30. November 2013 Bernhard Müller
Flaute am Hamburger Arbeitsmarkt
Die Lage auf dem Hamburger Arbeitsmarkt wird langsam besorgniserregend. So ist die Zahl der Menschen ohne Job im November nur leicht zurückgegangen. Knapp 70.500 HamburgerInnen waren arbeitslos gemeldet, das sind 658 oder 0,9% weniger als im Monat zuvor. Die Arbeitslosenquote verharrte wie bereits in den beiden Vormonaten bei 7,3%. Im Jahresvergleich stellt sich die Entwicklung noch wesentliche ungünstiger dar. Gegenüber dem November des vergangenen Jahres stieg die Zahl der Arbeitslosen um 4,6%, das sind mehr als 3.100 Personen. Das ist deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt, wo die Zahl der Arbeitslosen im Vorjahresvergleich »nur« um 2,0% gestiegen ist.
Von dieser Negativentwicklung waren vor allem MigrantInnen (+8,4%), Langzeitarbeitslose (+7,9%) und BürgerInnen, die 50 Jahre und älter sind (+5,7%) betroffen. Aber auch bei den arbeitslosen Jugendlichern und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren, ist im Vorjahresvergleich ein kräftiges Plus von 4,1% zu vermelden.
Für diese Entwicklung sind zwei Faktoren verantwortlich. Erstens ist die Hamburger Wirtschaft nach einem Plus von 1,2% in 2012 im ersten Halbjahr 2013 preisbereinigt nur mehr um 0,5% gewachsen. Dieser Trend hat sich auch im dritten Quartal fortgesetzt. So haben die 216 größeren Industriebetriebe in Hamburg (Verarbeitendes Gewerbe sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden mit 50 und mehr Beschäftigten) in den ersten drei Quartalen 2013 einen Umsatz von 61 Mrd. Euro erzielt. Das ist ein Rückgang von sechs Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die gebremsten Wirtschaftsaktivitäten führen logischerweise zu einer verhaltenen Nachfrage nach Arbeitskräften. Gegenwärtig sind bei der Arbeitsagentur knapp 12.200 freie Stellen gemeldet, das sind fast 4.000 weniger als vor einem Jahr.
Wie häufig bei einer sich abzeichnenden Stagnation hofft die Hamburger Politik auf einen Trendumschwung. Fakt ist jedoch: Der Arbeitsmarkt hat spürbar an Dynamik verloren. In den drei Herbstmonaten September bis November ging die Zahl der Erwerbslosen kaum zurück. Leider ist sowohl auf Bundesebene als auch im Regionalbereich eine aktive Strukturpolitik verpönt.
Der zweite Faktor für die Negativentwicklung bei der Beschäftigung ist der von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeleitete rabiate Abbau bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, der mit einer Plünderung der Kassen der Bundesagentur für Arbeit einherging. So waren in dem am 21. Juni 2011 vom damaligen Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des Bundeshaushalts 2013 für »Leistungen zur Eingliederung in Arbeit« gemäß SGB II (Hartz IV) nur mehr Ausgaben in Höhe von 3,3 Mrd. Euro veranschlagt. Das sind 12,3% (465 Mio. Euro) weniger als im Bundeshaushalt 2012, 28,9% (über 1,3 Mrd. Euro) weniger als im Bundeshaushalt 2011 bzw. 47,8% (drei Mrd. Euro) weniger als die im Haushaltsjahr 2010 auf die Jobcenter verteilten SGB II-Eingliederungsmittel in Höhe von etwa 6,35 Mrd. Euro.
Für Hamburg bedeutete das: Das SGB II-Eingliederungsbudget für 2013 wurde erneut gekürzt. Standen 2010 dafür noch 187,6 Mio. Euro zur Verfügung, sind es in diesem Jahr nur mehr 97,3 Mio. Euro. Diese Kürzung der Fördermittel für Langzeitarbeitslose um fast 50% geht weit über den Rückgang der Zahl der Langzeitarbeitslosen hinaus, so dass die Förderleistung pro erwerbsfähigem Hilfeempfänger deutlich sinkt.
Die Konsequenz: In Hamburg befanden sich im November im Vorjahresvergleich 10% weniger Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder hatten einen Sonderstatus– nicht, weil sie eine Arbeit gefunden haben, sondern weil sie sich statt etwa einer durch einen Beschäftigungszuschuss geförderten Beschäftigung nachzugehen, sich nun arbeitslos melden müssen. So ist die Zahl der »Unterbeschäftigten« (Arbeitslose+ in Maßnahmen befindliche Personen – ohne Kurzarbeit) in Hamburg mit knapp 100.000 zwar im Vergleich zum November 2012 etwa gleich hoch geblieben, aber der Anteil der Arbeitslosen ist von 67,5% auf 71,1% gestiegen.
Der Hamburger SPD-Senat sieht keinen Handlungsbedarf. Aufgrund der mit der »Schuldenbremse« begründeten Deckelung der jährlichen Steigerung der Ausgaben um 0,88% sieht er auch keine Möglichkeit, die Kürzungen der Bundesmittel für Arbeitsmarktpolitik zu kompensieren. Vom »sozialen Arbeitsmarkt«, den Senator Scheele in grauer Vorzeit angekündigt hat, ist weit und breit nichts zu sehen.
Und von der großen Koalition (so sie denn kommt), deren Vertrag der erste Bürgermeister der Stadt, Olaf Scholz, in vorderster Reihe mit ausverhandelt hat, sind kaum Impulse für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu erwarten. Im Gegenteil. Da das »Hamburger Modell« der Begrenzung der Ausgabensteigerung auf unter 1% jetzt auch auf die Bundesebene übertragen werden soll, ist bei anhaltender Wirtschaftsflaute und bescheideneren Steuereinnahmen auch in der Arbeitsmarktpolitik eher mit Kürzungen, denn mit einer Offensive in Sachen Bekämpfung der (vor allem Langzeit-) Arbeitslosigkeit zu rechnen.
Selbst der sonst so zweckoptimistische Chef der Hamburger Bundesagentur, Fock, kann den Arbeit Suchenden für die nächste Zeit keine frohe Weihnachtsbotschaft (mehr) überbringen: »Auch wenn die Konjunkturaussichten für das kommende Jahr positiv beschrieben werden, sehe ich im Moment keine deutliche Verbesserung in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit«, sagte Fock.