Der rechte Rand

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8. Mai 2013 von Joachim Bischoff und Bernhard Müller

Armes reiches Hamburg

Die Hamburger Grünen haben seit einiger Zeit die Bekämpfung der sozialen Spaltung einen höheren Stellenwert in ihrer Stadtpolitik zugewiesen. Die Landeschefin Fegebank greift den Verfall der öffentlichen Infrastruktur auf, die sich in maroden Schulgebäuden, kaputten Straßen, einem überlasteten öffentlichen Personennahverkehr und fehlenden Betreuungsangeboten für Kinder zeige.

»Das reiche Hamburg ist nur eine Seite der Stadt. In kaum einer anderen Metropole sind Einkommen und Vermögen so ungleich verteilt wie hier. Kinder- und Altersarmut sind weit verbreitet, ganze Stadtteile sind von positiven Entwicklungen abgehängt, und es geht an vielen Stellen gefühlt und gelebt einfach nicht mehr gerecht zu in der Gesellschaft. Genau deshalb brauchen wir eine Umverteilung. Und ja, es stimmt, dass viele unserer Wählerinnen und Wähler, die ein gutes oder sehr gutes Einkommen erzielen, sich jetzt fragen, warum auch sie von den grünen Steuererhöhungsplänen betroffen sind.«1

Die Zuspitzung der sozialen Spaltung
lässt sich in der Tat in den Metropolregionen deutlich greifen. Neue Untersuchungen belegen, dass die soziale Polarisierung in Deutschland trotz der relativ guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre weiter vorangeschritten ist. So auch der im Dezember letzten Jahres vom Paritätischen Wohlfahrtsverband (PW) vorgelegte Bericht zur regionalen Armutsentwicklung in Deutschland.2

Nach dem Bericht des PW
wurde 2011 mit einer Armutsgefährdungsquote3 von 15,1% ein absoluter Höchststand seit der Vereinigung erreicht. Die Daten zeigen seit 2006 einen klaren Trend nach oben. Armuts- und Wirtschaftsentwicklung haben sich völlig voneinander gelöst: Ging im Jahr 2006 ein signifikantes Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4% noch mit einem Rückgang der Armutsgefährdungsquote von immerhin 0,7% einher, so kann 2011 überhaupt kein positiver Zusammenhang mehr zwischen Wirtschafts- und Armutsentwicklung festgestellt werden. Ganz im Gegenteil: Obwohl das BIP um 3,9% wuchs, stieg auch die Armut um 4,1%. Damit hat sich die Dynamik der sozialen Spaltung in 2011 deutlich verstärkt.

Dies auch trotz einer relativ guten Arbeitsmarktsituation, die zu einem Rückgang bei der Langzeitarbeitslosigkeit geführt hat. Die Armut wächst seit 2006, obwohl die SGB-II Quote leicht zurückgegangen ist – auch wenn sie mit 9,8% im Juli 2011 nach wie vor auf sehr hohem Niveau verharrt. Dies ist ein unübersehbarer Hinweis auf Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Noch deutlicher wird dieser umgekehrt proportionale Zusammenhang zwischen Armuts- und Arbeitsmarktentwicklung, wenn man die Entwicklung der Arbeitslosenquote im Berichtszeitraum betrachtet: Die guten statistischen Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik werden mit einer »Amerikanisierung« des Arbeitsmarktes, dem Phänomen der »working poor«, erkauft.

Hamburgs sozialer Flickenteppich

Diese Entwicklung gilt auch für Hamburg. In 2011 ist die Quote der von Armut betroffenen BürgerInnen deutlich angestiegen – und dies trotz rückläufiger SGB II-Quote.) Die sog. Armutsgefährdungsquote, die den Anteil der Menschen mit einem Einkommen von weniger als 60% des Durchschnittseinkommens misst, lag 2011 bei 14,7% (+13% ggb. 2010). Von Armut betroffen sind damit etwa 250.000 BürgerInnen der Stadt.

Gleichzeitig ist auf dem anderen sozialen Pol
die Zahl der Wohlhabenden, die pro Monat mehr als Doppelte eines Durchschnittshaushalts zur Verfügung haben, auch in der Wirtschaftskrise und im folgenden Aufschwung weiter gestiegen. Mit 12,2% ist der Anteil dieser reichen Haushalte in Hamburg 2011 so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Nimmt man deshalb den Landesmedian als Bezugspunkt für die Berechnung von Armut, liegt Hamburg mit einer Quote von 18,0% armer BürgerInnen auch hier mit deutlichem Abstand an der Spitze aller Bundesländer. Die Einkommenspolarisierung schreitet also auch in Hamburg zügig voran.



