Der rechte Rand

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20. Oktober 2016 Joachim Bischoff / Bernhard Müller: Hamburgs Bilanz 2015

Das Elend der öffentlichen Finanzen

Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher gefällt sich in der Rolle des Märchenonkels. Immer wieder verkündet er die Botschaft, dass ihm das parlamentarische Budgetrecht – der Kern der repräsentativen Demokratie – eine Herzensangelegenheit sei. Diese Rolle unterlag auch seiner Präsentation des Geschäftsberichts und des Jahresabschlusses der Freien und Hansestadt für das Jahr 2015.

Der Hintergrund: Nach einem mehrjährigen Übergangsprozess hat man die alten Vorschriften der Kameralistik hinter sich gelassen und für die öffentlichen Finanzen die strengen Anforderungen des Wirtschaftsrechts umgesetzt. Damit – so Tschentscher – werde der öffentliche Haushalt transparenter und verständlicher.

Der Rechnungshof und die parlamentarische Opposition sind gegenüber dieser politischen Lyrik kritisch (wir verweisen an dieser Stelle auf die von uns gemeinsam mit Norbert Hackbusch und Norbert Weber verfasste Broschüre der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft zum Doppelhaushalt 2017/18: Wie SPD und Grüne Hamburg kaputtsparen). Allein die gängige Praxis, die Haushaltsbücher in gemeinverständliche Folien zu übersetzen (die allerdings auch oft noch nachfragebedürftig sind), belegt, dass diese nicht durch Verständlichkeit glänzen. Anders als die ParlamentarierInnen, die sich in der Kontrolle der Exekutive verschleißen, ist die Öffentlichkeit mit dem schlechten Resultat zufrieden.

Tschentscher beruhigt: »Nun haben wir ein sehr zutreffendes Bild von unserer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.« Aber leider stecken wir immer noch tief im Schuldenmorast. Die Stadt weist ein negatives Eigenkapital von fast 23 Mrd. Euro aus. Das bedeutet: Wenn Hamburg alles verkaufen würde, was es besitzt, dann blieben noch jede Menge Schulden und künftige Verpflichtungen übrig.

Bei der Präsentation des aktuellen Geschäftsberichts und des Jahresabschlusses hatte der Finanzsenator denn auch eine gute und eine schlechte Botschaft parat. Die gute zuerst: In kameraler Rechnung hat der Stadtstaat im Jahr 2015 erneut einen Überschuss von 223 Mio. Euro erzielt. Schon 2014 war ein Plus von 423 Mio. Euro erreicht worden, hatte Hamburg die Bedingungen der Schuldenbreme (Haushaltsausgleich bis 2020) also mehr als übererfüllt.

Dass der Überschuss von 2014 nicht ganz erreicht wurde, führt Tschentscher vor allem auf die gestiegenen Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen zurück. Das klingt zwar plausibel, ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit. So haben etwa die Gaunereien der HSH Nordbank oder ähnliches den Haushalt in 2015 erneut mit mehreren hundert Mio. Euro belastet.

Bei der traditionellen kameralen Bilanz werden nur Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand gegenüber gestellt. Die Hamburger Haushaltspolitik orientiert sich deshalb seit 2015 an der doppischen kaufmännischen Haushaltsrechnung, wie sie für Unternehmen gilt. Hier werden z.B. Rückstellungen für künftig anfallende Beamtenpensionen ebenso erfasst werden wie Abschreibungen auf Investitionen, zum Beispiel in Infrastruktur.

Berücksichtigt man also den Wertverfall des öffentlichen Vermögens und künftige Verpflichtungen ergibt sich ein völlig anderes Bild der Haushaltssituation der Stadt, die den Finanzsenator zugleich zu der trostlosen und schlechten Botschaft zwingt: Die die Stadt ist seit längerem pleite. Laut dem Geschäftsbericht, der auch die rund 400 öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen der Stadt einbezieht, hat die Stadt Hamburg 2015 erneut ein Defizit rund 862 Mio. Euro Defizit erwirtschaftet, im Jahr zuvor waren es 947 Mio. Euro. Ohne die Beteiligungen, also im engeren Bereich des staatlichen Handelns, hätte das Defizit mit 932 Mio. Euro (im Vorjahr: 790 Mio. Euro) noch höher gelegen. Die Erträge der 154 städtischen Unternehmen und ihrer 250 Tochtergesellschaften verringerten das Defizit.

