Der rechte Rand

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1. Mai 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Die Hansestadt und die Flüchtlingsfrage

Kaum im Amt, sieht sich der rot-grüne Senat mit einem der drängendsten sozialen Probleme (nicht nur) Hamburgs konfrontiert: Die Zahl der Flüchtlinge nimmt weiter zu und stellt die Stadt vor große organisatorische und finanzielle Herausforderungen.

»Wer sich die Weltlage anschaut, weiß, dass sich die Zuwanderung auf hohem Niveau einpendeln wird«, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Die Stadt müsse sich angesichts der weiter wachsenden Zahl von Flüchtlingen auf die größte Herausforderung der vergangenen Jahrzehnte einrichten. »Wir rechnen damit, dass die hier Schutz suchenden Menschen länger im Land bleiben als jene, die Anfang der 90er-Jahre nach Deutschland kamen. Deshalb wird die Zahl der Flüchtlinge insgesamt zunehmen«, sagte Scheele dem Abendblatt.

Die Flüchtlingsbewegung bedeutet eine Herausforderung für aller BürgerInnen in der Stadt. Eine gute Willkommenskultur stellt große Anforderungen an Zivilgesellschaft und Politik. Trotz des beeindruckenden Engagements vieler Initiativen in den Quartieren, geht es angesichts der Wucht des Problems in erster Linie auch darum, wie Politik und Verwaltung die Rahmenbedingungen für Hilfe gestalten werden. Es geht um Unterbringung, aber daran hängt letztlich die Lösung weiterer Probleme.

Zunächst sind realistische Prognosen wichtig, nicht nur um Flächen und Plätze bereitzustellen, sondern auch SozialarbeiterInnen einzustellen und neue Vorbereitungs- und Alphabetisierungsklassen einzurichten. Seit Anfang 2015 erstellt Hamburg selbst Prognosen. Wie groß die Differenzen sind, zeigt sich am Beispiel des vergangenen Februars: In diesem Monat hat die Hansestadt 1.080 Asylanträge erwartet. Die Zahl des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lag für Hamburg dagegen bei nur 745.

Auch die Gesundheitsämter sind mit der Untersuchung der Flüchtlinge personell überfordert. Von den rund 800 Menschen, die pro Monat nach Hamburg kommen, könnten höchsten 200 auf übertragbare Krankheiten untersucht und deren allgemeiner Gesundheits- und Impfstatus festgestellt werden. Die Betreuung im Krankheitsfall wirft weitere Anforderungen auf.

Weltweite Fluchtbewegung

Die Flüchtlings- und Vertriebenenzahlen haben ein Ausmaß erreicht, das an die katastrophalen Verhältnisse am Ende des zweiten Weltkrieges erinnert. Ende 2013 waren weltweit fast 51,2 Mio. Menschen auf der Flucht. 16,7 Mio. von ihnen gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Neun von zehn Flüchtlingen (86%) leben in »Entwicklungsländern«, da die meisten Flüchtlinge lediglich in ein angrenzendes Nachbarland fliehen.

Den weit größeren Teil – 33,3 Mio. – bilden jedoch sog. Binnenvertriebene (Internally Displaced Persons – IDP). Sie fliehen innerhalb ihres eigenen Landes, ohne dabei internationale Landesgrenzen zu überschreiten. Auch wenn Binnenvertriebene – anders als Flüchtlinge – nicht durch internationale Abkommen geschützt sind und das Mandat von UNHCR offiziell nicht für diese Personengruppe gilt, kümmert sich diese UNO-Organisation seit vielen Jahren um ihre Bedürfnisse. Denn oftmals befinden sie sich in sehr ähnlichen Situationen wie Flüchtlinge und haben einen ähnlichen Hilfsbedarf. Insgesamt kümmert sich UNHCR um 35,6 Mio. Menschen. Dazu zählen Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge, AsylbewerberInnen, RückkehrerInnen und Staatenlose.
Europa ist ein fernes, häufig unerreichbares Ziel der Schutzsuchenden. 86% der Betroffenen flohen – wie bereits angemerkt – in ein Entwicklungsland, oft in einen Nachbarstaat. Die Anrainerstaaten tragen stets die Hauptlast. Hier wird die EU bei ihrer Aufnahmebereitschaft einen größeren Beitrag leisten müssen, unabhängig von ihrer Hilfe vor Ort. Der Anteil derer, die es überhaupt an die Grenzen Europas schaffen, ist im Vergleich schwindend gering.

