Der rechte Rand

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18. Juli 2014 Joachim Bischoff und Bernhard Müller

Armut in einer reichen Stadt

Hamburgs Grüne fordern eine Enquete-Kommission zur Armutsbekämpfung in der Stadt. Eine Kommission mit Experten etwa aus Wissenschaft, Verbänden und Politik soll nach dem Willen der Grünen-Fraktion in der kommenden Wahlperiode nach Lösungen suchen und politische Empfehlungen geben. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg unterstützt die Forderung. Joachim Speicher vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte: »Hamburg ist nicht nur die Hauptstadt der Altersarmen, sondern immer stärker auch sozial gespalten.

Die Reichen werden reicher und die Armen immer ärmer.«1 Um die Kluft nicht weiter wachsen zu lassen, müssten die Parteien gemeinsam mit Experten nach Lösungen für die »bedrohliche Lage« suchen, betonte Speicher, der auch Sprecher der Nationalen Armutskonferenz ist. Nimmt man die breite Beteiligung bei den Konferenzen zur sozialen Spaltung und Armut als Bezugspunkt, dürften weitere zivilgesellschaftliche Akteure diese Initiative entschieden unterstützen.

Auch wenn die regierende SPD und deren Sozialsenator Scheele es gerne anders hätten: Hamburg kommt immer häufiger in dies Schlagzeilen als Hauptstadt der Armut, obwohl diese Metropole doch zu der wohlhabendsten Region Europas gehört.

Beispiel 1: Sozial-räumliche Polarisierung

Hamburg gehört zu den Städten mit der höchsten sogenannten Segregation, wie die räumliche Trennung unterschiedlicher Gruppen genannt wird. Ein Indikator dafür ist, wo die Menschen mit schlecht bezahlten Jobs in der Stadt leben. »Vor allem in den südlichen (alsternahen) Teilen der Bezirke Eimsbüttel und Hamburg-Nord, in den elbnahen Teilen des Bezirks Altona sowie im äußersten Nordwesten Hamburgs finden sich große Gebiete mit sehr geringen Niedriglohnanteilen. Dagegen erstrecken sich ausgehend vom Bezirk Harburg über Teile von Hamburg-Mitte (z. B. Wilhelmsburg und Horn), hin zum südlichen Teil des Bezirks Wandsbek (z. B. Jenfeld) Wohngegenden mit einem ausgeprägt hohen Niedriglohnanteil. Aber auch in den anderen Bezirken gibt es punktuell hohe Niedriglohnanteile (z. B. Lurup im Bezirk Altona).«2

Was heißt dies konkret? Die räumliche Trennung von Einkommensgruppen hat bei einer starken Ausprägung unerwünschte Folgen: »Im Ergebnis kann innerstädtische Einkommenssegregation dazu führen, dass sozioökonomisch schwächeren Bewohnern qualitativ schlechtere lokale öffentliche Ressourcen und Netzwerke zur Verfügung stehen. Diese sind aber für Bildungsergebnisse und Arbeitsmarktchancen sowie für Sozialisation und Informationsaustausch von hoher Bedeutung.«3 Da die Hamburger SPD-Regierung die Programme gegen die soziale Spaltung massiv zurückgefahren hat, ist dies ein Beitrag zur Verschärfung der Armut.

Beispiel 2: wachsende Altersarmut

Hamburg wurde im letzten Jahr die Auszeichnung als »Hauptstadt der Altersarmut« in Deutschland verliehen. Sozialsenator Scheele protestierte trotz eindeutiger Faktenlage: In Hamburg waren 2012 6,2% der BürgerInnen, die älter als 65 Jahre sind, auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Das war der deutliche Spitzenplatz im Ranking der Bundesländer. Nimmt man noch die hinzu, die zwar keine Grundsicherung beziehen, mit ihrem Einkommen aber unterhalb der Armutsgrenze liegen, sind es sogar 11,7% (gemessen am Bundesmedian). Und diese Tendenz hat sich auch in 2013 fortgesetzt. Erneut ist die Zahl der auf Grundsicherung im Alter angewiesenen BürgerInnen um 7% gegenüber dem Vorjahr angestiegen.

