Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

Einblicke in 20 Jahre
»Institut für Staatspolitik«
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Friedrich Engels zum 200.

Reiner Rhefus
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184 Seiten | in Farbe | Hardcover | zahlreiche Fotos | EUR 16.80
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Lebenswertes Hamburg
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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

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Karl Marx in Hamburg
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184 Seiten | durchgängig farbig | Festeinband | viele bislang unveröffentlichte Fotos und historische Abbildungen | EUR 19.80
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Starke Einführung

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Linke Kommunalpolitik –
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Crashkurs Kommune 12
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DenkMal Friedhof Ohlsdorf
33 Stätten der Erinnerung und Mahnung | Herausgegeben von der Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e.V.
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Kino-Geschichten einer Großstadt:
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ISBN 978-3-89965-578-0

16. Februar 2015 Joachim Bischoff / Bernhard Müller: Die Wahl in Hamburg

Blühende Hansestadt mit wachsender Armut

Die SPD feiert den Sieg in der Hamburger Bürgerschaftswahl überschwänglich. Angesichts des Rausches über die Nähe zur absoluten Mehrheit geht völlig verloren, dass die SPD auch fast 10.000 WählerInnenstimmen verloren hat und bei einer erneut tieferen Wahlbeteiligung (56,6%) dies Ergebnis für nur knapp 26% aller Wahlberechtigten steht.

Das »überragende« Resultat, von dem Sigmar Gabriel nun spricht, erinnert die GenossInnen an die gute alte Zeit, in der die SPD in ihren Hochburgen im Norden und Westen der Republik absolute Mehrheiten errang und so im Bund noch den Stolz einer echten Volkspartei besaß. Der SPD-Vorsitzende gratuliert Olaf Scholz zu diesem »einmaligen Vertrauensbeweis«. Seine Erklärung für das Abschneiden in Hamburg: Der Erste Bürgermeister habe Versprechungen gemacht, die er erstens einhalten konnte und zweitens auch eingehalten habe. Und die Hamburger SPD unter Scholz stehe für eine Kombination von wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Ausgewogenheit.

Genau mit dieser These – Scholz stehe für »wirtschaftliche und soziale Kompetenz« – verbaut sich der Parteivorsitzende einen Deutungsansatz für das Wahlergebnis. So bleiben denn auch die bundesweiten Schlussfolgerungen für einen Ausbruch der Sozialdemokratie aus dem 25%-Ghetto nebulös. Wenn nicht andere gesellschaftliche Entwicklungen die SPD aufrütteln, wird sich die Partei  2017 wiederum in ein aussichtsloses Rennen begeben.

Die eigentliche Überraschung der Hamburger Bürgerschaftswahl liegt in der Aufsplitterung des bürgerlichen Lagers. Entgegen den Erwartungen vieler Politikexperten ziehen die Freien Demokraten  mit 7,4% und die rechtspopulistische Alternative für Deutschland mit 6,1 % in die Bürgerschaft ein. Die häufig tot gesagte FDP holt mit einem nach US-amerikanischem Vorbild geführten Wahlkampf immerhin knapp 7.000 Stimmen zusätzlich. Die AfD setzt mit etwa 42.000 Stimmen ihren Aufstieg fort. Sie blieb zwar deutlich hinter den Ergebnissen in den neuen Bundesländer zurück, kann sich aber gleichwohl Hoffnung machen, den Einbruch in das etablierte Parteiensystem geschafft zu haben.

Leidtragende dieser Flügelbewegung zwischen erneuertem Liberalismus und Rechtspopulismus war die hanseatische Union. Mit einem Verlust von 38.000 Stimmen blieb sie bei einem Stimmanteil von 15,9% hängen. Keine Frage ist dies ein beispielloser Niedergang einer Volkspartei, der selbst noch entsprechende Niedergangsoperationen der Sozialdemokratie toppt.

Das Kernsegment des bürgerlichen Lagers hatte zuvor bei der Kandidatenaufstellung gründlich aufgeräumt. Die Auswechselung von liberalen Geistern durch rechtskonservative Unionsleute konnte freilich nicht die auseinanderstrebenden Kräfte bündeln. Die Bundeskanzlerin und ihre engeren Gefolgsleute schweigen zur desaströsen Niederlage, aber für die Bundespartei unterhalb der Deutschlandebene wurde die Botschaft verstanden.

Eine »ordentliche Klatsche« sei die Wahlniederlage in Hamburg gewesen, sagt der CDU-Vize und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier. Das erfolgreiche Abschneiden der Sozialdemokraten führte er auf deren Spitzenkandidaten zurück, der einen »überzeugenden Bürgermeister« abgegeben habe, und »einem Ausgreifen der SPD ins bürgerliche Lager«. Die CDU habe dagegen kein überzeugendes eigenes Thema anbieten können. Sie erhielt zu Recht sechs Prozentpunkte weniger als bei der Wahl zuvor und rutschte damit auf ein historisches Tief ab.

EU-Kommissar Günther Oettinger forderte die CDU auf, überall strategisch zu prüfen, welche Koalitionsoptionen sie anbiete. »Wir haben in Hamburg letztlich keine Perspektive bieten können«, sagte der CDU-Politiker. Die Forderungen nach einem Richtungswechsel der Partei lehnte Oettinger dagegen ab. »Die CDU muss ihre Programmatik fortsetzen.« Entscheidende Bedeutung hätten die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im nächsten Jahr.