Laut Bericht des UNHCR haben im Jahr 2014 insgesamt 866.000 Personen in Nordamerika, Europa, Ostasien und der Pazifikregion um Asyl angesucht, das waren 269.400 mehr (+45%) als 2013 . Das ist das zweithöchste Niveau seit den frühen 1980er Jahren und liegt nahe beim Allzeithoch von etwa 900.000 Asylsuchenden in den 44 Industrieländern im Jahr 1992.

Der größte Anstieg bei Asylanträgen nach Region wurde in den 38 europäischen Staaten verzeichnet. Insgesamt suchten in diesen Ländern 47% mehr Menschen Asyl. In absoluten Zahlen waren das 714.300 Asylanträge. In den 28 Mitgliedsländern der Europäischen Union wurden 2014 570.800 Aslyanträge registriert. Das waren 44% mehr als 2013.

Deutschland führt die Liste mit 173.100 Anträgen an (damit liegt die aktuelle Zahl der Flüchtlinge/AsylbewerberInnen noch weit unter dem Niveau der 1990er Jahre: 1993 gab es ca. 440.000 AsylantragstellerInnen in Deutschland), dahinter folgen Schweden (75.100) und Italien (63.700). Die Türkei, die bereits 640.889 syrische Flüchtlinge registriert und somit die meisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen hat, verzeichnete zusätzlich zu den syrischen Flüchtlingen noch 87.800 Asylanträge, hauptsächlich von IrakerInnen und AfghanInnen.

Hamburg als Flucht- und Aufnahmeort

Im Jahr 2014 stellte sich die Aufgabe folgendermaßen dar: Von den insgesamt 13.042 Menschen, die sich als Asylsuchende und Duldungsantragsteller in Hamburg gemeldet haben, verblieben 6.970 Personen in Hamburg, nämlich 6.638 Asylsuchende und 332 Duldungsantragsteller. 6.072 Personen wurden auf andere Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland verteilt. Gleichzeitig ist es dem Einwohner-Zentralamt gelungen, binnen Jahresfrist die Kapazität der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) auf 3.497 Plätze zu verdreifachen.

Bis zum Ende dieses Jahres werden aller Voraussicht nach rund 22.000 Menschen, die vor Krieg, Vertreibung und Armut geflüchtet sind, in Hamburg unterkommen.


Die Hamburger Sozialbehörde stellt sich deshalb auf die Unterbringung von bis zu 10.000 neuen Flüchtlingen in diesem Jahr ein. Bislang geplant sei die Schaffung von knapp 6.000 Plätzen. Unterkünfte für bis zu 4.000 weitere Menschen müssten noch gefunden werden, erklärt der Senat. Die Zahl der öffentlich untergebrachten Menschen – dazu zählen auch Obdachlose – würde damit in Hamburg von 12.000 Ende 2014 auf 22.000 Ende dieses Jahres steigen. Nicht berücksichtigt sind dabei die Menschen, die in Hamburg einen Asylantrag stellen und zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Ende Februar 2015 gab es dort 4.149 belegte Plätze. (DKS 21/131, S. 4). Hinzu gerechnet werden müssen zudem die 1.455 Ende Februar im Rahmen der Jugendhilfe betreuten minderjährigen und unbegleitet eingereisten Flüchtlinge. Es geht also bis Ende dieses Jahres insgesamt um mindestens 28.000 Menschen (inkl. Wohnungslose), die in Erst- und Folgeeinrichtungen untergebracht werden müssen.

Wie rasant das soziale Problem ist, zeigt sich an folgenden Zahlen: Vor fünf Jahren lag die Zahl der in der Stadt untergebrachten Zuwanderer (ohne Erstaufnahme und unbegleitete Flüchtlinge) bei 7.811, also bei einem guten Drittel dessen, was in diesem Jahr erwartet wird. Noch 2012 hat sich die Sozialbehörde darauf eingerichtet, 1000 zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen. Das Ziel für dieses Jahr sind jetzt 10.000 Plätze.

