Der rechte Rand

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15. Januar 2019 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Das Elend mit den Schulden

Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung einschließlich aller Extrahaushalte haben im Jahr 2018 ihre Schulden reduzieren können. Diese Botschaft gilt auch für Hamburg, verkündet Finanzsenator Dressel. Hamburg hat im vergangenen Jahr im Kernhaushalt Altschulden in Höhe von 903 Mio. Euro getilgt. Damit sei der der hohe Wert aus dem Jahr davor noch einmal deutlich übertroffen – 2017 konnten bereits 640 Mio. Euro Altschulden abgebaut werden.Für das Jahr 2018 waren im Haushaltsplan ursprünglich 219 Mio. Euro für die Schuldentilgung vorgesehen.

Allerdings hat die Stadt gleichwohl mit 1,53 Mrd. Euro dennoch so viele neue Schulden machen müssen wie nie zuvor. Die traurige Wahrheit ist also: Bis auf Hamburg und Schleswig-Holstein haben alle Länder ihre Schulden verringert. Denn im Zuge des Verkaufs der HSH Nordbank an US-Investoren mussten die Alteigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein jeweils Garantien über 2,44 Mrd. Euro einlösen, mit denen sie für Verbindlichkeiten ihrer Bank gehaftet hatten. Anders formuliert: Statt für das HSH-Drama fast 2,5 Mrd. Euro neue Kredite aufnehmen zu müssen, konnte der rot-grüne Senat diese Belastung durch hohe Überschüsse im Haushalt auf 1,5 Mrd. Euro drücken. Der Schuldenstand im Kernhaushalt (also ohne öffentliche Unternehmen) stieg dadurch auf 23,9 Milliarden Euro.

Entwicklung der Schulden

 

Nimmt man noch die Schulden der Sondervermögen Schulimmobilien Hamburg und Stadt und Hafen dazu, hat der Schuldenstand Ende 2018 bei knapp 26,0 Mrd. Euro gelegen.
Aber selbst diese Zahlen sind nur die halbe Wahrheit. Denn trotz des Jubels über die Haushaltskonsolidierung, der inzwischen etwas verhaltener klingt, rutscht Hamburg immer tiefer in die roten Zahlen. Beachtet man die kaufmännische Bilanz des »Konzerns Hamburg«, sind die Schulden der Stadt 2016 um knapp 2,3 Mrd. Euro gestiegen. Das war ein Plus von 7,8%. Der Hintergrund auch hier: Hamburg und Schleswig-Holstein mussten faule Altkredite der HSH-Nordbank übernehmen.



 Quelle: Statistisches Bundesamt

Hamburg und Schleswig Holstein waren damit die einzigen Länder in Deutschland, deren Verschuldung 2016, 2017 und auch 2018 nennenswert anstieg. 2017 hatte die Hansestadt 32,6 Mrd. Euro Schulden. Sie setzen sich zusammen aus den 22,3 Mrd. Euro Schulden des Kernhaushalts und den 10,8 Mrd. Euro Schulden der Extrahaushalte. Nimmt man noch die Schulden von dem öffentlichen Bereich zuzurechnenden Sonstigen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen in Höhe von 4,9 Mrd. Euro hinzu kommt man auf eine Gesamtverschuldung von 37,5 Mrd. Euro in 2017. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug (ohne Sonstige Fonds etc.) 17.885 Euro. Und: Die Schulden der Stadt sind seit 2010 um 12,4 Mrd. Euro gestiegen, die Pro-Kopf-Verschuldung um 3.750 Euro.

In keinem anderen Bundesland haben sich die öffentlichen Finanzen im letzten Jahr so schlecht entwickelt wie in Hamburg. Immerhin 13 Länder konnten sogar Schulden abbauen. Hamburg hat dagegen die größte Neuverschuldung zu verzeichnen. Die Hansestadt hat ihre Verbindlichkeiten 2017 um 4,7% ausgeweitet und damit so stark wie kein anderes Bundesland. Diese Tendenz hat sich auch 2018 fortgesetzt. Das gilt auch für die nächsten Jahren, wenn weitere Belastungen aus dem Verkauf der HSH Nordbank den öffentlichen Haushalt belasten werden. Immerhin wissen wir seit der Vorlage des Doppelhaushalts 2019/2020, dass der Schuldendienst für die Kredite in Sachen HSH Nordbank den Haushalt schon jetzt mit jährlich 50 Mio. Euro an Zinsen belastet.

Unangemessene Selbstfälligkeit

Finanzsenator Dressel sieht in der Altschuldentilgung einen Beweis der nachhaltigen Finanzpolitik. »Erfreulich ist auch, dass wir die Auswirkungen der HSH Nordbank auf den Schuldenstand der Stadt begrenzen konnten – das minimiert Belastungen in der Zukunft. Unsere konkret am Wachstum der Stadt ausgerichtete, stringente Ausgabenpolitik sowie sehr hohe Steuereinnahmen und ein niedriges Zinsniveau haben zu diesem gegenüber dem ursprünglichen Plan erfolgreichen Ergebnis beigetragen. Wir gehen den erfolgreichen Pfad von Investieren und Konsolidieren für den Hamburger Haushalt konsequent weiter. Das nächste Ziel ist der doppische Budgetausgleich im Jahre 2024.«

Das »Minimieren von Belastungen« in der Zukunft wird angesichts weiter steigender Schuldenstände ebenso ein frommer Wunsch bleiben wie der doppische Budgetausgleich 2024. Zudem stellt sich die Frage, ob die Altschuldentilgung angesichts der großen Herausforderungen, vor der die Stadt steht, und dazu gehört auch die deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, eine kluge politische Entscheidung ist.

