Der rechte Rand

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13. Februar 2014 Joachim Bischoff und Bernhard Müller

Die Hamburger SPD und das vernünftige Regieren

Der Landesrechnungshof untersucht die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Freien und Hansestadt Hamburg. Die wichtigen Ergebnisse werden in einem Jahresbericht zusammengefasst, mit dem insbesondere die parlamentarische Haushaltskontrolle unterstützt werden soll. In seinem diesjährigen Jahresbericht 2014 liegt der Schwerpunkt auf dem Thema »Zuwendungen«. Wenn die Verwaltung Dritten (das sind zum Teil auch verselbstständigte Einrichtungen der Stadt) Geld zur Aufgabenerfüllung gibt, spricht das Haushaltsrecht von Zuwendungen. Im Jahr 2012 hat die Stadt rund 900 Mio. Euro an Zuwendungen vergeben.

In einer repräsentativen Stichprobe haben die Rechnungsprüfer bei 70 Prozent aller Fälle eine unzureichende Analyse und Dokumentation der Ausgangslage festgestellt, was wiederum dazu führte, dass auch nur bei rund 30 Prozent der Fälle am Ende eine Erfolgskontrolle gestanden habe. »Nur ein geordnetes Verfahren stellt sicher, dass Zuwendungen nicht zu Geldgeschenken des Staates werden.« Keine Frage, in etlichen Fällen kann eine laxer Umgang mit den öffentlichen Finanzmitteln festgestellt werden. Allerdings gibt es auch reichlich Unzulänglichkeiten bei der Kontrolle der Einnahmeseite (siehe die völlig unzureichende Personalausstattung des Steuervollzugs und die dadurch der öffentlichen Hand entgehenden Steuereinnahmen).

In der Regel konzentrieren sich die Wirtschaftsprüfer mehr auf die Ausgabenseite. Völlig aus dem Blickfeld gerät dabei auch eine inhaltliche Beurteilung der Aufgabenfelder. Daher kommt der Rechnungshof auch in diesem Jahr letztlich zu einem Urteil, das in möglichst geringen Ausgaben für den öffentlichen Bereich das Wohl des Gemeinwesens sieht. Die These der Wirtschafts- und Rechnungsprüfer: Zu einer systematischen Aufgabenkritik des Zuwendungsbereichs gibt es vor dem Hintergrund der Schuldenbremse keine Alternative. Scheiterten aufgabenkritische Ansätze, bestehe die Gefahr, dass am Ende mit weniger differenzierenden Instrumenten (»Rasenmähermethode«) konsolidiert werden müsse.

Völlig ausgeblendet wird in dieser Kritik, dass die von den Zuwendungen abhängigen »Dritten« in fast jedem Einzelfall von den Behörden unter erheblichen finanziellen Druck gesetzt werden, die ihnen oft kaum noch eine angemessene Wahrnehmung der von ihnen übernommenen Aufgaben (z.B. bei der Kinder- und Jugendbetreuung) erlaubt. So wird vielen Trägern eine angemessene Berücksichtigung von notwendigen Tariferhöhungen für die bei ihnen Beschäftigten bei den Zuwendungen schlichtweg verweigert.

Im übrigen kann die angestrebte Konsolidierung auch nur gelingen, wenn ein Verständnis von den unverzichtbaren Aufgaben des öffentlichen Bereiches unterlegt wird. Beim Rechnungshof finden wir, ganz seiner neoliberalen Denkweise folgend, ein nur sehr eingeschränkte Definition unverzichtbarer staatlicher Aufgaben – etwa im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.