Flüchtlinge 2014

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Flüchtlinge, die in Hamburg um Schutz und Aufenthalt nachsuchten, gegenüber dem Jahr 2013 erneut deutlich gestiegen. Von den insgesamt 13.042 Menschen, die sich als Asylsuchende und Duldungsantragsteller in Hamburg gemeldet haben, verblieben 6.970 Personen in Hamburg, nämlich 6.638 Asylsuchende und 332 Duldungsantragsteller.

Die 2014 ankommenden Flüchtlinge stammten vor allem aus von Bürgerkriegen zersetzen Ländern wie Syrien (1.513), Afghanistan (952) und Eritrea (376), sowie aus den Balkanländern Serbien (669), Kosovo (449), Albanien (408), Bosnien Herzogowina (328) und Mazedonien (302).

Insgesamt gab es damit Ende Februar 2015 in Hamburg 30.600 Flüchtlinge.

Logischerweise musste wegen des massiven Zustroms von Flüchtlingen in 2014 die Kapazität der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) deutlich ausgeweitet werden. Die Zahl der Plätze in der ZEA wurde auf 3.497 Plätze verdreifacht. Gleichzeitig gibt es mehr Personen, die nach Erstmeldung öffentlich untergebracht werden mussten. Waren das on 2013 noch 3.001 erhöhte sich ihre Zahl in 2014 auf 5.985 Personen. Die Gesamtzahl der öffentlich untergebrachten Flüchtlinge (und Wohnungslosen) sollte bis Ende 2014 auf 14.000 wachsen. Tatsächlich waren Ende Februar 2015 nur 12.085 Plätze vorhanden und 11.847 belegt. Sofern ist das Ziel, in diesem Jahr 10.000 neue Plätze zu schaffen, eine wahre Herkulesaufgabe.

 

Flüchtlingszahlen werden weiter steigen

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnete zu Jahresbeginn 2014 für Deutschland mit einer Steigerung der Flüchtlingszahlen um rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2013, als 127.000 Frauen, Männer und Kinder kamen. Diese Zahlen und die sich daraus ergebenden Verteilungskontingente sind für die Bundesländer und Kommunen verpflichtend. Allerdings blieb diese Schätzung stets hinter der wirklichen Bewegung zurück. Denn am Ende des Jahres 2014 waren es dann tatsächlich 202.800 Menschen, die in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt haben (173.072 Erstanträge und 29.762 Folgeanträge). Das waren etwa 60% mehr als 2013. Hinzu kommen noch die Wohnungslosen aus der EU-Binnenwanderung und die BürgerInnen ohne Papiere und Registrierung.

Für 2015 rechnet das Bundesamt mit etwa 300.000 Asylanträgen. Dagegen gehen jetzt die Bundesländer von über 500.000 neuen Flüchtlingen aus. In der Konsequenz legen sie bei ihren Planungen eigene Berechnung zugrunde. So geht die Hamburger Sozialbehörde anhand »der Zugangszahlen der vergangenen Monate gegenwärtig von einer Planungsgröße von 832 Zugängen mit Unterbringungsbedarf im Monat aus«. (DKS 21/131, S. 3)

In Hamburg lebten Ende Februar rund 12.000 Flüchtlinge (inkl. 2.500 Wohnungslose) in öffentlichen Unterkünften. Der Senat rechnet damit, dass Ende des Jahres bei voller Auslastung 22.000 Plätze belegt sein werden. Angesichts der Dynamik bei EU-interner Zuwanderung und Flüchtlingsbewegung gehört wenig Phantasie dazu, von einer massiven Unterversorgung in Hamburg zu sprechen.

Unterbringung, Betreuung und Versorgung gibt es nicht zum Nulltarif

Die wachsende Zahl an Flüchtlingen stellt Hamburg vor enorme organisatorische und finanzielle Probleme. Schon in den letzten Jahren musste immer wieder mit Nachtragshaushalten operiert wurden, weil die Planzahlen von der Wirklichkeit schneller überholt, als das der Senat wahr haben wollte. Immerhin: die Verwaltung der Hansestadt reagiert flexibel und überlegt auf diese große Herausforderung. Mit der politischen Planung, Organisation der Hilfsangebote und der Kommunikation mit den Initiativen und der Bevölkerung in den Quartieren kann man nicht in gleicherweise zufrieden sein. Der Senat läuft der Wirklichkeit hinter her. Im Juni 2014 hat der Senat eine »Anpassung der Unterbringungskapazitäten sowie der finanziellen und personellen Ressourcen am die gestiegene Zahl von Zuwanderern und Wohnungslosen« auf den Weg gebracht (vgl. DKS 20/12697), aber die Einschätzung der weiteren Entwicklung war unzureichend.

