12. Februar 2012 Joachim Bischoff und Bernhard Müller
Bürgermeister Scholz als Konzernführer
Hapag-Lloyd ist eines der traditionsreichsten Unternehmen und größten Arbeitgeber am Standort Hamburg. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren auch finanziell engagiert, um die Reederei und die damit verbundenen Arbeitsplätze für die Region zu sichern.
Unternehmensrechtlich gehört die Reederei Hapag-Lloyd zum Touristikkonzern TUI: 2008 wollte die TUI Muttergesellschaft das Containergeschäft aus der Hapag-Lloyd herauslösen, um sich auf ihr Kerngeschäft Touristik zu konzentrieren. Nach diversen Auseinandersetzungen mit Interessenten am Frachtgeschäft einigte man sich auf die jetzt noch gültige »Hamburger Lösung«. Ursprünglich war geplant, dass das Konsortium Albert Ballin 100 % der Hapag-Lloyd kaufen sollte. Bedingt durch die Finanzkrise war Klaus-Michael Kühne gezwungen, seinen mittelbaren Anteil zu reduzieren. Infolgedessen behielt der TUI-Konzern selbst 43,3 % und das Konsortium übernahm nur noch 56,7 %.
Der TUI Konzern steht aber in seinem Kerngeschäftsfeld erheblich unter Druck und möchte sich von Anteilen des Konzerns trennen, um mit dem Erlös den Dienstleistungskonzern zu sanieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. In den Fokus tritt daher – wie stets in den letzten Jahren – wieder die Beteiligung an Hapag-Lloyd, die das Konzernergebnis zusätzlich belastet und keinen positiven Deckungsbeitrag zum Konzernergebnis beiträgt. Die TUI selbst und damit auch der Aktienkurs stehen gewaltig unter Druck.
Seit Monaten wird deshalb um die Zukunft der Hamburger Traditionsreederei Hapag Lloyd gerungen. Der Reisekonzern TUI möchte seine Anteile substantiell verringern. Ursprünglich war geplant, den Verkauf über einen Börsengang zu realisieren. Aber die Rahmenbedingungen auf den Finanzmärkten lassen eine Börsenkapitalisierung nur zu schlechten Bedingungen zu. Bis Anfang 2011 hielt die TUI 43,3 % an der Hapag-Lloyd Holding, die als Obergesellschaft des Hapag-Lloyd Konzerns fungiert. Auf das »Albert Ballin« Konsortium, das einst gegründet worden war, um einen Verkauf der Hamburger Traditionsreederei an den Rivalen NOL aus Singapur zu verhindern, entfielen 56,7%. An diesem Konsortium war Hamburg mit 40,67 % beteiligt. Anfang März 2011 veräußerte der TUI-Konzern dann 11,3% seiner Anteile an »Albert Ballin«, sodass nach Abschluss dieses Aktienverkaufs die TUI nunmehr 38,4% an der Hapag-Lloyd Holding hält.
Die Hamburgische Seefahrtsbeteiligung »Albert Ballin« besitzt nach diesem Deal die restlichen 61,6%.Gemäß dem Halbjahresbericht 2011 der Hapag-Lloyd sieht die aktuelle Eigentümerstruktur wie folgt aus: Als Teil des Konsortiums »Albert Ballin« hält Hamburg über seine HGV Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft 23,6% an der Hapag-Lloyd Holding, bezogen auf 100% aller Anteilseigner einschl. dem TUI-Anteil. Weitere Teilhaber am Konsortium sind die Kühne Holding (24,6%), die Iduna (5,5 %), die HSH Nordbank (3,2%), die Hanse-Merkur (1,5%) sowie ein Investorenpool unter Leitung der M.M. Warburg (3,2%).Vom Plan, die Anteile komplett zu verkaufen, ist TUI offensichtlich abgerückt.