Der rot-grüne Senat hat im letzten Jahr seinen in der Vergangenheit begangenen Weg »Pfad von Investieren und Konsolidieren« modifiziert, weil die Politik der strengen Haushaltskonsolidierung die städtischen Defizite immer deutlicher hat zutage treten lassen. Begründet wurde das mit dem Wachstum der Stadt und den sich daraus ergebenden größeren Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur. Und in der Tat: Allein der Bevölkerungszuwachs hat anfangen vom Wohnen, über die Bildung bis hin zu Gesundheit und Alter die bisherige Konzeption der Politik der Haushaltskonsolidierung durchlöchert und deren negativen Folgen für die Entwicklung der Stadt noch deutlicher zutage treten lassen: Verfall der öffentlichen Infrastruktur, dramatischer Mangel an preiswertem Wohnraum, Verfestigung der sozialen Spaltung und wachsender Schuldenberg.
Unter dem Druck der Verhältnisse hat der rot-grüne Senat deshalb seine bisherige Politik der Haushaltskonsolidierung (teilweise) korrigiert und nutzt die relativ guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die damit einhergehenden Steuermehreinnahmen, um mit dem Nachtragshaushalt 2018 und dem Doppelhaushalt 2019/2020 mit einer deutlichen Steigerung der Ausgaben einige Fehlentwicklungen in der Stadt zu korrigieren.

Dies ist gut so, reicht aber nicht aus. Vor allem fehlt dahinter ein Plan für Hamburgs Zukunft. Das bloße Reagieren auf sich auf städtische Notlagen führt nur zu einer Mangelwirtschaft in Permanenz. Zudem muss bezweifelt, ob schon allein die aus den jährlich 20.000 neuen Bewohner*innen sich zusätzlich ergebenden Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur (vor allem Verkehr, Wohnen) und die staatlichen Dienstleistungen mit diesen Ausgabesteigerungen bewältigt werden können – geschweige denn die Beseitigung der sich über lange Jahre aufgebauten strukturellen Defizite. Beispiel Wohnungsbau. Wenn jedes Jahr 20.000 Menschen zusätzlich in die Stadt kommen, reichen die projektierten 3.000 neuen preiswerten Wohnungen nicht einmal aus, um diese Neuankömmlinge unterzubringen. Am Fehlbestand von 80.000 preiswerten Wohnungen ändert sich nichts, im Gegenteil wird er durch Wohnungen, die aus der Preisbindung fallen, nur noch größer.

Die über den Wachstumsfaktor mobilisierten Finanzmittel reichen deshalb nicht aus, um auch nur die Folgen des Bevölkerungszuwachses aufzufangen. Die städtischen Defizite werden vielmehr trotz Mehrausgaben größer. Beispiel Wohnungspolitik: Wenn im Doppelhaushalt 2019/2020 an der Linie festgehalten wird, 3.000 preiswerte Wohnungen im Jahr zu bauen, reicht das nicht einmal, um die Neuankömmlinge unterzubringen, geschweige denn das Problem der strukturell fehlenden 80.000 preiswerten Wohnungen in der Stadt (und jährlich kommen die aus der Sozialbindung fallenden Wohnungen hinzu) anzugehen. Das Gleiche ließe sich für die Bereiche Schulen, Kindergärten oder öffentlicher Nahverkehr sagen. Die hierfür trotz deutlicher Ausgabensteigerung vorgesehenen Mittel sind alles andere als »auskömmlich«. Hinzu kommen die großen Probleme in der Wirtschaftsstruktur Hamburgs. Denn trotz aller Positivmeldungen über Wirtschaftswachstum, hohen Beschäftigungsstand und Rekordeinnahmen bei den Steuern, darf nicht vergessen werden, dass vor allem die Hamburger Hafenwirtschaft immense Probleme hat.

Der rot-grüne Senat hätte deshalb besser daran getan, angesichts des immer noch niedrigen Zinsniveaus die zur Schuldentilgung genutzten Mittel mindestens teilweise für die Investitionen in die großen städtischen Defizite zu nutzen und auch mehr gegen die soziale Spaltung in der Stadt, etwa zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit, zu tun. Das wäre auch angesichts der sich abschwächenden Konjunktur ein wirkungsvoller Beitrag zur Stabilisierung der regionalen Wirtschaft. Die Mahnung des früheren ersten Bürgermeisters der Stadt, Scholz, »Die fetten Jahre sind vorbei« sollte auch für die Landespolitik sehr ernst genommen werden.

Gefragt nach seiner wichtigsten Botschaft, mit der er sich bei den Bürger*innen der Stadt um eine Wiederwahl bewerben wolle, hat Bürgermeister Tschentscher von »Zuversicht für die kommenden Jahre« gesprochen. »Es gibt zu viel Skepsis und Befürchtungen. … Wenn eine Stadt die Herausforderungen der Zukunft gut bewältigen kann, dann ist es Hamburg!« Allerdings müsste die »Zuversicht« mit einem klugen Plan für die Zukunft der Stadt unterfüttert werden, aber der ist noch nicht erkennbar.

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