31. August 2014 Joachim Bischoff
Die Schrottbank HSH Nordbank wechselt ihr Geschäftsmodell
Die HSH Nordbank hat ihre Zwischenbilanz für das erste Halbjahr 2014 vorgelegt. Der Tenor ist seit der Fast-Pleite im Jahr 2009 gleich geblieben: Operativ habe sich die Bank gut entwickelt, so das Management. Im jetzt vorgelegten Halbjahresbericht für 2014 toppt die Bank-Führung ihren bislang nicht begründeten Serien-Optimismus allerdings.
»Die von der HSH Nordbank bisher an den Garantiegeber gezahlten Prämien sind im ersten Halbjahr 2014 auf 2,0 Mrd. Euro gestiegen (31.12.2013: 1,7 Mrd. Euro), wovon 1,7 Mrd. Euro auf die laufende Grundprämie und 0,3 Mrd. Euro auf die Nachzahlung entfallen. Die HSH Nordbank leistet mit den gezahlten Prämien einen deutlichen Beitrag zur Kompensation der gewährten Beihilfen durch Hamburg und Schleswig-Holstein.«
Die Kapitaleigner – die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg – haben die Bank bekanntlich mit einem Kapitalzuschuss von drei Mrd. Euro und einem Garantierahmen von bis heute 10 Mrd. Euro vor dem Konkurs gerettet. Selbstverständlich muss die Bank für diese Garantien Gebühren bezahlen. Im übrigen ist die Höhe dieser Gebühren erst nach Festsetzung durch die EU-Kommission festgelegt worden. Da die beiden Bundesländer selbst finanziell erheblich unter Druck sind, mussten sie die Einschüsse selbst mit Krediten finanzieren. Da zudem die Bank seit ihrem Beinahe-Konkurs auch keine Dividenden bezahlt, sind die Gebühren ein kleiner Beitrag zur Kompensation der Aufwendungen der Bundesländer. Indes stellt die Bank wegen des kontinuierlichen Wertverlustes für die Hansestadt Hamburg ein Fass ohne Boden dar.
So ist der Wert der Aktien der HSH Nordbank seit 2007 auf Talfahrt bzw. addieren sich die Abschreibungen auf den Wert der von der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV), dem HVF – Hamburgischer Versorgungsfonds (HVF) – AöR und der hsh finanzfonds AöR (HSH finfo) gehaltenen Anteile an der HSH inzwischen auf mehrere Mrd. Euro.
1) Ermittelt nach IDW S1. 2) Wirtschaftlich der Freien und Hansestadt Hamburg zugeordneter Anteil von 50%. 3) 2012 erfolgte eine Einmalzahlung der HSH von 500 Millionen Euro an die HSH finfo (siehe Drs. 20/3220), die im Umfang von 250 Millionen Euro wirtschaftlich der Freien und Hansestadt Hamburg zuzuordnen ist. 4) Vorläufige Werte, die noch nicht durch Wirtschaftsprüfer testiert und von den Aufsichtsgremien festgestellt wurden.
Im Klartext: Auch ein Aktienwert von unter sieben Euro dürfte bei einem Börsenhandel nicht in Ansätzen realisiert werden. Ausbleibende Dividendenbezahlungen und Wertverluste summieren sich allein für Hamburg auf einen Betrag von ca. 3,5 Mrd. Euro. Ein Bank-Management, das wiederholt behauptet, das Institut leiste einen deutlichen Betrag zur Kompensation der Aufwendungen seitens der Steuerzahler, gehört wegen krasser Realitätstrübung in die Wüste geschickt.
Der Gesamtertrag der Bank betrug im ersten Halbjahr 2013 809 Mio. Euro und liegt im laufenden Jahr bei 646 Mio. Euro. Das kommentiert der Bankchef so: »Wir werden stetig besser und wir haben ein stabiles Geschäftsmodell.« Nach jahrelangem – von der EU-Kommission erzwungenem – Abbau der Bilanzsumme ist jetzt Expansion angesagt dank des lebhaften Neugeschäfts – von 109 auf 113 Mrd. Euro. Sehr gut laufe das Geschäft mit Immobilienfinanzierungen. Die HSH Nordbank habe Projekte von mehr als 12 Mrd. Euro geprüft und am Ende 2,3 Mrd. Euro davon abgeschlossen. Das Neugeschäft kletterte deutlich auf 4,5 von 2,7 Mrd. Euro. Damit liege das Institut auf Kurs, das Jahresziel von neun Mrd. Euro zu erreichen. Man muss allerdings kein Bank-Ökonom sein, um die Bedeutung des Neugeschäftes von neun Mrd. Euro bei einer Bilanzsumme von über 110 Mrd. Euro als unverhältnismäßig einschätzen zu können.