Beispiel Aufwendungen für Arbeitsmarktpolitik

Kritisch äußerte sich der Landesrechnungshof über die von der Stadt freiwillig bezahlten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Obwohl der Bund für die Integration von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt zuständig sei, habe die Stadt zwischen 2008 und 2012 zusätzlich fast 118 Mio. Euro aufgewendet. »Ein zusätzlicher Nutzen ist aus Sicht des Rechnungshofs jedoch bisher nicht nachweisbar.«

Nun soll nicht bestritten werden, dass der Behörde immer noch der erforderliche Überblick über für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen geleistete Zahlungen und deren Verwendung durch das mit der Umsetzung beauftragte Jobcenter team.arbeit.hamburg fehlt. Die Berichterstattung ist so zu organisieren, dass eine effektive Liquiditätssteuerung sowie ein Fachcontrolling ermöglicht werden. Aber Fakt ist auch, dass die Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre einer brutalen Schrumpfkur unterzogen wurde.



Aus der massiven Kürzungspolitik und dem vielfach fragwürdigen Einsatz der verbliebenen Mittel zieht der Rechnungshof den Schluss, »vorhandene Ressourcen vorrangig für originäre Hamburger Aufgaben eingesetzt werden«. Dies klingt plausibel, ist es aber nicht, wenn dadurch die Sicherung der eigenständigen Existenz der BürgerInnen, die Aufgabe eines vernünftig organisierten Gemeinwesens mit kapitalistischer Verfassung sein müsste, nicht mehr gewährleistet ist. Wenn nun der Bund die Mittel für Arbeitsmarktpolitik zusammenstreicht, wie das die vormalige schwarz-grüne Bundesregierung getan hat, muss die Landespolitik versuchen, die Folgen mindestens abzumildern. So wurde das SGB II-Eingliederungsbudget für Hamburg in 2013 erneut gekürzt. Standen 2010 dafür noch 187,6 Mio. Euro zur Verfügung, waren es im Jahr 2013 nur mehr 97,3 Mio. Euro. Diese Kürzung der Fördermittel für Langzeitarbeitslose um fast 50% geht weit über den Rückgang der Zahl der Langzeitarbeitslosen hinaus, so dass die Förderleistung pro erwerbsfähigem Hilfeempfänger deutlich sinkt. Sollen die Langzeitarbeitslosen nicht ganz im Regen stehen gelassen werden, wäre es die verdammte »originäre« Pflicht der Landespolitik, durch die Etablierung eines regionalen sozialen Arbeitsmarkts gegenzusteuern.

Der Senat hat stattdessen die Streichung der Mittel auf Bundesebene widerspruchslos hingenommen und eben keine überzeugenden Anstrengungen für ein Programm der Reform des Hamburger Arbeitsmarktes verfolgt. Der Senat stellt in seiner Bewertung des Arbeitsmarktprogramms 2012 fest, dass es eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit im SGB-II-Bereich gibt, bei der »trotz systematischer Förderung in Aktivierungs- oder Beschäftigungsmaßnahmen ein nachhaltiger Übergang in Beschäftigung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gelungen« ist. Eine von der Behörde in Auftrag gegebene Evaluation der beschäftigungsschaffenden Maßnahmen kam zu dem Ergebnis, dass die Chancen der Teilnehmer an diesen Maßnahmen auf eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt u.a. auf Dauer sogar eher zurückgegangen waren. Darüber hinaus ist der Behörde nach ihren eigenen Angaben eine Messung der Zielerreichung bisher weder personenbezogen noch auf Programmebene möglich. Es gibt sowohl im Bereich der Förderung von Qualifikation als auch der Etablierung eines sozialen Arbeitsmarktes durchaus tragfähige Alternativansätze.

Beispiel Sportveranstaltungen

Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) fördert die Durchführung von Sportveranstaltungen durch Zuwendungen. Gegenüber 2005 hat sich die Zahl der geförderten Veranstaltungen von 24 auf 53 im Jahr 2012 erhöht. Das jährliche Fördervolumen lag zwischen 280.000 Euro in 2005 und rund eine Mio. Euro in 2010. Die Einzelförderungen bewegten sich zwischen weniger als 1.000 Euro für kleinere Sportveranstaltungen und bis zu 400.000 Euro für Sportgroßveranstaltungen.