Während des Wirtschaftsaufschwungs 2005-2007
ist die Armut leicht zurückgegangen, weil viele Langzeitarbeitslose eine Arbeit gefunden haben – häufig allerdings nur im Bereich der prekären Beschäftigung. Dies gilt für den Aufschwung 2010 ff. so nicht mehr, weil prekäre Beschäftigung mehr und mehr nicht vor Armut schützt. So ist die Zahl der Beschäftigten, die ergänzende Hartz IV Leistungen bezogen haben, kontinuierlich gestiegen. Sie liegt aktuell bei etwa 36.000. 101.000 Menschen sind ausschließlich geringfügig beschäftigt und knapp 33.000 befinden sich in einem Leiharbeitsverhältnis. Insgesamt befinden sich ca. 330.000 Lohnabhängige (über 30%) in einem prekären Beschäftigungsverhältnis. Über 100.000 BürgerInnen sind ohne Arbeit und suchen einen Job.

Arm sein heißt konkret in Hamburg
mit weniger als 913 Euro (Einpersonen-Haushalt) bzw. 1.917 Euro (Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren) aus kommen zu müssen.

Arm sein hat vielfältige Formen der Diskriminierung zur Folge. Das reicht von der Verdrängung aus aufgewerteten Stadtteilen bis zum Abgekoppeltsein vom gesellschaftlichen Leben, weil das Geld nicht für einen Internetanschluss oder die Fahrkarte in andere Stadtteile etc. reicht. Vor allem: Eine wachsende Zahl von Haushalten mit sehr niedrigen Einkommen führt zu einer stärkeren Konzentration dieser Haushalten in den Gebieten der Stadt, in denen die Mietpreise niedrig sind. Das sind unsanierte Bestände in innerstädtischen Altbaugebieten und andere Quartiere mit niedriger Wohnqualität, die ein geringes Sozialprestige haben.

Diese Umsetzung der Einkommens- in eine räumliche Polarisierung der Stadt wird forciert, wenn der belegungsgebundene soziale Wohnungsbau eine immer geringere Rolle spielt – wie das in Hamburg der Fall ist. Statt preisgünstiger Wohnungen haben die diversen Stadtregierungen der letzten 20 Jahren die Aufwertung von bestimmten Quartieren (z.B. Ottensen oder St. Georg – ein Prozess, der als Gentrifizierung bezeichnet wird) gefördert, die vor allem über den Mechanismus der Mietsteigerung zu einer Vertreibung vieler BürgerInnen geführt hat.

Dadurch ist es zu einer immer stärkeren räumlichen Konzentration vieler mit sozialen Problemen beladener Haushalte gekommen. Es haben sich Quartiere herausgebildet, denen das Stigma der Armenviertel anhängt. In Wilhelmsburg, Rothenburgsort/Billbrock und Billstedt sind 26-30% der EinwohnerInnen auf Transferleistungen angewiesen. Knapp ein Fünftel aller Hamburger Stadtteile weist EmpfängerInnenquoten von 18% und mehr auf. In diesen Quartieren finden wir viele von Armut besonders betroffene Erwerbslose (Armutsgefährdungsquote 2011: 51,8%), Alleinerziehende mit ihren Kindern sowie MigrantInnen (28,7%).

Diese soziale Spaltung spiegelt sich in den großen Unterschieden im Lohn- und Einkommensteueraufkommen4 in den Hamburger Bezirken und Stadtteilen, die jetzt vom Statistikamt Nord für das Jahr 2007 vorgestellt wurden. Im Jahr 2007 gab es danach in Hamburg 890.247 Lohn- und Einkommensteuerpflichtige, die einen Gesamtbetrag der Einkünfte (im Folgenden »Einkommen«) in Höhe von 31,95 Mrd. Euro erzielten. Rein rechnerisch ergibt sich damit für jeden Steuerpflichtigen ein Einkommen in Höhe von 35.887 Euro, so das Statistikamt Nord. Da einige Steuerpflichtige sehr hohe Einkommen haben – beispielsweise gibt es in der Hansestadt 859 »Einkommensmillionäre« – liegen die Werte der meisten Steuerpflichtigen unterhalb des Hamburger Durchschnitts. Die Hälfte aller Steuerpflichtigen hat ein Einkommen von weniger als 22.329 Euro (Zentralwert oder auch Median).5