Profitiert hat die Bank weniger von den Erträgen aus dem Kundenneugeschäft, sondern
1. von einer erheblich niedrigeren Risikovorsorge,
2. und von Wertaufholungen im Credit Investment Portfolio und Gewinnen aus Wertpapier- und Beteiligungsveräußerungen im Handels- und Finanzanlageergebnis, die deutlich positiv auf den Gesamtertrag wirkten.
Zudem wäre das Ergebnis ohne Auflösung der Risikovorsorge und gewinnwirksame Buchungen aus den Rückstellungen für die Garantien bescheiden ausgefallen. Entlarvend der Kommentar des Managements: »Wir hätten auch ohne den positiven Sondereffekt einen Gewinn erzielt.«
Endlich ist im Halbjahresbericht auch die Illusion von der Mittelstandsbank – sang und klanglos – fallen gelassen worden. Im Hinblick auf Kredite an den deutschen Mittelstand war nämlich weitgehend Fehlanzeige. »Den Unternehmen geht es gut, wegen der zunehmenden Eigenfinanzierung von Investitionen ist der Kreditbedarf begrenzt«, erklärte Bankchef von Oesterreich: »Für alle Banken ist das Firmenkundengeschäft im Moment eine große Herausforderung.« Die Bank verzichte bewusst darauf, an Preiskämpfen teilzunehmen. Dies wohl auch in Richtung Finanzbehörde, die in den letzten Jahren den Bluff von der »Bank der Unternehmen« entgegen allen Tatsachen politisch gedeckt hat.
Fortschritte habe die HSH Nordbank besonders beim Abbau problematischer Schiffs- und Immobilienkredite erzielt. Der Bestand an Schiffskrediten, der einst bei deutlich mehr als 35 Mrd. Euro lag, ist auf 20 Mrd. Euro geschrumpft. Dieses Schrumpfen reicht nicht um die eigentliche Problemzone aufgeräumt zu hinterlassen. Denn: Andere Banken wie die Nord LB und die Commerzbank kommen beim Ausmisten ihrer Bilanz zügiger voran.
Zudem gilt immer noch: Die Schifffahrt steckt wegen Überkapazitäten, gestiegener Treibstoffkosten und des mauen Welthandels seit gut fünf Jahren in der Krise. Diese Krise wird bis 2016 anhalten. Die Commerzbank hat Mitte 2012 den Ausstieg aus dem Segment angekündigt und will ihr Portfolio Schritt für Schritt ganz abbauen. Neben dem Auslaufen von Krediten setzt das Geldhaus dabei auch auf den Verkauf von Schiffen. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 hat die Commerzbank nach eigenen Angaben rund 70 Schiffe mit einem gesamten Kreditvolumen von rund 530 Mio. Euro veräußert. Auch die HSH Nordbank hat schon von der Pleite bedrohte Schiffe losgeschlagen und arbeitet an weiteren Deals, kommt aber nicht recht voran. Andere Schiffsfinanzierer wie die NordLB, die KfW und DVB Bank setzen stärker darauf, Schiffe in Eigenregie durch die Krise zu bringen.
Die bundesdeutschen Geldhäuser sind also bestrebt, faule Schiffskredite aus der Bilanz zu kriegen. Grund: Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Banken in ihrem branchenweiten Fitnesscheck zu einer deutlich strengeren Bewertung ihrer Schiffskredite zwingen. Dieser Stresstest der europäischen Banken läuft ab Oktober. Berichten zufolge will die EZB die Banken zu einer besonders strengen Bewertung von Schiffskrediten zwingen. Die HSH Nordbank macht – so ist nun mal ihre Philosophie – auf Optimismus.
Die Manager gehen davon aus, dass die HSH auch dann noch eine Kapitalquote erreichen wird, die deutlich über der Mindestanforderung liegt . »Mit den zur Jahresmitte 2014 ausgewiesenen Kapitalquoten verfügt die HSH Nordbank über eine widerstandsfähige Kapitalbasis, mit der sie auf die umfassende Bewertung durch die EZB (‚Comprehensive Assessment’) und die damit verbundene Prüfung der Aktiva-Qualität (‚Asset Quality Review’) sowie den Stresstest gut vorbereitet ist. Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte setzt der Vorstand seine Strategie konsequent um: Im Vordergrund bleibt dabei der rasche Abbau der Altlasten in der Restructuring Unit. Um vor allem das Kreditvolumen im Shipping-Bereich der Restructuring Unit weiter zu reduzieren, wird die Bank verstärkt alternative Portfoliolösungen unter Einbindung strategischer Investoren verfolgen.«
Zu dem Stresstest, der einen Konjunktureinbruch und Zinsschocks simuliert, will die Bank keine Einschätzung abgeben. Ergäbe sich aus den Prüfungen ein zusätzlicher Kapitalbedarf, wären die Anteilseigner – de facto also Hamburg und Schleswig-Holstein – abermals dran. Das Drama mit dem hanseatischen Fass ohne Boden ist also noch nicht zu Ende.