titulierung des Vorstandes als »Frühstücksdirektorium« sorgte noch einmal für Aufsehen. Ansonsten gab es auf der staatsanwaltlichen Bank eher Begräbnisstimmung.
Merkwürdigerweise waren die Angeklagten beeindruckt von der vierstündigen Ansprache der Staatsanwaltschaft und gaben sich kleinlaut in der Kantine. Ihre Verteidiger hatten ihnen wohl eingeheizt und ausgeführt, sie würden das Ruder herumreißen, was wohl nicht nötig war. Das hatte Gutachter H. schon vorher getan. Nonnenmacher aß unverdrossen seine x-te Currywurst mit Pommes in der Kantine.
Am 25. Juni folgen die Plädoyers der anderen vier Verteidiger, dann der Freispruch durch die Richter. Doch HALT: »Vor Gericht und auf hoher See ist man verloren«, lautet ein alter Juristen-Schnack. Anschließend wechselt der Vorsitzende Richter vom Landgericht zum Oberlandesgericht. Dort kann er dann die Revision seines Urteils weiter verfolgen – unter Umständen.
Die »Sorgfaltspflicht« war im Prozess und auch im parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss (PUA) in Hamburg ein häufig behandeltes Thema. Die beiden Plädoyers der Verteidiger von Berger und Nonnenmacher bestritten energisch ein Versagen. Es gab allerdings deutliche Belege für ein eklatantes Versagen der Vorstände. Fachleute und Banker im Auditorium bejahten, dass bei der Bank eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorlag. Ein Gutachter betätigte das Versagen des Vorstandes in diesem Punkt. Doch die Ironie des Geschehens war, dass beim Projekt »Omega 55« trotz aller Schlampereien kein Vermögensschaden zu konstatieren war – nur ein zeitweiser Liquiditätsengpass.
Und die Bestrafung der Angeklagten? Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, wird es heißen – aber nur im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen. So ein Wirtschaftsverteidiger kostet Geld – mehr als die Staatskasse bereit ist, zu zahlen. Und der nicht unerhebliche Rest wird von den Angeklagten zu tragen sein. Bestrafung wofür? Für unsägliche Schlamperei und Naivität im Amte. »Verletzung der Sorgfaltspflicht« (vergl.AktG §93, s.o.) – und davon gab es genug in der Bank, ergab der Prozess – war eben kein Anklagepunkt – wird aber bestraft.
Einer der Angeklagten daddelte während des Prozesses im Internet herum oder legte am Laptop eine Patience. Er glaubte sich unbeobachtet. So ging das wohl zu im Vorstand –damals bei der Verabschiedung von »Omega 55« im Dezember 2007 kurz vor Weihnachten.