22. März 2012 Joachim Bischoff / Bernhard Müller
Ende des Preiskampfes? - Zu den Risiken bei Hapag-lloyd
Bürgermeister Scholz bemüht pathetisch den Patriotismus, um eine strittige politische Entscheidung zu legitimieren: »Hapag-Lloyd ist und bleibt eine Hamburger Reederei. Das, hoffe ich, wird die Bürgerschaft beschließen, und sie kann es guten patriotischen Gewissens tun, denn diese sorgfältig vom Senat vorbereitete Entscheidung bringt Hapag-Lloyd in den richtigen Hafen.« Bekanntlich tritt beim Geschäft in der Regel der Patriotismus in den Hintergrund und die erheblichen Risiken der weiteren Erhöhung des Anteils der Hansestadt Hamburg an der Aktiengesellschaft Hapag-Lloyd können nicht bestritten werden.
Seit 2008 versucht der Tourismus-Konzern TUI wegen des starken Drucks seiner Aktionäre, eine Abspaltung der Schifffahrtssparte (Hapag-Lloyd) umzusetzen, um mit den gewonnen Finanzmitteln eine Schuldenreduzierung und eine Verstärkung des Kerngeschäfts zu organisieren. TUI-Chef Frenzel wollte 2008 drei bis fünf Mrd. Euro sehen, und die Interessenten standen Schlange. Um die Reederei in Hamburg zu halten, ist 2008 die Stadt schließlich mit einigen mehr oder minder hanseatischen Kaufleuten in das Geschäft eingestiegen und hat einen Minderheitenanteil von Hapag-Lloyd übernommen. Die Transaktion geriet anschließend wegen der großen Finanz- und Wirtschaftkrise in schweres Fahrwasser, die bekanntlich bis heute anhält.
Der zeitweilige weltweite Aufschwung 2010 brachte eine Erholung und Hapag-Lloyd konnte ohne die geplanten massiven Kredite das Geschäftsjahr mit einem Gewinn von 428 Mio. Euro abschließen. Allerdings war die Erholung nur von kurzer Dauer und die Zeit reichte nicht für eine dauerhafte Neuordnung der Eigentümerstruktur. TUI war mittlerweile noch stärker daran orientiert, aus dem Reedereigeschäft komplett auszusteigen.
Der Geschäftsabschluss der Reederei für 2011 fiel dann wegen des Absturzes der Frachtraten und des massiven Anstiegs der Treibstoffkosten, die in dem Gewerbe immerhin über 20% an den Gesamtkosten ausmachen, bescheiden aus. Unter dem Strich hat die Reederei bei einem im Jahresvergleich nahezu unveränderten Umsatz von 6,1 Mrd. Euro einen Verlust von 29 Mio. Euro stehen. Da 2011 alle Containerreedereien hohe Verluste eingefahren haben, ist Hapag-Lloyd mit einer leichten Blessur davon gekommen.
Für die nicht mehr auskömmlichen Frachtraten waren Überkapazitäten bei der Schiffstonnage verantwortlich, die einen Dumpingwettbewerb der beiden Branchenführer Maersk aus Dänemark und MSC aus der Schweiz auslösten. Hapag-Lloyd konnte sich diesem ruinösen Preiskampf nicht entziehen. Mittlerweile deutet sich mit Preiserhöhungen mehrerer Reedereien eine Trendwende zumindest an. Aber wie stabil ist dieser Trend?
Die Gesamtkapazität der globalen Containerschiffsflotte erreichte zum Jahresende 2011 geschätzte 16,8 Mio. TEU (Jahresende 2010: 15,6 Mio. TEU). Nach den derzeit vorliegenden Prognosen der Branchenexperten von Transmodal (Transmodal Februar 2012) könnte die Angebotskapazität durch Neuauslieferungen in 2012 um 1,7 Mio. TEU (+10 Prozent) zunehmen und in 2013 um weitere 9 Prozent (1,6 Mio. TEU) nominal wachsen. Ein Faktor für die Erholung der Frachtraten ist daher die Verringerung der Transportkapazität. Aufgrund der konjunkturbedingt etwas schwächeren Zunahme der Nachfrage nach Containertransportleistungen als erwartetet, hat sich das Kapazitätsniveau der aufliegenden, d.h. der beschäftigungslosen Schiffe in den letzten sechs Monaten nahezu versiebenfacht. »Mit rund 751.000 TEU (Alphaliner Februar 2012) entsprachen die ›freien‹ Kapazitäten Ende Januar 2012 4,5 Prozent der Gesamtkapazitäten der Weltcontainerschiffsflotte.« Die fortgesetzte Indienststellung von Neubauten und die damit verbundene deutliche Ausweitung der Transportkapazitäten bestimmt also weiterhin die Entwicklung der Frachtraten – vor allem wenn sich das Wirtschaftswachstum Chinas abschwächt.
