Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

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21. Dezember 2012 von Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Elbphilharmonie: Sozialdemokratische Kultur des Vertrauens

Seit rund einem Jahr ruhen die Bauarbeiten an der Hamburger Elbphilharmonie fast voll-ständig. Gleichsam als Weihnachtsgeschenk hat der Baukonzern Hochtief der Stadt ein An-gebot gemacht, das der Bürgermeister »wirtschaftlich vernünftig« nennt. Nach einer Son-dersitzung des Senats gab Olaf Scholz bekannt, dass die Kosten, die die Stadt übernehmen wird, auf 575 Mio. Euro steigen.Gleichzeitig verzichtet der internationale Baukonzern auf sämtliche Nachforderungen und übernimmt das alleinige Risiko. »Das ist ein Vorschlag, der wirtschaftlich vernünftig ist und falls es teurer wird, sind es nicht die Risiken der Stadt, son-dern die von Hochtief«, sagte Scholz. »Die Verhandlungen waren sehr kompliziert.

Es ging um die Frage, wie kommt man eigentlich zusammen?« Der SPD-Senat will das Konzerthaus grundsätzlich mit Hochtief zu Ende bauen, die Verträge sollen bis zum 28. Februar 2013 un-terschrieben werden. Die Übergabe des Gebäudes ist dann im Juli 2016 vorgesehen, die Er-öffnung verschiebt sich nochmals, nunmehr auf Frühjahr 2017. Wir erinnern uns: Bei der Grundsteinlegung im April 2007 sollte der Bau des Konzerthauses den Landeshaushalt mit nur 77 Mio. Euro belasten.

Die Spitze der politischen Heuchelei ist freilich: Der Erste Bürgermeister macht sich große Sorgen um die Akzeptanz der Politik in der Bevölkerung, wenn Bauvorhaben sich in dieser Weise wie in Hamburg oder beim Berliner Großflughafen entwickeln. Auch die Handels-kammer hofft auf Befriedung. »Die weitere drastische Kostensteigerung ist bitter, aber war zu erwarten. Gut ist, dass sämtliche Risiken nun komplett bei Hochtief liegen sollen und nach dem endgültigen Vertragsschluss hoffentlich auch liegen werden«, sagte Präses Fritz Horst Melsheimer. Entscheidend werde sein, „dass eine neue Kultur des Vertrauens einkehrt, auf die beide Partner zukünftig bauen können und die bei den Hamburgern endlich die richtige Vorfreude auf ein Wahrzeichen mit.“

Richtig ist zweifellos: Das Vertrauensverhältnis zwischen der Stadt und Hochtief war zerstört. Mag sein, dass mit einer erneuten Steigerung der Baukosten um knapp 200 Mio. Euro das Vertrauen zwischen Unternehmen und SPD-Senat wiederhergestellt werden. Bürgermeister Scholz zeigt sich nachdenklich, weil er die Elbphilharmonie bei Amtsantritt zur Chefsache erklärt und den WählerInnen versprochen hatte, das Konzerthaus in der laufenden Legisla-turperiode zu eröffnen. Jetzt wird 2016 gewählt, der Ablieferungstermin der Elbphilharmo-nie fällt damit in die Zeit nach den nächsten Bürgerschaftswahlen.

Viel gravierender ist die erneute Beschädigung der demokratischen Willensbildung. Die ge-samte Operation lässt einen tiefen Vertrauensverlust zwischen Politik und den Wahlbürge-rInnen erkennen. Die Abgeordneten der Bürgerschaft hatten soeben die Debatte über den Doppelhaushalt 2013/14 beendet, die »Tinte« über die beschlossenen Änderungen war noch nicht trocken, da ruft Olaf Scholz die Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaftsfraktionen zu-sammen und bittet um Zustimmung zu dem Plan, die Elbphilharmonie mit der Hochtief AG zu Ende zu bauen und dafür noch einmal 198 Mio. Euro auf den Tisch des Hauses zu legen. Seit Wochen laufen die Verhandlungen mit dem Konzern und man darf erwarten, dass dieses wenigstens im Landesparlament kommuniziert wird. Doch weit gefehlt. Dies der Bürger-schaft einen Tag nach Ende der Haushaltsdebatte mitzuteilen und um schnelle Zustimmung zu bitten, markiert eine kaum zu toppende Zerstörung der politischen Willensbildung und Kultur in dieser Stadt.

Dies umso mehr als der Doppelhaushalt viele Zumutungen für die BürgerInnen (Personalab-bau, verschlechterte öffentliche Dienstleistungen etc.) der Stadt enthält. Jetzt werden ihnen auch noch 198 Mio. Euro für das Konzerthaus aufgebrummt, die sie mit Einsparungen an anderer Stelle werden bezahlen müssen. Da die Elbphilharmonie erst 2016 fertig wird, sollen die erneuten Mehrkosten auf die Doppelhaushalte 2013/2014 und 2015/2016 verteilt wer-den, da die Stadt nach Baufortschritt bezahlen muss. Bisher hat sie an Hochtief schon 300 Mio. Euro bezahlt. Im Doppelhaushalt 2013/2014 will der Senat dabei auf die üppigen Töpfe für Unvorhergesehenes zurückgreifen. Von den insgesamt 700 Mio. Euro, die sich der Senat für die beiden Jahre für Mehr- und Minderausgaben pauschal hat genehmigen lassen, entfal-len 180 Mio. Euro auf den Titel »Rückstellungen für noch zu konkretisierende Investitions-maßnahmen«.