Hier trifft die Kritik der Rechnungsprüfer: Der Verwaltung fehlen für die Förderung von Sportveranstaltungen auf Grundlage des aktuellen Leitbildes klar definierte Zielvorgaben. Ungeklärt ist insbesondere der Umgang mit der früher maßgeblichen Zielsetzung »Wirtschafts- - und Tourismusförderung«. Die staatliche Unterstützung von Sportveranstaltungen erfordert als finanzwirksame Maßnahme eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung . Grundsätzlich sind dabei zwar alle Kosten einzubeziehen, weil sich nur so feststellen lässt, ob und inwieweit die Vorteile einer Förderung die Nachteile überwiegen. (Zum Beispiel Leistungssport, Breitensport, regionale bis weltweite Ausstrahlung, Schwerpunktsportart, Anzahl der Teilnehmer und Zuschauer, Medienpräsenz, Image, wirtschaftlicher Einfluss.) Die Angemessenheit ist aber nach den Erfordernissen des Einzelfalls zu beurteilen.

Der Rechnungshof fordert die Verwaltung zurecht auf wesentliche »nicht refinanzierte Aufwendungen der Stadt« als monetäre Faktoren bei der Förderung von Sportveranstaltungen zu berücksichtigen und dieses zu dokumentieren und die Bewertungstabelle an die zu überarbeitende Förderrichtlinie anzupassen.

Es ist durchaus ein Fortschritt, dass von der Dominanz der Wirtschafts- und Tourismusförderung abgerückt wird. Ein wirklicher Fortschritt für das Gemeinwesens wird aber erst durchgesetzt, wenn die Förderung von Sportveranstaltungen transparent gehandhabt und an der Zielsetzung der Sportförderung ausgerichtet wird.

Leider bleibt de Rechnungshof in der engen Sicht einer Aufgabenkritik im neoliberalen Staatsverständnis stecken. Mit dem vorliegenden Jahresbericht hat es sich keine Verdienste um einen transparenten Umgang mit öffentlichen Ressourcen erworben. In deutlicher Absetzung von einer nachfrageorientierten Wirtschaftssteuerung setzen die Wirtschaftsprüfer vor allem auf das Leitbild eines schlanken Staates . Alle Staatsausgaben – vor allem die Sozialleistungen und die Personalausstattung – sollen überprüft und gekürzt werden. Wirtschaftspolitisch könne – so die These – mit dieser Ausrichtung erreicht werden, dass der Staat mit seinen Finanzressourcen nicht länger die (gesamtwirtschaftliche) Nachfrage stimuliert und sozial Schwache und Arbeitslose stützt, sondern die Steuermittel zur Förderung der Unternehmen und der Wirtschaftskraft eingesetzt werden.

Das neoliberale Versprechen lautet also: Durch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen, den Abbau sozialer Sicherheit und des Staatspersonals, also den »schlanken Staat«, sowie gleichzeitige massive Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögensbesitzer kann eine neue wirtschaftliche Dynamik entfesselt werden. Der Neoliberalismus hat dieses Versprechen nicht einlösen können, und ist mit dem Ausbruch der großen Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre gescheitert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass neoliberale Ideologie nicht nach wie vor gesellschaftlich wirksam ist – siehe den Hamburger Rechnungshof.

Statt sich im kleinkarierten Nachrechnen etwa bei den staatlichen Zuwendungen zu verlieren, hätte der Rechnungshof besser daran getan, sich mit den großen Verlustbringern für die Stadt, etwa der Elbphilharmonie oder der HSH Nordbank – die Liste ließe sich noch verlängern – zu beschäftigen – oder mit dem völlig unzureichendenden Steuervollzug. Das wäre dann ein Rechnungshofsbericht geworden, der die Verantwortlichen der Stadt wirklich unter Druck setzt.

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