Unsicherheiten über die kurzfristige Branchenentwicklung ergeben sich weiter aus den in 2011 erheblich gestiegenen Transportaufwendungen. Der Anstieg wurde insbesondere durch den im Jahresverlauf 2011 weiter stark gestiegenen Bunkerpreis (Treibstoff) verursacht. Im Berichtsjahr 2011 lag der durchschnittliche Bunkerpreis bei 605 US-Dollar je Tonne und damit um 152 US-Dollar pro Tonne über dem Durchschnittswert des Vorjahres. Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2009 hat sich der durchschnittliche Bunkerpreis nahezu verdoppelt.
Zu Recht wird im Geschäftsbericht festgehalten: »Nachdem die Ergebnisentwicklung im Geschäftsjahr 2011 von dem erheblichen Anstieg der Transportaufwendungen und einem hohen Wettbewerbsdruck negativ beeinflusst wurde, strebt Hapag-Lloyd für 2012 wiederum ein positives operatives Ergebnis an. ….Eine möglicherweise stärkere Abschwächung der globalen konjunkturellen Entwicklung als erwartet, ein weiterer nachhaltiger Anstieg der Rohölpreise sowie eine hohe Volatilität der Frachtraten, letzteres vor allem bedingt durch die fortgesetzte Indienststellung sehr großer Containerschiffe in den asienbezogenen Verkehren, könnten jedoch wiederum einen deutlich negativen Einfluss auf die Branche und somit auch auf die Geschäftsentwicklung von Hapag-Lloyd im laufenden Geschäftsjahr nehmen.«
Nach Einschätzung des Vorstandschefs Behrendt soll die Lage der Reederei 2012 Schritt für Schritt besser werden: Das erste Quartal sei in der Containerschifffahrt wegen des chinesischen Neujahrsfestes traditionell schwach. Das zweite Quartal werde besser, und das dritte Quartal, die Hochsaison der Seetransporte, »könnte vernünftig und auskömmlich ausfallen«, sagte Behrendt. Er nannte als Geschäftsziel »ein positives Ergebnis«.
Die größte deutsche Containerreederei Hapag-Lloyd will also nach Millionenverlusten so schnell es geht wieder eine Dividende an die Aktionäre zahlen und so Druck vom künftigen Haupteigentümer Hamburg nehmen. Der Vorstandsvorsitzende Behrendt sagte, 2012 sei das »höchste Ziel«, den Aktionären wieder eine Dividende zu verschaffen. Er will die Reederei mithilfe massiver Preiserhöhungen nach dem Verlustjahr 2011 wieder in die schwarzen Zahlen führen.
Die SPD-geführte Hamburger Landesregierung steht wegen einer geplanten Aufstockung der Anteile an Hapag-Lloyd auf Kredit unter Druck. Schließlich verursacht das Engagement der Hansestadt jährlich rund 50 Mio. Euro Kreditkosten. Ohne Dividende müssen diese aus dem regulären Haushalt bestritten werden. Für die Mehrheitspartei SPD ist das in der Tat keine komfortable Situation: Im Zeichen der neuen Schuldenregelung wird kräftig bei den regulären kommunalen Ausgaben gekürzt und gleichzeitig ein hoher Aufwand für die Sicherung der maritimen Wirtschaft getrieben.
Im Klartext heißt dies: Wenn Hapag-Lloyd eine Dividende bezahlen kann, lindert sich der Druck deutlich. Es müssen aber auch die Mittel des Investements ganz oder teilweise zurückfließen. Ein Teil-Börsengang von Hapag-Lloyd noch 2012 ist äußerst unwahrscheinlich. Der Vorstandsvorsitzende Behrendt sagte, um Vertrauen bei Investoren aufzubauen, müsse ein Kandidat mindestens zwei stabile Quartalsergebnisse vorweisen. Angesichts des traditionell schwachen ersten Quartals wäre damit die Bedingung frühestens im November erfüllt, wenn die Ergebnisse für das dritte Quartal vorliegen.
Hamburg will bis Ende März seinen Anteil an der Reederei um 420 Mio. Euro auf 37% aufstocken und wird nach der Zustimmung des Landesparlaments zu einem weiteren Kredit größter Aktionär. Das Konsortium Albert Ballin mit der Stadt, dem Speditionsunternehmer Michael Kühne und Banken und Versicherungen käme dann auf fast 80% der Anteile an der Reederei, TUI hält dann noch etwa 22%. Hamburg will seine Anteile an der Reederei Hapag-Lloyd »in einem absehbaren Zeitraum« weiterverkaufen, hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schon vor Wochen gesagt. Allerdings müsse der Verbleib der Reederei in Hamburg sicher sein. Langfristig wird mithin für Hapag-Lloyd ein Investor gesucht, der mindestens 51% der Anteile hält, um die Gefahr der Verlagerung auszuschließen.
Der von Hamburg geplante Verkauf von Anteilen birgt also sowohl vom Geschäftsfeld her wie von der Lage der Finanzmärkte betrachtet hohe Risiken für die Hansestadt. Es gibt gute Gründe, dem Unternehmen und damit den Beschäftigten, aber auch der regionalen Wertschöpfung in der Kontinuität der Entscheidungen der letzten Jahre eine Entwicklungsperspektive zu eröffnen. Aber die Risiken müssen klar benannt und nicht mit dem Mythos »Patriotismus« kleingeredet werden.