Das Problem ist nur, dass diese Reserven im Haushaltsplan dahinschmelzen wie der Schnee in der Sonne. Denn neben der Elbphilharmonie gibt es weitere Haushaltsrisiken, für die in den Haushaltsberatungen kein Platz war:

  •  Die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV), die Konzernholding für einen Großteil der öffentlichen Unternehmen Ham-burgs, schreibt rote Zahlen. 2011 mussten zum Verlustausgleich aus dem Haushalt 65 Mio. Euro aufgebracht werden. Es ist keine Besserung in Sicht. So ist jetzt schon klar, dass die aus der Beteiligung an Hapag Lloyd erwartete Dividende von 35 Mio. Euro weder 2012 noch 2013 fließen wird.
  • Beim Sondervermögen Hafen und Stadt (Hafencity), wo die Sozialdemokratie durch einen Einschuss für den verdeckten Schuldenberg im Haushaltsjahr 2011/2012 in Hö-he von 450 Mio. Euro für eine Bilanzverschönerung gesorgt hat, mussten 400 Mio. Euro bereits abgeschrieben werden. Weitere Belastungen sind vorprogrammiert.
  • Die HSH Nordbank schreibt 2012 wieder rote Zahlen. Die Landesbank hat zudem an-gekündigt, dass sie ab 2019 von der von Hamburg und Schleswig-Holstein gewährten Garantie in Höhe von (aktuell) sieben Mrd. Euro 1,3 Mrd. Euro in Anspruch nehmen wird. Die Entwicklung in den nächsten Monaten ist höchst ungewiss. Die mindestens noch zwei Jahre anhaltende Schifffahrtskrise wird weitere Rückstellungen und Ab-schreibungen erzwingen. Und Schleswig-Holstein und Hamburg haften noch immer für 32 Mrd. Euro aus der „Gewährsträgerhaftung“. Ob die Hoffnung, die Bank bis 2015 am Leben zu erhalten, weil bis dahin die Haftungssumme auf drei Mrd. Euro ge-sunken sein wird, realistisch ist, darf tunlichst mit Fragezeichen versehen werden.
  • Die Situation der HSH Nordbank hat wiederum Auswirkungen auf die Holding HGV und den Hamburgischen Versorgungsfonds HFV. Aus ihm werden Pensionen für ehemalige LBK-Beschäftigte (städtische Krankenhäuser) bezahlt. Sowohl HGV als auch HVF halten HSH-Aktien und haben dafür Dividenden einkalkuliert, die aber seit Jahren nicht mehr fließen. Zudem mussten sie mehrfach den Wert ihrer HSH-Aktien nach unten korrigieren. Allein dem HVF fehlen bis 2030 ca. 700 Mio. Euro, die aus dem Haushalt aufgebracht werden müssen.

Für eine Konzerthalle mit Strahlkraft werden also ohne Nachweis der Finanzmittel weitere 200 Mio. Euro herausgelegt. Für dringend notwendige Investitionen zum Erhalt und Ausbau der städtischen Infrastruktur – Schulen, Universitäten, Straßen, Brücken, Grün- und Sportan-lagen – wird jeder Euro zweimal umgedreht. Im Bereich der öffentlichen Investitionen wird kräftig gespart. Sie liegen mit jeweils 850 Mio. Euro in den Jahren 2013 und 2014 und einem Anteil von 7,5% an den bereinigten Gesamtausgaben auf einem historisch tiefen Niveau und sollen bis 2019 noch weiter abgesenkt werden.

Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass Sanierung, Um- und Neubau von Schulgebäuden außerhalb des Haushalts über Schulbau Hamburg abgewickelt werden sollen, bleibt eine gewaltige Unterfinanzierung allein für den Substanzerhalt des städtischen Vermögens. So schätzt der Rechnungshof den Sanierungsstau in Teilbereichen auf 4,7 Mrd. Euro. Hamburg erhält ein superteures Konzerthaus, aber die Infrastruktur kann warten.
Im taufrischen Doppelhaushalt sind bei den Personalkosten Kürzungen bei den Sonderzah-lungen und die Streichung von jährlich 250 Stellen »eingepreist«.

Darüber hinaus sind in der Planung jährliche Tarif- und Besoldungserhöhungen von 1,5% unterstellt – mit gravierenden Folgen: »Mit Hinweis auf die Schuldenbremse sollen Lohnerhöhungen von mehr als 1,5% durch zusätzliche Stellenstreichungen gegenfinanziert werden. Unter Berücksichtigung der üblichen Berechnungsmethoden bedeutet dies zusätzliche Streichungen von bis zu 1.200 Stellen, wenn man die letzte Erhöhung für den Öffentlichen Dienst (TVöD) auf die Beschäftig-ten der Stadt Hamburg z.B. im Jahr 2013 übertragen würde. In den Folgejahren würde sich diese ‚Bestrafungsspirale’ dementsprechend fortsetzen. Die Zeche dieser systemischen Ma-lus-Regelung (Bestrafungspolitik) bezahlen Beschäftigte durch zunehmende Leistungsver-dichtung und die Bürgerinnen und Bürger durch weitere Leistungseinschränkungen« (Ver.di Hamburg).

Das alles ist eine phantastische Grundlage für die Wiedergewinnung eines beschädigten politischen Vertrauensverhältnisses. Ein teureres Konzerthaus, massiv unterfinanzierte Infra-struktur, Personalkürzungen aller Orten und das Ausbleiben einer Wohnungspolitik, mit der Verdrängung und Mietensteigerungen zurückgedrängt werden könnten. Und noch mehr Risiken stehen ins Haus. Die marode HSH Nordbank muss weiterhin unterstützt werden. Die Bank gehört zu 85,4% Hamburg und Schleswig-Holstein. Offensichtlich wollen deren rot-grüne Regierungen die bestehenden Ländergarantien für die Bank erneut um 3 Mrd. Euro erhöhen. Rosige Zeiten sehen anders aus.

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