11. September 2014 Peter Stahn
»Grünes« Licht für den Flughafenausbau in Frankfurt
Am Dienstag den 12.8.14 – klammheimlich mitten in der Sommerpause – hat die zuständige Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt der FRAPORT AG den Bauantrag für das Terminal 3 genehmigt. Es handelt sich um den Bau eines Milliardenprojekts. Der Flughafen erhält ein weiteres zentrales Terminalgebäude mit zwei Flugsteigen und einer Kapazität von jährlich 14 Millionen Passagieren. Im kommenden Jahr sollen die Bagger rollen. Verantwortlich für die Genehmigung ist Olaf Cunitz, grüner Bürgermeister und Planungsdezernent der Stadt Frankfurt. Hessens Verkehrsminister Tarek Al Wazir (Grüne) verwies bei dieser Gelegenheit erneut auf den Koalitionsvertrag, in dem eine »Bedarfsprüfung des Bauvorhabens« vereinbart wurde.
Von FRAPORT werden indes zum Thema zukünftiger Ausbaubedarf immer wieder die gleichen Zahlen der Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums, die nicht der Realität entsprechen, in Umlauf gebracht. Danach sollen die Flugbewegungen bis zum Jahre 2030 um durchschnittlich 2-3 Prozent steigen. Fast dieselben Zahlen wurden bereits bei der Ausbauplanung des Frankfurter Flughafens (Zeitraum von 2005 bis 2020) zum Bau der Landesbahn Nordwest verwendet. Die Zahl der Flugbewegungen hatte jedoch einen Gipfel in 2007 mit etwa 492.000 und danach fand kein Wachstum mehr statt, selbst nicht nach Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest im Jahre 2011. Die Zahl der Flugbewegungen reduzierte sich bis 2013 auf 473.000 und zum Halbjahresende 2014 ist der Wert gegenüber 2013 nochmals gefallen.
Die in der Entstehung befindlichen Großflughäfen Dubai und Istanbul (50 Km außerhalb) sind bzw. werden für FRAPORT die schärfsten Konkurrenten in Bezug auf ein internationales Drehkreuz. Deshalb kann in diesem Segment kein Wachstum prognostiziert werden. Auch die innerdeutschen Flüge sind laut Meldung des Münchner Flughafens vom Juli 2014 um ca. 5% gefallen.
Eine weitere Mär ist der Jobmotor Flughafen. Die Anzahl der Beschäftigten des FRAPORT- Konzerns fiel allein im Zeitraum vom 30.06.2013 bis zum 30.06.14 um 415 Mitarbeiter. FRAPORT hat einen Anteil von weniger als 0,8% an der Zahl der Beschäftigten im Rhein-Main-Gebiet. Auch haben viele der um den Flughafen herum entstandenen Arbeitsplätze, mehr mit der zentralen Lage in Europa, als mit dem Flughafen zu tun. FRAPORT hatte noch 2011 für 2015 mehr als 94.000 direkt Beschäftigte am Frankfurter Flughafen versprochen. Gegenwärtig gibt es 78.000 Beschäftigte auf dem Gewerbegebiet Frankfurter Flughafen. Davon sind jedoch nur 21.000 bei FRAPORT – und zwar weltweit – angestellt. Der Rest der Arbeitsplätze befindet sich in den vielen Firmen, die auf das Gelände lediglich umgesiedelt wurden und keine neuen Arbeitsplätze geschaffen haben.
Bevor entgegen aller früheren Versprechungen beschlossen wurde, den Flughafen Frankfurt doch auszubauen, gab es diverse Ausbauszenarien. Eines davon war die Variante kein Ausbau, eine Steigerung des Betriebes nur durch technische Verbesserungen innerhalb des bestehenden Flughafengeländes und der Luftfahrttechnik.
Die Variante kein Ausbau beinhaltete laut Planfeststellungsbeschluss eine Zunahme der Flugbewegungen von 490.000 im Jahre 2005 auf 520.000 und der Passagierzahlen von 52 Millionen im Jahre 2005 auf 64 Millionen im Jahre 2020. Also eine Steigerung der Flugbewegungen um 0,4 Prozent und eine Steigerung der Passagierzahlen um 1,4 Prozent pro Jahr. Die 58 Millionen Passagiere 2013 entsprechen ziemlich genau der Prognose ohne Ausbau, die Flugbewegungen liegen aktuell mit 473.000 statt 505.000 sogar deutlich darunter.