Mitte des Jahres 2014 mussten die Mittel für die Flüchtlingsbetreuung und Unterbringung gegenüber der (schon korrigierten) Planung glatt verdoppelt werden. Für die laufenden Kosten für die Unterbringung (inkl. zusätzlichem Personal), gesetzliche Leistungen (Aylbewerberleistungsgesetz, aber auch Hilfen zur Erziehung und Bildung und Teilhabe), Schule (Integrationsvorbereitungsklassen, Beschulung Vorbereitungsjahr und Berufsvorbereitungsjahr für MigrantInnen und Migranten) und flankierende Leistungen sowie die Investitionen zur Schaffung der Kapazitäten in der öffentlichen Unterbringung (inklusive Wohnungslose) wollte Hamburg 2014 298,9 Mio. Euro ausgeben. Hiervor entfallen 194,4 Mio. Euro auf die laufenden Kosten, und 104,5 Mio. Euro auf notwendige Investitionen.

Eine endgültige Abrechnung zum 31.12.2015 liegt noch nicht vor, aber die Behörde hat bestätigt, dass im letzten Jahr etwa 300 Mio. Euro für die Flüchtlingshilfe ausgegeben wurden.

Will man die Bevölkerung miteinbinden in die Lösung des Problems, wäre eine transparentere und zügigere Kommunikation angesagt.

Finanzieren konnte der Senat die Mehrausgaben aus den im Etat 2013/2014 noch vorhandenen Reservemitteln. So wurden 100 Mio. Euro aus gegenüber der Planung niedrigeren Zinsausgaben zur Finanzierung verwendet. Daneben wurde auf die Titel »Rückstellung für noch zu konkretisierende Investitionsmaßnahmen« und »Globale Mehrausgaben für Haushaltsrisiken und Budgetaufstockungen« zurückgegriffen.

Wieviele Mittel im Doppelhaushalt 2015/2016 für die Flüchtlingshilfe eingestellt wurden, ob 300 Mio. Euro oder auch mehr, ist, weil davon verschiedene Ressorts betroffen sind, schwer einschätzbar. Aber offensichtlich reicht das geplante Volumen angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahl erneut nicht aus. Denn unlängst hat die Sozialbehörde angekündigt, dass ein Nachtragshaushalt zur Finanzierung der Unterkünfte und Betreuung nötig werden könnte. »Bei anhaltend hohem Zuzug ist absehbar, dass das 2015 zur Verfügung stehende Geld nicht ausreichen wird und wir die Bürgerschaft deshalb voraussichtlich um zusätzliche Mittel bitten müssen«, kündigte Behörden-Sprecher Marcel Schweitzer an.

Man kann für die Schätzung des Mehrbedarfs hilfsweise eine überschlägige Rechnung aufmachen. In der zitierten Anpassungsdrucksache (20/12697) weist der Senat für 2014 7.526 Euro an laufenden Kosten pro ankommendem Flüchtling aus. Geht man von einem Gesamtbestand von 35.000 Flüchtlingen (25.000 ohne die mit Niederlassungserlaubnis, denn die müssen sich ja selbst finanzieren plus die 10.000, die die Sozialbehörde in 2015 erwartet) ergibt sich ein Bedarf etwa 260 Mio. Euro, das sind 65 Mio. Euro mehr als 2014. Auch bei den Investitionen werden Mehrkosten anfallen. Wurden in 2014 für etwa 4.260 zusätzliche Unterbringungsplätze 104 Mio. Euro ausgegeben, ist bei 10.000 in diesem Jahr neu zu schaffenden Plätzen von einem zusätzlichen Investitionsvolumen von mindestens 50 Mio. Euro auszugehen. Für 2015 muss deshalb von Mehrkosten von 100-150 Mio. ausgegangen werden. Macht in der Summe 400-450 Mio. Euro.

