Der rechte Rand

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17. April 2018 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Hamburg: Politische Kräfteverhältnisse im Fluss

Die Regierungserklärung des neuen Ersten Bürgermeisters, Peter Tschentscher, (SPD) enthielt keine Überraschungen. Der Nachfolger von Olaf Scholz will die Politik seines Vorgängers fortsetzen. Die HamburgerInnen hätten sich in den vergangenen Jahren an gutes Regieren gewöhnt. »Und dieser Senat wird die Erwartungen auch erfüllen.«

Das Regierungsprogramm für die nächsten zwei Jahre enthält keine Überraschungen bereit. Olaf Scholz war zum Abschluss seiner Hamburger Amtszeit durch die Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro die Stunde aufgefallen, ohne auch nur anzudeuten, wie dies unter dem existierenden Mindestlohngesetz verwirklicht werden kann. Tschentscher will dieses Ziel im öffentlichen Sektor jetzt umsetzen und auch hier ist völlig offen in welchen Schritten dies geschehen soll. Einleuchtender die Ankündigung, dass künftig alle Kundenzentren in den Bezirken einheitlich von Montag bis Freitag von 7 bis 19 Uhr geöffnet haben. Ansonsten das übliche SPD-Programm: Investitionen in Wohnungsbau, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Sicherheit. Das Personal der Polizei werde in den kommenden Jahren um 500 Stellen aufgestockt. Allein das Projekt, gemeinsam mit dem Asklepios-Konzern das bisherige AK Altona durch einen modernen Neubau ersetzen zu wollen, fiel aus dem Rahmen des Bekannten.

Resümee: Der neue Bürgermeister unterstreicht, »dass er die verantwortungsvolle Politik der letzten Jahre fortsetzen und zusammen mit Bürgern neue Projekte anstoßen will«. Dies wird freilich unter politischen Geschichtspunkten nicht reichen. Denn in einer repräsentativen Umfrage (Februar 2018) stellen die BürgerInnen dem scheidenden Stadtoberhaupt und der Regierungskoalition ein schlechtes Zeugnis aus. Die Unzufriedenheit vieler BürgerInnen mit Olaf Scholz hat neben dem Unmut über die Wohnungsprobleme vor allem mit dem Agieren beim G20-Gipfels zu tun. Nur noch jeder Zweite war im Februar mit der Arbeit von Scholz zufrieden, vor zwei Jahren lag die Zustimmung noch bei 69%. Unzufrieden sind 42% (2015: 24%).

Die Umfrage war auch für die SPD eine Überraschung. Kam die Partei bei der Bürgerschaftswahl 2015 noch auf 45,6% der Stimmen, waren es im Februar nur noch 28%. Die CDU, die bei der Wahl 2015 nur 15,9% der Stimmen erhalten hatte, käme auf 22%. Die Grünen würden ein Rekordergebnis von 15% erreichen, DIE LINKE käme auf 14%, die AfD auf 10% und die FDP auf 8%.

Dass diese Werte kein bloßer Ausrutscher waren, wurde durch eine weitere Umfrage Mitte April bestätigt: Ihr zufolge würde die SPD 9,6 Prozentpunkte weniger Stimmen bekommen als bei der Wahl 2015. Sie käme nur noch auf 36%, könnte aber weiter mit den Grünen regieren. Für die CDU ist das Ergebnis noch unbefriedigender: In der Sonntagsfrage sagten nur 16% der mehr als 1.000 Befragten, dass sie ihre Stimme der CDU geben würden. Damit liegt die Partei erstmals hinter den Grünen. Die Umfrage traf ziemlich genau das tatsächliche Wahlergebnis der Hamburger CDU vor drei Jahren – und die 15,9% damals waren ihr schlechtestes überhaupt.



Die Umfragen belegen, dass wir (auch) in Hamburg vor einem Umbruch in den politischen Kräfteverhältnissen stehen. Die Hamburger SPD steht zweifellos vor einer großen Herausforderung: Olaf Scholz weg, aktuelle Umfragen prophezeien der Partei so schwache Werte wie lange nicht mehr. Die SPD verliert gegenüber den zurückliegenden Bürgerschaftswahlen deutlich, weil sie mit ihrem Kurs des »ordentlich Regierens« die BürgerInnen der Stadt immer weniger überzeugt.

Die Politik der Haushaltskonsolidierung, für die ja auch und gerade der neue erste Bürgermeister, Tschentscher, steht, hat dazu geführt, dass die großen Probleme der Stadt, wie der Strukturwandel der regionalen Wirtschaft (abnehmende Bedeutung der Hafenwirtschaft) und der Verfall der öffentlichen Infrastruktur sowie die dramatische Situation am Wohnungsmarkt gerade auch vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt nicht angegangen wurden. Zugleich hat Rot-Grün jede Initiative in Sachen verfestigter sozialer Spaltung vermissen lassen. Jetzt hat der rot-grüne Senat angesichts sprudelnder Steuereinnahmen den drastischen Sparkurs etwa bei der Personalausstattung des öffentlichen Dienstes korrigiert und auch in Sachen Mindestlohn eine politische Initiative ergriffen. Die Kurskorrekturen sind beträchtlich – je 700 Mio. Euro höhere Ausgaben in den Haushaltsjahren bis 2019 – , reichen aber bei Weitem nicht aus, um die städtische Gesellschaft auf einen neuen Entwicklungspfad zu bringen.