Das Unternehmen will seinen Anteil an Hapag-Lloyd von derzeit 38,4% zwar kräftig zurückfahren, allerdings bei der Reederei nicht komplett aussteigen. Eine Beteiligung von weiterhin bis zu 20% ist vorgesehen. Damit würde TUI zwar nicht alle dem Konsortium zum Jahresanfang zum Verkauf angedienten 33,3% los. Aber Konzernchef Michael Frenzel könnte den Aktionären schon auf der Hauptversammlung einen finanziellen Erfolg vermelden.
Frenzel steht unter Druck der Anteilseigner, die vor mehr als drei Jahren angekündigte Konzentration auf das Reisegeschäft umzusetzen. Bisher kam der Konzern aus Hannover dabei nur im Schneckentempo voran. Zuletzt waren Verhandlungen mit Investoren aus China und Oman im Sande verlaufen, da die große Unsicherheit an den Börsen und die scharfe Konkurrenz in der Schifffahrt einen Strich durch die Rechnung machten. Ein geplanter Börsengang gelang nicht, weil in dem schwierigen Umfeld eine angemessene Bewertung des Unternehmens fast unmöglich machte.
Am Ende zog TUI das vertraglich mit dem Albert-Ballin-Konsortium um Kühne und die Stadt Hamburg vereinbarte Andienungsrecht für 33,3% an Hapag-Lloyd. Dadurch wurde ein Verfahren in Gang gesetzt, um sich mit den Miteignern über den Verkaufspreis zu einigen. Da aber weder die Hansestadt noch Kühne verfügen über liquide Finanzmittel, um alle 33% zu übernehmen, hat sich TUI offensichtlich jetzt bereit erklärt einen Anteil von 20% zu halten. Die Kauf der verbleibenden Anteile durch das Konsortium »Albert Ballin« wird allerdings fast ausschließlich von Kühne und der Stadt gestemmt werden müssen.
So will der hochverschuldete Stadtstaat nach Informationen der F.A.Z. 420 Mio. Euro aufwenden, um TUI ein weiteres Aktienpaket abzukaufen. Damit dürfte der Anteil Hamburgs von aktuell 23,6% auf mehr als 37% steigen.
Die Stadt würde damit zum größter Anteilseigner von Hapag-Lloyd. Auch der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne ist bereit, seinen Anteil von derzeit 24,6% aufzustocken. Mit 160 Mio. Euro engagiert er sich aber deutlich weniger stark als die Stadt. Von den übrigen vier Hapag-Aktionären, die ihre Interessen gemeinsam mit Kühne und der Stadt im Albert-Ballin-Konsortium gebündelt haben, wollen lediglich zwei weitere Aktien übernehmen, allerdings nur in geringem Umfang: Hanse-Merkur investiert 13 Mio. Euro und Signal Iduna sieben Mio. Euro. Insgesamt wollen sich Hamburg, Kühne und die beiden Versicherer mit 600 Mio. Euro bei Hapag-Lloyd engagieren. Die von der Warburg-Bank beratenen Investoren und die HSH Nordbank, die bisher je 3,2% hielten, übernehmen hingegen keine weiteren Anteile.
Die Hoffnung der Anteilseigner und vor allem Hamburgs: Zumindest einen Teil von Hapag-Lloyd möchten die Eigner mittelfristig an die Börse bringen. Sollte es eines Tages dazu kommen, könnte die Stadt ihre Anteile an das Konsortium Albert Ballin übertragen.
Diese Rechnung enthält allerdings große Risiken. Denn die Lage in der Seeschifffahrt ist anhaltend schwierig. So geht es auch bei Hapag Lloyd nach einer zwischenzeitlicher Erholung nun wieder abwärts. Der Konzern hat im 1. Halbjahr 2011 einen Verlust über 32,7 Mio. Euro ausweisen müssen – nach einem Gewinn von 174,9 Mio. Euro im Vergleichszeitraum 2010. Der harte Preiskampf in der internationalen Frachtschifffahrt, hohe Treibstoffkosten und die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe setzen den Reedereien stark zu.