Durch den Bau der Landebahn Nordwest hat die Region zwar nicht mehr Flugbewegungen, aber die zusätzliche dramatische Ausbreitung des Lärmteppichs, höhere Krankheitsrisiken (nach einer seit Ende August vorliegenden Fluglärm-Studie der Universitätsmedizin Mainz steigt mit jeder Stunde nächtlichen Fluglärms die Zahl von Herz-Kreislauf- bis zu Krebserkrankungen) und neue Siedlungsbeschränkungsbereiche hinnehmen müssen. In der Folge wurden Einwohner vertrieben, in ihrer Gesundheit gefährdet oder geschädigt und die Kosten für Wohnungen schnellten in die Höhe.
Durch den Bau des Terminals 3 wird eine gigantische Steigerung der Flugbewegungen von heute 472.000 auf 700.000 möglich. Geplant sind außer einem Terminalgebäude mit zwei Flugsteigen für zusätzliche 14 Millionen Passagiere im Jahr, ein neuer Autobahnanschluss, für den erneut Wald gerodet werden soll, die Verlängerung der flughafeninternen Bahn SkyLine sowie eine erweiterte Gepäckförderanlage für 2,5 Milliarden Euro. Damit hier ein rentabler Betrieb entsteht, braucht man eine Regierung – das Land Hessen und Stadt Frankfurt sind mit insgesamt über 50 Prozent entscheidende Anteilseigner von FRAPORT –, die einen profitablen Flughafenkonzern für wichtiger als den Schutz der Bevölkerung betrachtet. Die Regierungen in Hessen und im Bund verzichten mit der Entscheidung für den Ausbau des Flughafens auf die Förderung alternativer, umweltfreundlicher Verkehrswege. Sie fördern zugleich den innerdeutschen Kurzstreckenflugverkehr und einen ebenso vollkommen überflüssigen aber profitträchtigen Umsteigeflughafen im Langstreckenluftverkehr.
Im Wahlprogramm der Grünen wurde zur vergangenen Landtagswahl (S. 75) hingegen versprochen: »Zum Schutz und zur Entlastung der Bevölkerung fordern wir deshalb
- den Verzicht auf den Bau des Terminal 3 sowie eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen Bevölkerung, Land und Betreiber gegen einen weiteren Ausbau am Flughafen Frankfurt Main (keine weitere Start- und Landebahn);
- ein absolutes Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr;
- die Einführung von definierten Lärmobergrenzen;
- eine Deckelung der Zahl der Flugbewegungen, und Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene, um die Belastung nicht immer weiter ansteigen zu lassen;
- eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Festlegung von Flugrouten und Flugverfahren;
- wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensfällen (z.B. durch Wirbelschleppen);
- einen dauerhaften Lastenausgleich für vom Fluglärm betroffene Kommunen;
- die Einführung bzw. weitere Spreizung lärmabhängiger Start- und Landegebühren;
- Überprüfung und ggf. Ausweitung der Lärmschutzzonen auf Basis aktueller Messwerte nicht erst nach 5 Jahren.«
Und was steht zu Terminal 3 im Koalitionsvertrag (CDU-Grüne) Hessen 2014 - 2018 (S. 67): »Terminal 3: Angesichts eines Investitionsvolumens von über zwei Milliarden Euro, der damit verbundenen erheblichen ökonomischen Herausforderungen für die FRAPORT AG und der vorhandenen Sorgen über die Auswirkungen des geplanten Baus eines dritten Terminals auf die Rhein-Main-Region halten die Koalitionspartner eine Bedarfsprüfung des Bauvorhabens für erforderlich. Vor diesem Hintergrund spricht sich das Land Hessen als Miteigentümer der FRAPORT dafür aus, auf möglicherweise steigende Fluggastzahlen solange wie möglich mit ökonomisch vertretbaren und für die Region verträglicheren Alternativen zum Bau des Terminals 3 zu reagieren. In Verhandlungen mit der Stadt Frankfurt als dem zweitgrößten Anteilseigner der FRAPORT AG werden die Koalitionspartner darauf hinwirken, dass diese Zielsetzung auch im gemeinsamen Konsortialvertrag festgeschrieben wird.«
Spätestens angesichts der als falsch erwiesenen Zahlen und Prognosen der Luftfahrtindustrie und der Realität der steigenden Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet hätte von den beteiligten Parteien in der Regierung von Hessen ein Umdenken stattfinden müssen. Die Landesregierung Hessen kann den Ausbau des Flughafens auch nach der Planfeststellung stoppen, wenn eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung besteht – genau das ist der Fall. Stattdessen überlässt es die Regierung der Luftfahrtkonjunktur und FRAPORT, ob mit dem Ausbau des Flughafens in unmittelbarer Stadtnähe die Flugbewegungen weiter steigen und somit die Gesundheit hunderttausender Menschen in Rhein-Main dramatisch beeinträchtigt wird.