Anders als die SPD können die Grünen in dieser Konstellation zulegen, sind aber selbst von ihrem Aufschwung überrascht. Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank begründete das gute Abschneiden ihrer Partei damit, dass die Grünen »Antworten geben auf Fragen, die die Hamburger und Hamburgerinnen interessieren«. Die Grünen hätten sich durch Luftreinhaltungspolitik und die saubere Stadt profiliert. Daneben gehe es um grüne Themen der Zukunft wie Wohnungsbau, Bildung und Wissenschaft, öffentlicher Nahverkehr. Auch hier bleibt die konkrete Umsetzung eher im Ungefähren.

Die Christdemokraten verharren dagegen auf dem bei der letzten Bürgerschaftswahl erreichten Umfragetief. Nach der aktuellen Umfrage glauben rund 60% der befragten HamburgerInnen, dass die Christdemokraten bei der nächsten Bürgerschaftswahl chancenlos sein werden und die SPD somit den Bürgermeister stellen wird. Dieses Urteil ist für die CDU katastrophal. Den Hamburger Christdemokraten fehlt das Feingefühl für den Puls ihrer Stadt. Statt auf kluge Spitzen gegen den Senat, setzt man auf einen harten Rechtskurs. Und entfernt sich damit immer weiter vom Modell der modernen Partei, mit dem von Beust einst Wahlen gewinnen konnte. Gleichwohl kündigt CDU-Fraktionschef, Treptoll, trotzig an: Die CDU werde an ihrem Kurs festzuhalten und eine engagierte Oppositionspolitik zu machen.

DIE LINKE

Im Hamburger Parteienspektrum haben die Hamburger Linken ihren festen Platz gefunden – um einen Wiedereinzug in die Bürgerschaft mussten sie bei den vergangenen Wahlen nie wirklich zittern, die letzten Umfragen sehen sie sogar im zweistelligen Bereich.

Der politische Umbruch in der Stadt bietet der Partei nun die große Chance, ihren Einfluss zu stabilisieren und weiter auszudehnen und bei der Zukunftsgestaltung des städtischen Gemeinwesens ein gewichtiges Wort mitzureden. Dazu muss sich DIE LINKE zwar nicht unbedingt neu erfinden, aber doch ihre Konzeptionen für die Zukunft der Stadt überprüfen und ihre Rolle im politischen Feld neu bestimmen. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass die Fraktionschefinnen der Linksfraktion, Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus, in der WELT AM SONNTAG ankündigen, nach der nächsten Wahl für Gespräche mit der SPD bereitzustehen und darüber auch eine offene innerparteiliche Diskussion führen zu wollen.

»Die Situation ist auch durch den Weggang von Olaf Scholz eine andere geworden. Unsere klar formulierte Oppositionsrolle, die wir damals artikuliert haben, können wir nach der kommenden Wahl in zwei Jahren vielleicht nicht mehr durchhalten. Wir stehen in den Umfragen gut da, das Regierungslager hat verloren. Wir sind ehrgeizig und würden auch noch mehr erreichen wollen. Gesprächen über Themen, die uns besonders wichtig sind wie die Armutsbekämpfung, würden wir uns nicht verschließen. Wir wären nicht glaubwürdig, wenn wir erneut von Anfang an sagen würden, dass wir keinesfalls bereit wären für Gespräche mit der SPD.«

Der Markenkern der LINKEN ist das Thema soziale Gerechtigkeit. Mit diesem Thema hat sich die Partei in Hamburg profiliert, und dafür einen stabilen Rückhalt gefunden. Sie hat Armut in ihren verschiedenen Facetten, Langzeitarbeitslosigkeit, aber auch die Wohnungsfrage ins Zentrum ihrer politischen Agenda gerückt. Unter den veränderten politischen Kräfteverhältnissen und einer unter Erneuerungsdruck stehenden Sozialdemokratie macht es deshalb viel Sinn, unter Einbezug von Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen mit Rot-Grün in eine Diskussion über die Zukunft der Stadt zu treten.

Diese Methode der politischen Arbeit ist innerparteilich umstritten. Die Haltung, prinzipiell nur Opposition sein zu wollen, ist verbreitet. Deshalb muss darüber jetzt in der Partei offen diskutiert werden. Nicht nur für die Linkspartei in Hamburg kann mit einem deutlichen Reformkurs ein neues politisches Kapitel aufgeschlagen werden. Mehr noch: In Hamburg kann sich die Chance eröffnen, über eine Öffnung des politischen Diskurses einen Aufbruch in der Stadtentwicklung einzuleiten. Die Hansestadt braucht eine Konzeption über die Wertschöpfung im 21. Jahrhundert, über die Regulierung von Arbeits- und Sozialverhältnissen, einen wirklichen Umbruch in der Wohnungsfrage etc. Die Zeit der inhaltslosen politischen Rhetorik sollte zu Ende sein.

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