25. Februar 2014 Knut Persson
HSH Nordbank AG Prozess: »Fassungslos«
Der Vorsitzende Richter im HSH-Nordbank-Prozess ist »fassungslos«. Was war geschehen? Mehrere Zeugen wurden vernommen, um zu klären, was es mit den »Legal Opinions« auf sich hat, die in Zusammenhang mit dem Projekt »Omega 55« verfasst wurden. Im Kern geht es bei diesen »Legal Opinions« darum, dem Geschäftspartner schriftlich zu bestätigen, dass alle Verträge juristisch geprüft und »sauber« sind. Es geht um die Unterschriftsberechtigung, um die aufsichtsrechtliche korrekte Ausführung und Bewertung von Transaktionen. Kernaussage: »Bank darf die Geschäfte machen«.
»Untreue in einem besonders schweren Falle« lautet die Anklage in diesem Prozess. Der Staatsanwalt spricht von einem Schaden in Höhe von 158 Mio. EUR. Im Zentrum der Untersuchung steht ein undurchschaubares Projekt »Omega 55«, mit dessen Hilfe faule Wertpapiere im Dezember 2007 in ein SPV (Zweckgesellschaft) ausgelagert werden sollen. Der Deal wird über die London Branch der HSH abgewickelt. Der Geschäftspartner ist die französische Bank BNP Paribas, eine der führenden Geschäftsbanken Frankreichs und u.a. im Investment Banking sowie Asset Management tätig.
Um diesen dubiosen Deal abzuwickeln sind sieben (7) Verträge nötig. Sie umfassen insgesamt mehrere hundert(!) Seiten. Die Ausarbeitung der Verträge erfolgt innerhalb weniger Tage. »Textbausteine« sind vorfabriziert und werden in die Verträge eingebaut. Die Bank beauftragt dazu international arbeitende Anwaltskanzleien (in diesem Falle »Norton Rose«, aber auch die Anwaltskanzlei »Freshfields« ist involviert). Der Vorsitzende Richter sagt, er hätte mehrere Wochen gebraucht, um die Verträge durchzuarbeiten. Drei SPVs – Zweckgesellschaften – benötigt der »Zwei Milliarden Deal«, um die Auslagerung von faulen Wertpapieren zu realisieren. Die drei SPVs sind Mathias Ltd, Newco Financial Services und Omega Capital.
Am 24.2.2014, 11.00 h betritt der Zeuge W. aus der Rechtsabteilung der HSH Nordbank den Gerichtssaal, nachdem sein unmittelbarer Vorgesetzter L. ausgesagt hat und umfangreiche Gedächtnislücken präsentierte. Der Zeuge W. ist dafür umso aussagefreudiger. Und was er aussagt, sorgt für Fassungslosigkeit beim Vorsitzenden Richter T.. Es geht um den »Schicksalstag« – so der Verteidiger G. – der HSH Nordbank, den 21.12.2007. Der 21.12. ist ein Freitag und der letzte Arbeitstag vor Heiligabend. Es ist Abend. Der Vorgesetzte von W., Herr L. weilt während dessen schon zu Hause und seine Mitarbeiter segnen derweil den »Zwei Mrd.-Omega 55-Deal« juristisch ab.
W. bekommt den Auftrag, eine »Legal Opinion« anzufertigen. Er ist jung und wenig erfahren und sagt seinem Vorgesetzten am Telefon, er hätte so etwas noch nicht gemacht. Kein Problem erwidert L. am Telefon, sie nehmen einfach eine ältere »Legal Opinion« und wandeln die entsprechend ab. L. erklärt W., wo er diese im PC findet. L. arbeitet die »Legal Opinion« um, indem er u.a. die sieben Verträge auflistet und per Unterschrift die Korrektheit der Verträge blind bestätigt. Er hat diese Verträge nie gesehen, sagt er, geschweige denn eingesehen, geschweige denn bearbeitet.
Er hat Hilfe von Frau S. S. war schon als Zeugin vernommen worden. Frau S. ist eingearbeitet in aufsichtsrechtliche Fragen und hatte schwerste Bedenken gegenüber den Deal geäußert. Sie wird durchgehend von mehreren Zeugen als hochqualifiziert eingeschätzt. S. ist entsetzt und mit den Nerven fertig. W. muss auch noch als »Seelentröster« fungieren. Um 18.15 h hatte L. gegenüber der London Branch der HSH in einer eMail die Angelegenheit als »urgent« bezeichnet. W. telefoniert mit London und wird von dort unter Druck gesetzt. »Ich bin überrumpelt worden«, sagt er im Prozess aus.
Die Überrumpelung sieht so aus: S. und W. formulieren die »Legal Opinion« und bestätigen durch Unterschrift die Korrektheit der Verträge. Sie bestätigen u.a. die Unterschriftsberechtigung der Herren in der London Branch, wo Luis Marti-Sanchez als Leiter (»Global Head London der HSH«) halbtags residiert. Sie bestätigen u.a., dass aufsichtsrechtlich alles in Ordnung ist. Danach wird das Papier nach London geschickt. Dort ist man über die Kooperation aus Hamburg/Kiel hocherfreut und bedankt sich per eMail überschwenglich. Danach knallen in London die Korken. Es ist spät am Abend. Der Vorgesetzte von W., Herr L. (das ist der mit den umfangreichen Gedächtnislücken), schreibt eine eMail um 20.27 Uhr MEZ an London (19.27 UTC). Dort ist »Casual Friday«: mMan erscheint in Jeans zur Arbeit. Man feiert ausführlich und feiert, die »Bloody Germans« überrumpelt zu haben.
Inhalt der eMail von L. an London und W.: »Passt doch?«
Um 14.30 h erscheint der Zeuge G. G. ist Jurist und bei einer Wirtschaftsprüfergesellschaft beschäftigt. Er hat regelmäßig »Legal Opinions« verfasst. Er bestätigt, dass eine Bank üblicherweise eine international agierende Kanzlei beauftragt, die im Namen der Bank die Verträge ausarbeitet. Einiges sei standardisiert, anderes muss ergänzt werden. Die Kanzlei ist wohl die einzige Instanz, die je die Verträge kennt. Juristische Mitarbeiter der Bank rufen dann bei der Kanzlei an und lassen sich telefonisch bestätigen, dass alles in Ordnung sei. Darin besteht dann seitens der Bank die interne »Prüfung« der Verträge. Bestenfalls haben sie die Verträge eingesehen. Nun hatte der Zeuge W. nicht einmal Zeit, irgendwelche Prüfungen anzustellen – es war Freitagabend vor Weihnachten. »Passt nicht!«
Zeit zum Seelentrösten.