Auch Deutschlands bekannteste Linienreederei Hapag-Lloyd kann sich der Verschlechterung der Geschäftsbedingungen nicht entziehen. Die Schwierigkeiten betreffen nicht nur Hapag-Lloyd, sondern die gesamte Branche. Hintergrund ist, dass die Frachtraten für den Transport der Container unter Druck stehen und die Preise für Treibstoff deutlich gestiegen sind. Dass bei fast allen großen Reedereien die Frachtraten deutlich gedrückt werden, die Transportpreise je Container, um bis zu 50% einbrechen, liegt das vor allem daran, dass in den kommenden Monaten viele neue Schiffe in Dienst gestellt werden.
Die beiden Marktführer unter den Reedereien liefern sich einen erbitterten Kampf um Marktanteile und kaufen derzeit Ladungsaufträge zu immer niedrigeren Konditionen ein.
Nach Einschätzung von Schifffahrtsexperten ist kein Ende dieser Konstellation absehbar. Die harte Konkurrenz drückt die Frachtraten. Die Lage in der Schifffahrt stellt sich so insgesamt als hochriskant dar. Dies hat auch Konsequenzen für die Schiffsfinanzierer, zu denen ja auch die HSH Nordbank gehört: Ende 2010 hatten deutsche Banken in ihren Büchern Schiffskredite mit einem Gesamtvolumen von etwa 110 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch Abbauprogramme wie die »Restructuring Unit« der HSH Nordbank, die insgesamt 30 Mrd. Euro im Bestand hatte. Davon waren neun Mrd. Euro in der »Abbaubank«.
Die meisten Experten erwarten noch mindestens ein bis zwei Jahre schwierige Bedingungen. Die wichtigsten Routen für die Containerschiffe befinden sich zwischen Europa und Asien. Ausgerechnet auf diesen Linien kommen immer neue Containerschiffe hinzu, was sich zusätzlich negativ auf die zu erzielenden Frachtraten (Transportpreise) auswirken wird.
Gegen das Engagement der Stadt bei Hapag Lloyd, um die Traditionsreederei als eigenständige Reederei mit Sitz in Hamburg zu halten und damit den Wirtschaftsstandort Hamburg zu stärken, ist wenig einzuwenden. Selbstverständlich kommt die Hansestadt mit ihren Alliierten in dem Konsortium nicht zügig aus dem Engagement heraus.
Die Übernahme weiterer Kapitalanteile von TUI ist faktisch unvermeidlich. Hamburg hat sich in der Vergangenheit mehrfach finanziell engagiert, um den Verkauf wichtiger Unternehmen ins Ausland zu verhindern, so beim Kosmetikhersteller Beiersdorf und der Kupferhütte Norddeutsche Affinerie, heute Aurubis.
Allerdings sind die damit verbundenen Risiken genau abzuwägen. Hamburg schiebt schon jetzt einen Schuldenberg von 28 Mrd. Euro vor sich her – Tendenz steigend. Mit dem jetzt in Aussicht gestellten 420 Mio. Euro zur Aufstockung der Beteiligung an Hapag Lloyd und den absehbaren Verlustrisiken in der Schifffahrt (und bei der Schiffsfinanzierung, also der HSH Nordbank) droht hier allerdings eine weitere Erhöhung des städtischen Schuldenbergs – mit ungewissen Zukunftsaussichten. Eine Trennung von dem Unternehmensengagement ist auf absehbare Zeit nicht vorstellbar.
Die Hansestadt steckt in einer gefährlichen Allianz mit dem Unternehmer Kühne. Längerfristig muss eine neue Strategie für das Traditionsunternehmen gefunden werden und die Hansestadt ist sicher überfordert mit der Aufgabe der Unternehmensführung. Kühne und Nagel ist eine Unternehmensgruppe, die international tätig ist. Die Unternehmensgruppe ist gerade dabei den Konzern gründlich umzustrukturieren. Das Dienstleistungsunternehmen soll radikal neu definiert. Ziel: Kühne und Nagel muss mehr können, als nur Transport zu organisieren. Das kann die Wettbewerbsfähigkeit weiter steigern. Doch die Hansestadt wird als Miteigentümer nur den Beifahrersitz besetzen können.