Wie der Senat das vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und der strikten Begrenzung des Ausgabenanstiegs finanzieren will, bleibt offen. Bestimmte Puffer, wie vor allem Zinseinsparungen, existieren nicht mehr oder wurden schon als Zusagen an den grünen Koalitionspartner versprochen. Der Bund hat auf die vor allem in den Kommunen anfallenden Belastungen reagiert und für die Jahre 2015 und 2016 Sonderzuweisungen von je 500 Mio. Euro zugesagt. Auch Hamburg bekommt von dieser Zuwendung einen Anteil. Aber insgesamt sprechen die politischen Vertreter der Kommunen und Landkreise von einer unzureichenden Beteiligung des Bundes.

Sozialsenator Scheele sucht deshalb schon einmal die Kosten auf einem anderen Weg zu reduzieren. »Die Herausforderung in der Flüchtlingspolitik liegt nun darin, dass alle Verantwortlichen Lösungen innerhalb ihres Verantwortungsbereiches finden und Initiativen starten, die für mehr Flexibilität bei der Unterbringung und Integration von geflüchteten Menschen sorgen.« Er spielt damit erneut auf seine Initiative an, Flüchtlinge in geänderter Form auf die Bundesländer zu verteilen. Bislang geschieht dies nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, der sich an Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft eines Bundeslandes orientiert. Allerdings haben Stadtstaaten naturgemäß weniger Platz als Flächenländer. Denkbar ist, Staatsverträge mit anderen Bundesländern über die Verteilung zu schließen.

Scheinlösungen

In Deutschland ist der Umgang mit Asylsuchenden im Asylverfahrensgesetz und im Aufenthaltsgesetz geregelt. Deutschland ist durch internationale Abkommen verpflichtet, Flüchtlingen zu helfen. Bislang sind Asyl und Einwanderung zwei strikt getrennte Wege. Abgelehnte Asylbewerber müssten zunächst das Land verlassen, um dann einen anderen Aufenthaltstitel zu beantragen. Teile der Politik hoffen durch zügigere Bearbeitung der Asyl-Anträge eine Chance zu erhöhter Ausweisung und Rückführung zu erhalten. Dies ist allerdings ein politisch inakzeptable und praktisch irrealer Ansatz. Laut internationalen Abkommen kann ein Großteil der Flüchtlinge selbst bei Ablehnung des Asyl-Antrages nicht abgeschoben werden. Da aus Rechtsgründen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wird diesen Personen aufgrund bestehender Ausreisehindernisse zunächst eine Duldung erteilt. Im Jahr 2014 wurden 1.584 positive Entscheidungen zugunsten von Asylbewerbern, denen durch das Bundesamt Schutz zuerkannt wurde, und von ausreisepflichtigen Duldungsinhabern getroffen. Dazu zählen auch 63 Personen, für die die Härtefallkommission ein positives Votum abgeben hat. Am 31.12.2014 waren 14.288 Personen in Hamburg aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen im Besitz einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis.

Im Jahr 2014 erfolgten insgesamt 1.304 Rückführungen, davon die überwiegende Zahl kontrollierte Ausreisen.

Verschärfung des Asylrechtes und Abschiebungen sind keine Lösung. Wir brauchen eine andere Entwicklungs- und Völkerrechtspolitik, um die Ursachen der ausgeweiteten Fluchtbewegung zurückzudrängen. Und in Deutschland könnten wir mit einem modernen Einwanderungsrecht auch andere gesellschaftliche Entwicklungen einleiten. Die Menschen, die all die Schwierigkeiten, die großen Gefahren und erheblichen Kosten auf sich nehmen, die wollen nicht im Sozialsystem landen, sondern möchten sich eine neue Existenz aufbauen. Die Flüchtlingsmigration könnte ein großes Potenzial für Arbeitsmigration darstellen – aber dafür müssten die Regeln geändert werden. Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz. Damit würde ein Großteil der Schwierigkeiten im Lande mit Unterbringung und Versorgung anders lösbar. Das Verbot zu Arbeit und eigenständiger Existenzsicherung könnte fallen und die Hilfe auf andere Grundlagen gestellt werden.

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