Statt als Oppositionspartei gegen den ungerechtfertigten Ausbau des Flughafens eindeutig Position zu ergreifen und zum Schutz der Gesundheit, des Klimas und der Umwelt Alternativen zu benennen, übernimmt die SPD in Hessen unreflektiert die Zahlen von FRAPORT und der Luftverkehrswirtschaft zur möglichen Entwicklung des Flughafens und sieht nicht die aktuelle Realität. Auch der Hinweis der SPD auf den Landesentwicklungsplan, dem sie seinerzeit zugestimmt hat, zeigt, dass sie sich nicht für die neuen Erkenntnisse und Zahlen insbesondere zum Thema Flugverkehr und unzumutbare Belastungen der betroffenen Bevölkerung interessiert und Pläne korrigieren will.
Durch den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens wird die Entwicklung des Rhein-Main-Gebietes gehemmt, da immer mehr Flächen als Siedlungsbegrenzungsgebiete ausgewiesen wurden und die Wohnraumknappheit somit immer größer wird. Die SPD hat sich uneingeschränkt zum weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens gegen die BürgerInnen des südlichen Rhein-Main-Gebietes positioniert.
Allein die Linkspartei fordert im Hessischen Landtag den Baustopp von Terminal 3: »Leben und Gesundheit der Menschen im Rhein-Main-Gebiet müssen Vorrang vor den Profitinteressen von FRAPORT haben.«
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Ein Eintrag aus dem Leben unter dem Lärmteppich: Von einem Experten der BIS, Bürgerinitiative Sachsenhausen gegen den Flughafenausbau, werden die Verstöße gegen das Nachtflugverbot permanent verfolgt und aufgezeichnet.
»Im Juli 2014 gab es auf FRAPORT trotz angeblichem Nachtflugverbot von 23 Uhr bis 5 Uhr 146 Starts nach 23 Uhr, welche mit Sicherheit nicht alle auf die Gewitter in diesem Monat zurückgeführt werden können. Hinzu kommen 133 Landungen nach 23 Uhr und das führte z.B. allein am 10. Juli zu 68 Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 24 Uhr. D.h. pro Minute mehr als eine Flugbewegung mit Lautstärken bis über 80 dBA in dieser nächtlichen Zeit. Der Verdacht liegt nahe, dass die Wetterlage häufig als Vorwand genommen wurde, um auf diese Weise verspätete Flüge noch unter zu bekommen. Wir haben daher eine umfängliche Akteneinsicht beantragt, die uns nach dem Umweltinformationsgesetzt gewährt werden muss.
Angesichts des tagtäglichen Lärmstresses von durchschnittlich mehr als 1.275 Start und Landungen ist diese nächtliche Belastung nicht hinnehmbar und zeigt, dass die vielen Verkündungen zum Lärmschutz seitens der Politik und FRAPORT Makulatur sind und als gezielte Desinformationen für die Lärmopfer und noch nicht betroffene Anwohner zu bewerten sind.«
Umso bemerkenswerter, dass einige CDU- und SPD-Politiker, wie das Handelsblatt kürzlich berichtete, die Forderungen der Luftverkehrswirtschaft nach Abschaffung der Luftverkehrsteuer und Lockerung der bestehenden Nachtflugverbote übernommen und einen Brief an das Bundesverkehrs- und das Bundeswirtschaftsministerium geschrieben haben. Danach dürfe es keine Einschränkungen mehr bei den Betriebszeiten an Flughäfen geben. Finanziert werden solle die geforderte schrittweise Abschaffung der Ticketsteuer aus zusätzlichen Steuereinnahmen (vgl. ND v. 16.8.14). Eine fantasievolle Fortschreibung der in den Koalitionsverhandlungen im Bund als Ergebnis festgeschriebenen Ablehnung eines generellen Nachtflugverbots durch Schwarz-Rot.