 

Wachsende Altersarmut führt auch dazu, dass immer mehr RentnerInnen noch einem Job nachgehen müssen. Ende 2013 waren 25.220 (ausschließlich) geringfügig oder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 65 Jahre und älter. Im Jahr 2000 waren das erst 12.172. Dabei ist die Beschäftigung von Menschen im Rentenalter seit 2000 deutlich stärker gewachsen (+79,5%) als die Beschäftigung insgesamt (+14%).

Beispiel 3: Kinderarmut

»Die Kinder-Armut in Hamburg ist riesig. In vielen Stadtteilen ist fast jedes zweite Kind auf Sozialleistungen angewiesen.« Dies ist die Einschätzung von Susann Grünwald, Gründerin der »Stiftung Mittagskinder« in Hamburg. »Es wäre schön, wenn unsere Stiftung überflüssig wäre«, sagt sie. »Der Bedarf ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden.« Auch die Einführung von Ganztagsschulen habe die Situation nicht verändert. Den Kindern fehlt es häufig an den wichtigsten Dingen, weiß Grünwald aus ihren langjährigen Erfahrungen. Die Sozialbehörde sieht diese Stimme aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich als übertriebene Verallgemeinerung von Einzelfällen an.

Kinderarmut in ausgewählten Stadtteilen

Stadtteil

im Alter 0-7

in %

Billstedt

2.444

48,4

Wilhelmsburg

1.976

45,9

Rahlstedt

1.428

26,4

Jenfeld

815

46,1

Horn

976

40,2

Lurup

851

36,2

Steilshop

673

48,9

Harburg

641

41,1

Hammerbrock

33

51,6

Rothenburgsort

465

53,4

Veddel

180

45,2

Dulsberg

470

46,9

Neugraben-Fischbek

533

30,5

Hausbruch

404

35,8

Hamburg

24.951

22,0

Quelle: Statistikamt Nord: Sozialleistungen in den Hamburger Stadtteilen 2012

Politische Schlussfolgerung der Grünen: »Eine Millionenstadt mit großem Wohlstand kann es sich nicht leisten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung in der Armutsfalle steckt«, so die sozialpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion und Grünen-Landesvorsitzende, Katharina Fegebank. »Wir hoffen, dass die anderen Fraktionen der Bürgerschaft nach der Wahl diesen Weg mitgehen« und der Einrichtung einer Enquetekommission zustimmen.

Die SPD-Fraktion rückt von der Verharmlosung der Armut in der Hansestadt ab: »Über die Einsetzung einer Enquete-Kommission zu diesem Thema kann sinnvoll nur die neue Bürgerschaft im nächsten Frühjahr entscheiden«, teilte der parlamentarische Geschäftsführer, Dirk Kienscherf, mit. Eine Enquete-Kommission kann den Grünen zufolge auf Antrag eines Fünftels der Bürgerschaftsabgeordneten eingesetzt werden. Bis zu neun Sachverständige könnten geladen werden.

Allerdings bleibt die Gefahr, dass die Zurückdrängung der Armut in der parlamentarischen Kommission stecken bleibt. »Das soll kein zweiter Sozialausschuss werden«, betonte Fegebank. Auch eigene Forderungen der Grünen sollten in der Kommission auf den Prüfstand kommen. Das Thema sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: »Armut geht uns alle an.« Das unterstreicht auch Norbert Hackbusch von der Linksfraktion: »Soziale Spaltung ist zentrales Problem – nicht nur im Wahlkampf.«

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1 Vgl. zum Thema: Joachim Bischoff/Klaus Bullan/Bernhard Müller, »Soziale Spaltung in Hamburg«. Prekäre Beschäftigung, Hartz IV, Sozial-räumliche Polarisierung, Kinderarmut, Altersarmut. 

http://www.vorort-links.de/fileadmin/users/nordlinks/pdf-dateien/nords_LINKS_Soziale_Spaltungen_in_Hamburg_2014_Web.pdf

 

2 Philipp vom Berge, Norbert Schanne, Christopher-Johannes Schild, Parvati Trübswetter, Anja Wurdack und Ana Petrovic, Wie sich Menschen mit niedrigen Löhnen in Großstädten verteilen, IAB-Kurzbericht 12/2014, S. 4.f

3 ebd., S. 3

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