Die CDU-Strategen spielen nicht nur die Wiederauferstehung der FDP herunter, sondern wollen auch den Einzug der AfD in die Hamburger Bürgerschaft mit 6,1% nicht überbewertet sehen. In Hamburg würde oft anders gewählt als in anderen Teilen Deutschlands. Früher habe etwa die rechtspopulistische Schill-Partei 20% der Stimmen erhalten, sagte Bouffier. »Gemessen daran ist dieser knappe Einzug nichts besonderes. Man kann daraus nicht ableiten, dass sich die AfD dauerhaft etabliert.«

Die Unterschätzung der AfD ist verständlich, wird sich aber weiterhin als große Schwäche in der politischen und Wahlstrategie auswirken. Umgekehrt ist wenig überraschend, dass der parteiinterne Konflikt bei der AfD auch nach der Hamburg-Wahl nicht aufgehoben ist. Während der Vize-Vorsitzende Hans-Olaf Henkel das Wahlergebnis als Bestätigung für seinen wirtschaftsliberalen Kurs wertete, übte der rechtskonservative Flügel Kritik.

Mit Blick auf die noch weit erfolgreicheren Wahlen im Spätsommer letzten Jahres in Ostdeutschland sagte der Co-Parteichef Konrad Adam: »Man sollte den im Osten erfolgreichen nationalkonservativen Flügel nicht weiter abtöten.« Die Co-Vorsitzende Frauke Petry ist sich sicher: »Die AfD hätte in Hamburg besser abgeschnitten, wenn sie stärker auf originäre AfD-Inhalte wie innere Sicherheit, Islam und Zuwanderung gesetzt hätte.« Henkel widersprach deutlich: Ohne die in der öffentlichen Wahrnehmung zu große Nähe der AfD zur islamkritischen Dresdner Pegida-Bewegung hätte die Partei mehr Sitze in der Hamburger Bürgerschaft errungen.

DIE LINKE hat davon profitiert, dass in Hamburg gerade die »Kombination von wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Kompetenz« nicht funktionierte. Wie das Forschungsinstitut Infas-dimap festhielt, hat die SPD in der Hansestadt zwar ihre Wirtschaftskompetenz in den Augen der WählerInnen auf einen bisher nie erreichten Spitzenwert gesteigert, zugleich aber bei der sozialen Gerechtigkeit sieben Punkte abgeben müssen. Umgekehrt konnte sich die Linkspartei – bestätigt von Einschätzungen der Sozialverbände etc. – als politische Formation profilieren, die die wachsende soziale Spaltung und Armutsentwicklung zum politischen Thema gemacht hat.

Der Anteil der Menschen, die arm sind, hat in Hamburg in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Hansestadt liegt inzwischen gemessen an der Armutsgefährdungsquote deutlich über dem durchschnittlichen Armutsniveau in Deutschland (15,9%). 2013 waren 16,9% der Bevölkerung von Armut betroffen, das waren knapp 300.000 BürgerInnen. Berücksichtigt man die teuren Lebenshaltungskosten in der Stadt, waren es sogar 18,7% (etwa 325.000). Wegen der Absenkung des Renteniveaus und der Ausbreitung nicht die Existenz sichernder Beschäftigungsverhältnisse wird Altersarmut auch in Hamburg ein immer drängenderes soziales Problem. Der SPD-Senat leugnet oder ignoriert dies hartnäckig.

Arm sein hieß im Jahr 2013 in Hamburg konkret mit weniger als 934 Euro (Einpersonen-Haushalt) bzw. 1.961 Euro (Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren) auskommen zu müssen. Und Arm sein hat vielfältige Formen der Diskriminierung zur Folge: das geht von der Verdrängung aus aufgewerteten Stadtteilen bis hin zum Abgekoppeltsein vom gesellschaftlichen Leben, weil das Geld nicht für einen Internetanschluss oder die Fahrkarte in andere Stadtteile etc. reicht. So finden wir denn auch in Hamburg eine regional sehr unterschiedliche Verteilung von Armut. Diese Dynamik wird vor allem auf Bezirks- und Stadtteilebene sichtbar: Die kontinuierlich Jahr für Jahr wachsende Zahl der von Altersarmut betroffenen BürgerInnen ist in die für Hamburg charakteristische sozial-räumliche Polarisierung eingebunden.

Im Bezirk Hamburg-Mitte, in dem viele sozial benachteiligte Quartiere angesiedelt sind, drückt sich die »Bewegung der Armen« in einer abnehmenden Wahlbeteiligung von 46,1% aus. Die bürgerliche »Volkspartei« CDU kommt hier nur auf einen Stimmenanteil von 12% und wird von der Linkspartei, die mit Sicherheit noch etwas braucht, um sich das Attribut »Volkspartei« zu erarbeiten, mit 12,5% überflügelt. Die FDP rangiert hier unter der 5%-Hürde, während die AfD mit einem Ergebnis von 6,8% knapp über dem Landesdurchschnitt (6,1%) liegt. In Altona liegt die Wahlbeteiligung über 60%, die CDU bleibt mit 13,7% unter dem Landesdurchschnitt und die FDP holt ein Traumergebnis von über 9%. Hier kommen die Rechtspopulisten nicht über 4,4% hinaus.

Was folgt aus dieser ersten Analyse? Die anvisierte rot-grüne Koalition hat die Chance, das Problem einer wachsenden sozialen Kluft zur Kenntnis zu nehmen und einige Akzente in Sachen Armutsbekämpfung anders zu setzen. Allerdings sind unsere Erwartungen hier nicht sehr hoch. Die Linkspartei hat eine Legislaturperiode vor sich, in der eine heftige Konkurrenz unter den Bruchstücken des bürgerlichen Lagers zu erwarten ist. Wenn DIE LINKE aus ihrer Entwicklung selbstkritische Schlussfolgerungen zieht, könnte ein strategischer Umgang mit dem Problem von wachsender Armut und Benachteiligung von Quartieren eine Grundlage für weitere Erfolge sein.

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