20. November 2014 Joachim Bischof / Bernhard Müller
Der Erfolg sozialdemokratischer Sanierungspolitik – und seine Schattenseiten
Bisher rechnete der SPD-Senat damit, im Jahr 2017 einen Haushalt ohne neue Schulden zu erreichen. Nach der nun für Hamburg konkretisierten Steuerschätzung steigen die Einnahmen in diesem Jahr auf 9,731 Mrd. Euro. Das sind 141 Mio. Euro mehr als im Mai geschätzt und 274 Mio. Euro mehr als im Haushalt angenommen.
Da auch die Ausgaben in dem vorgesehen Korridor liegen, wird Hamburg wahrscheinlich keine neuen Kredite zur Haushaltsfinanzierung aufnehmen müssen. Eingeplant war ein Defizit von höchstens 359 Mio. Euro. Davon sollten 300 Mio. Euro mit Krediten und 59 Mio. Euro aus Rücklagen gedeckt werden. Sollte es am Jahresende noch eine Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben geben, sollen diese aus den Rücklagen geschlossen werden.
Für 2015 erwartet der Senat wieder etwas geringere Steuereinnahmen als in diesem Jahr, die Haushaltsplanung werde trotz schwächerer Erträge aber nicht verändert. Denn in die mittelfristige Finanzplanung wurden Abschläge eingerechnet, um möglichst von konjunkturellen Schwankungen nicht zu einer Veränderung der Haushaltsführung gezwungen zu werden.
Hamburg kommt damit der gesetzlichen Vorgabe, spätestens bis 2019 einen ausgeglichen Haushalt zu praktizieren, erheblich früher nach. Dies ist unbestritten ein positiver finanzpolitischer und politischer Erfolg. Senator Peter Tschentscher sieht durch die positive Entwicklung den Erfolg des Finanzkonzepts der Stadt bestätigt.
Gleichwohl kann aktuell nicht jede Kreditaufnahme zur Haushaltsführung ausgeschlossen werden. Denn die Steuereinnahmen liegen in diesem Jahr mit erwarteten 9,7 Mrd. Euro auf einem Rekordhoch und um einige hundert Millionen Euro über dem langjährigen Mittel. Sollte es zu einem Konjunktureinbruch kommen, von dem Hamburg als Handelsstadt in der Regel überproportional betroffen ist, könnte in den kommenden Jahren noch einmal eine Kreditaufnahme nötig sein.
Der SPD-Senat kann mit dieser Erfolgsmeldung im Wahlkampf punkten. Unter den von der CDU geführten Landesregierungen wurden unter großer Medienaufmerksamkeit Kürzungsprogramme verabschiedet, die dann auf mehr oder weniger großen Widerstand stießen. Beispielsweise konnten CDU und Grüne die angedachte Schließung des Museums Altona nicht durchsetzen.
Die SPD – begünstigt durch ihre absolute Mehrheit der Stimmen – hatte das Sanierungskonzept langfristig angelegt. Auch hier sind die Schattenseiten nicht wegzudiskutieren. Eine vorsichtige Finanzplanung sowie die strikte Ausgabenbegrenzung auf einen Zuwachs von 0,88% führten zu der Verringerung der zusätzlichen Kredite. Die Grausamkeiten sind hier versteckt.
Die öffentlichen Investitionen wurden reduziert, so dass der Vermögensverlust bei der öffentlichen Infrastruktur zugenommen hat. Das Personal wurde und wird kontinuierlich um 250 Stellen reduziert und durch die Begrenzung des Zuwachses bei Zuwendungen zu Personalausgaben auf 1,5% wurden die Träger genötigt, selbst Einsparungen vorzunehmen.
Im Haushalt selbst konnte sich die Mehrheitspartei darauf konzentrieren, die Mittel etwa für Stadtteilentwicklung, den Arbeitsmarkt etc. zu reduzieren. Die verfügbaren Mittel wurden beim Kita-Ausbau und der Einführung eines Betreuungskonzeptes für die ganztägige Schuldbildung eingesetzt.
Zu diesem cleveren Strukturierungsansatz der öffentlichen Ausgaben kamen die höheren Einnahmen bei den Steuern. Hier gab es neben der Umsatzsteuer vor allem deutliche Zuwächse bei der Lohnsteuer. Die Stadt hat auf weitergehende Reformen wie Verbesserung des Steuervollzugs oder Ausbau der Steuerfahndung verzichtet. Eine sozial gerechtere Besteuerung kam wegen der Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene nicht in Betracht.
Um die politische Anfälligkeit gegen dieses Sanierungskonzept herauszunehmen, hatte die SPD im Jahr 2012 ein Finanzrahmengesetz durch die Bürgerschaft gebracht, das dem Senat feste Ausgaben-Obergrenzen bis 2020 vorschreibt. Er »wundere« sich, ätzt Finanzsenator Tschentscher jetzt, dass andere Parteien große Mehrausgaben versprechen und diese schlicht aus steigenden Steuereinnahmen finanzieren wollten. Die CDU müsste dazu erst einmal die Haushaltsgesetze verändern, wozu ihr mit Sicherheit der politische Wille fehlt.
Vordergründig ist der politische Erfolg der Sanierungskonzeption eindeutig. Die Schattenseiten wie Substanzverluste in der öffentlichen Infrastruktur, Ausdünnung des Personals im öffentlichen Dienst mit massiver Erhöhung des Leistungsdrucks und Verzicht auf Bekämpfung von Fehlentwicklungen wie Wohnungsmangel, Anstieg der Armut (vor allem der Altersarmut), abgehängte Stadtteile und Quartiere etc. haben keine Bündelung sozialer Proteste provoziert.
Mit Sicherheit ist die Stadt nicht auf künftige Herausforderungen durch wirtschaftlichen Strukturwandel, Verschiebung im Altersaufbau der Bevölkerung und konjunkturelle Einbrüche eingestellt. Aber im Unterschied zu anderen Bundesländern kann die SPD bei der Umsetzung der Schuldenbremse Vollzug melden.