Die Folge: Das »negative Eigenkapital« der Stadt ist weiter von 22,3 Mrd. auf 22,9 Mrd. Euro gestiegen. Den Schulden stehen also keine entsprechenden Vermögenswerte gegenüber. Das heißt: Selbst wenn die Stadt alle Grundstücke, Häuser, Unternehmen und sonstigen Vermögen, die in ihrem Besitz sind, verkaufen würde, blieben Schulden in Höhe von knapp 23 Mrd. Euro.

Hinzu kommt der anhaltende Verschleiß des Infrastrukturvermögens Bei diesem liegen die Abschreibungen immer noch über den Investitionen für Erhalt und Ausbau, was der Rechnungshof seit Jahren moniert. Zwar sei in den Planungen für den Doppelhaushalt 2017/2018 eine Verbesserung des Investitionsniveaus feststellbar, aber eine »deutliche Erhöhung der Investitionstätigkeiten im weiteren Planungszeitraum ist aber nicht zu erkennen.«

Im Bereich des Kernhaushalts kann also von einer wirklichen Anstrengung zur Aufholung des Sanierungsstaus nicht die Rede sein. Im Planungszeitraum 2017-2020 halten sich Abschreibungen und Investitionen (zudem auch noch absinkend geplant) in etwa die Waage, es findet damit nur keine weiterer Vermögensverzehr statt, der gewaltige Sanierungsstau aber bleibt. Von einem Substanzerhalt ist die Stadt meilenweit entfernt.


Vermögensvernichtung

Ein weiterer gewichtiger Faktor bei der Entwicklung des negativen Eigenkapitals sind die Rückstellungen vor allem für die HSH Nordbank. Dafür wurden in die Bilanz 2014 schon einmal knapp 4,5 Mrd. Euro reingerechnet. 2016 ist dann aus diesem rein bilanziellen Vorgang ein tatsächlicher Zahlungsvorgang geworden, für den Hamburg und Schleswig-Holstein Kredite aufnehmen mussten, um der HSH Nordbank Schrottpapiere im Wert von knapp fünf Mrd. Euro abzukaufen, deren tatsächlicher Wert bestenfalls nur 2,4 Mrd. Euro beträgt.

Im Jahr 2015 mussten im Zusammenhang mit der HSH Nordbank zudem Rückstellungen für das negative Eigenkapital der HSH Finanzfonds AÖR (288,5 Mio. Euro) und des Hamburgischen Finanzfonds AöR (126,5 Mio. Euro) gebildet werden. Auch die Abschreibungen von 101,6 Mio. Euro auf den Wert des Eigenkapitals der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH, der Konzernholding der Freien und Hansestadt Hamburg, resultieren im Wesentlichen aus ihrem Engagement bei der HSH Nordbank.

Probleme bereitet auch Hapag-Lloyd. Die 20,6%, mit denen die Stadt über die HGV an der Reederei beteiligt ist, haben weiter an Wert verloren: Um 140 Mio. Euro hat die HGV ihre Beteiligung 2015 nach unten korrigiert, nach 106 Mio. Euro im Jahr 2014. »I want my money back« – dieses Ziel von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf das insgesamt 1,2 Mrd. Euro schwere Investment der Stadt ist immer schwerer einzulösen.


