5. März 2014 Joachim Bischoff und Bernhard Müller
Hamburger Arbeitsmarkt – Schlusslicht!
Der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, Sönke Fock, musste viel Phantasie aufbringen, um die neuen Zahlen auf dem Arbeitsmarkt zu kommentieren. Die Meteorologen sprechen von einem äußerst milden Winter, was aber bei einigen Arbeitsmarktexperten nicht registriert wurde. Focks tolle These: Der milder Winter habe in Hamburg zu einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. »Dieser Jahresbeginn sei aber durchaus typisch für den Hamburger Arbeitsmarkt der zurückliegenden fünf Jahre, denn großartige Veränderungen in die eine oder andere Richtung gab es in den Monatsvergleichen nie zu berichten.«
Mit einer solch offenkundigen Blindheit können sich die politischen Parteien nicht durch den Alltag schleichen. Hamburg hat ein Problem, auf das die politischen Parteien allerdings nur mit Schweigen oder lauem Alarmismus (CDU:» Der Senat ist jetzt dringend aufgefordert, für mehr Wachstum in der Stadt zu sorgen«) reagieren: Die Lage am Hamburger Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Monaten deutlich eingetrübt. Gegen den Bundestrend (Rückgang der Arbeitslosigkeit um 0,6%) ist die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg im Februar im Vorjahresvergleich deutlich gestiegen. 75.524 HamburgerInnen waren im letzten Monat arbeitslos. Das waren knapp 4.400 oder 6,1% mehr als noch im Februar 2013. Hamburg rangiert damit auf dem letzten Platz im Ranking der Bundesländer. Waren im Februar 2013 noch 7,6% der zivilen Erwerbspersonen in Hamburg arbeitslos, betrug die Quote ein Jahr später 7,9%. Im Bundesdurchschnitt ist diese Quote im Februar 2014 dagegen von 7,4% (Februar 2013) auf 7,3% gesunken.
Diese Abkoppelung des Hamburger Arbeitsmarkts vom Bundestrend war schon im Januar deutlich ausgeprägt. Die Zahl der Arbeitslosen ist zu Jahresbeginn im Vergleich zum Januar 2013 um 4,9% gestiegen, damit den höchsten Stand seit drei Jahren, während im Durchschnitt der Länder ein Rückgang um 0,1% zu verzeichnen war. Schon damals bog der Chef der Arbeitsagentur Hamburg, Söncke Fock, die Zahlen zurecht. Es sei nicht ungewöhnlich, dass es im Januar zu einem deutlich Anstieg der Arbeitslosigkeit komme. »Zum Jahresende enden viele saisonale Beschäftigungsverhältnisse«, sagte Fock Ende Januar. Erklärt ist damit natürlich nicht, weshalb die Entwicklung schlechter war als in den anderen Bundesländern.
Die Februarzahlen haben denn auch Focks Hoffnung, dass mit den Januar-Zahlen schon der Höchststand des Jahres erreicht wurde, widerlegt. Denn auch im Vormonatsvergleich ist die Zahl der Arbeitslosen erneut gestiegen. Zu dieser Negativentwicklung passt, dass die Zahl der freien Stellen seit Monaten zurück geht. Zwar gab es im Februar knapp 12.000 Jobangebote, aber das waren rund 23% weniger als vor zwölf Monaten.
Jetzt bemüht Fock »die frostig-feuchte Witterung und ein unterkühltes Einstellungsverhalten Hamburger Unternehmen« als Begründung für die negativ abweichende Entwicklung am Hamburger Arbeitsmarkt. Nun ist nicht bekannt, dass das Wetter in Hamburg frostiger und feuchter war als in anderen Teilen der Berliner Republik, wo der Rückgang bei den Arbeitslosenzahlen gerade auch in einen Zusammenhang mit dem relativ milden Winter gestellt worden ist. Bleibt als »Argument« nur das »unterkühlte Einstiegsverhalten der Hamburger Unternehmer«. Aber wieso ist das Einstiegsverhalten der Unternehmer in Hamburg »unterkühlter« als im Rest der Republik?
Das HWWI (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut) befeuert den politischen Optimismus in einer im Auftrag der Mittelstandsinitiative der HSH Nordbank erstellten Studie: Das Wirtschaftswachstum in Hamburg werde sich in diesem Jahr auf 1,6% gegenüber 0,8% im Jahr 2013 verdoppeln. Nach der konjunkturellen Delle im Jahr 2013 falle das Wachstum weniger kräftig aus. Also: Hamburg braucht keine wirtschafts- oder arbeitsmarktpolitischen Impulse, denn die Wirtschaft brummt – so auch die BILD-Zeitung. »Die Zahl der Erwerbstätigen in Hamburg und Norddeutschland wird 2014 noch weiter zunehmen.« Bereits zwischen 2006 und 2013 habe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg um fast 16% zugelegt. Das sei die beste Entwicklung im Norden gewesen und deutlich mehr als im Bundesschnitt (plus 11%). Nicht zuletzt in der Logistik werde wegen des zunehmenden Welthandels mehr Personal benötigt.
Statt seriöser Analyse macht die wirtschaftliche und politische Elite auf politisch gewollten Optimismus. Das passt vortrefflich zur Passivität des Hamburger SPD-Senats, der die eh schon bescheidenen Mittel für Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahren, trotz drastischer Kürzungen auf Bundesebene, noch weiter zurückgefahren hat. Ein genauerer Blick auf die hinter Hamburgs Sonderentwicklung auf dem Arbeitsmarkt liegenden Faktoren könnte auch offenbaren, dass die Hamburger Wirtschaft mit ihrer starken Ausrichtung auf die kriselnde maritime Wirtschaft ein Strukturproblem hat.
Für einen Umbau der Hamburger Wirtschaft aber muss man erstens ein Konzept, und zweitens Geld haben. Über beides verfügt die sozialdemokratische Landesregierung nicht. Die hält sich deswegen lieber an die Schuldenbremse, um zukünftige Generationen nicht zu sehr mit Schulden zu belasten. Sind die dann schuldenfrei, haben sie ja ausreichend Ressourcen, um sich um die vielen prekären oder fehlenden Arbeitsplätze, die marode Infrastruktur und eine dysfunktionale Wirtschaftsstruktur zu kümmern.