Schulden steigen

Logischerweise spiegelt sich die miserable ökonomische Situation des Konzerns Hamburg in einem aufwachsenden Schuldenstand – entgegen dem vom Senat gepflegten Mythos des Schuldenabbaus. Der funktioniert nur, wenn der Blick auf den Kernhaushalt begrenzt wird. Da geht der Senat nämlich davon aus, dass bis Ende 2016 »unter Einbeziehung der für 2016 geplanten Nettokreditaufnahmen sowie einer außerplanmäßigen Tilgung« ein voraussichtlicher Schuldenstand des Kernhaushalts in Höhe von rund 23.298 Mio. Euro erreicht wird. Da er die geplanten Überschüsse der Haushaltsjahre 2017 bis 2020 komplett für die Tilgung von Krediten im Kernhaushalt verwenden will, soll der Schuldenstand bis Ende 2020 auf rund 22.170 Mio. Euro absinken.

Aber der Blick auf die Schulden im Kernhaushalt ist nur die halbe Wahrheit, was auch die politisch Verantwortlichen wissen. Denn tatsächlich sind die Schulden der Hansestadt trotz guter Konjunktur und hoher Steuereinnahmen nach Angaben des Statistischen Bundesamts auch im vergangenen Jahr um 1,7% auf 28,73 Mrd. Euro gestiegen. Zu diesem wenig überraschenden Ergebnis kommt man dann, wenn man auch die Kreditaufnahmen der diversen Sondervermögen einbezieht. Dazu gehören z.B. die Hamburger Konzernholding HGV und der HSH Finanzfond.

Auf den Kernhaushalt entfielen danach Ende 2015 23,2 Mrd. Euro und auf die Extrahaushalte 5,5 Mrd. Euro. Nimmt man dazu noch die Schulden von Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, die nicht zum Sektor Staat gehören – die Ende 2015 Schulden von knapp 5,5 Mrd. Euro ausgewiesen haben –, betrug die Gesamtverschuldung des öffentlichen Bereichs in Hamburg laut Statistischem Bundesamt sogar 34,2 Mrd. Euro.

In einer etwas anderen Abgrenzung als das Statistische Bundesamt hatte der Rechnungshof in seinem »Monotoring Schuldenbremse Hamburg 2015« schon darauf hingewiesen, dass die Schulden des öffentlichen Bereichs zum 31.12.2014 insgesamt 38,6 Mrd. Euro betrugen. Davon entfielen 23,2 Mrd. Euro (2015: 24,5 Mrd. Euro) auf den Kernhaushalt, sieben Mrd. Euro auf die Extrahaushalte und 8,3 Mrd. Euro auf sonstige Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU).

Eine nüchterne Bestandsaufnahme der Situation der Stadt war vom Senat und von Finanzsenator Tschentscher nicht zu erwarten. Stattdessen pflegt er die »Errungenschaften« seiner Vorgänger Peiner, Freytag und Frigge und flüchtet sich in geschönte Erzählungen: Das Ergebnis für den Hamburger Haushalt in 2015 sei besser als erwartet, und die Überschuldung der öffentlichen Haushalte in Hessen und Bremen noch gravierender.

»Momentan in diesem Jahr haben wir gute Bedingungen, im letzten Jahr hatten wir Überschüsse, im vorletzten Jahr hatten wir Überschüsse.« Wie groß der Überschuss am Ende dieses Jahres sein wird, sei allerdings nicht vorhersehbar, sagte der Finanzsenator. »Und deswegen müssen wir streng weiter konsolidieren, dürfen nicht großspurig werden, sondern müssen weiter sehr sparsam mit dem Geld der Steuerzahler umgehen.«

Wer wird Letzterem widersprechen wollen? Wenn aber auf gewichtige Risikofaktoren für die Haushaltslage der Stadt, den Verschleiß und die Vernichtung öffentlichen Vermögens nicht eingegangen wird, stattdessen erhöhten Kosten für die Flüchtlinge in den Vordergrund geschoben werden, wenn es um die belastende Faktoren bei der Entwicklung der Haushaltszahlen geht, dann muss schon danach gefragt werden, wohin das politisch führen soll. Die immer gleiche Botschaft des Senats und des Märchenonkel-Finanzsenators lautet: Die Politik der Haushaltskonsolidierung muss, auch wenn Hamburg die Bedingungen der Schuldenbremse längst erfüllt, koste es was es wolle fortgesetzt werden.

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