Schon auf der bezirklichen Ebene wird die krasse Einkommensspreizung sichtbar. Während in Altona die durchschnittlichen Einkünfte je Steuerpflichtigem bei 49.000 Euro liegen, sind es im Bezirk Mitte nicht einmal die Hälfte, nämlich 23.400 Euro. Bei gleicher Anzahl von Steuerpflichtigen liegen die Gesamteinkünfte im Altona bei 6,1 Mrd. Euro, in Mitte bei knapp 2,9 Mrd. Euro. Noch deutlicher tritt die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung auf der Stadtteilebene zu Tage. So liegen die Einkünfte in Nienstedten, Othmarschen und Blankenese um das Sechs- Achtfache über den Einkommen in Billstedt oder Wilhelmsburg. Und diese Kluft ist im Zeitraum von 2004 und 2007, für die Zahlen vorliegen, noch einmal deutlich gestiegen. So haben sich die Einkünfte in dieser Zeit, der Endphase der Hochzeit des Finanzmarktkapitalismus, in den betuchten Stadtteilen massiv erhöht (Othmarschen + 62,4%; Blankenese + 16,5% etc.), während die durchschnittlichen Einkommen in den ärmeren Quartieren rückläufig waren bzw. stagnierten.

Die höchsten Werte – jeweils mehr als 100.000 Euro Einkommen je Steuerpflichtigem – finden sich weiterhin in den Elbvororten Nienstedten (170.000 Euro), Othmarschen (144.000 Euro) und Blankenese (110.000 Euro) sowie in den Walddörfern, Wohldorf-Ohlstedt (105.000 Euro) und Wellingsbüttel (101.000 Euro). Jeweils ein Drittel dieser Einkünfte wurden aus den Einkunftsarten Lohnarbeit (35%) und Gewerbebetrieb (33%) erzielt, gefolgt von Einkünften aus Kapitalvermögen (15%) sowie selbständiger Arbeit (12%).



In sieben Stadtteilen liegt das Einkommen unter 20.000 Euro je Steuerpflichtigem. Fünf dieser Stadtteile gehören zum Bezirk Mitte: Kleiner Grasbrook/Steinwerder mit 12 000 Euro, Veddel (15.000 Euro), Rothenburgsort (19.000 Euro) sowie Horn (20.000 Euro). Hinzu kommen im Bezirk Nord der Stadtteil Dulsberg (19.000 Euro) und im Bezirk Harburg der Stadtteil Harburg (19.000 Euro). In diesen Stadtteilen stammte das Gros der Einkünfte aus Lohnarbeit (89%).

In den von Armut besonders betroffenen Quartieren ist – dies spiegelt ja gerade die Lohnsteuer- und Einkommensstatistik – auch die Arbeitslosigkeit besonders hoch. Verstärkt wurden diese Tendenzen durch die von den diversen Senaten der letzten 20 Jahre unterstützte und geförderte Aufwertung von bestimmten Quartieren (z.B. Ottensen oder St. Georg –ein Prozess, der als Gentrifizierung bezeichnet wird), die vor allem über den Mechanismus der Mietsteigerung zu einer Vertreibung vieler BürgerInnen in die schon bestehenden sozialen Brennpunkte geführt hat.

Mehr als ein Drittel aller Alleinerziehenden-Haushalte ist arm. Bezogen 2006 noch 29,7% dieser Haushalte ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle, waren es 2011 bereits 36,6%. 23% aller Kinder unter sieben Jahren lebt vom Sozialgeld. Auch hier finden wir wieder die typisch räumlich-soziale Konzentration. So sind im Bezirk Mitte 40,3% der Kinder unter sieben Jahren von Armut betroffen. In Stadtteilen wie Billstedt und Wilhelmsburg liegen diese Anteile bei 48-50%.

Neben Erwerbslosen und Alleinerziehenden mit ihren Kindern sind Menschen mit Migrationshintergrund stark von Armut betroffen. Bei ihnen liegt die Armutsquote 2011 bei 28,4%. Ende 2008 waren etwa 66.000 MigrantInnen auf Sozialleistungen angewiesen, das waren etwa 27% der in Hamburg lebenden Menschen ohne deutschen Pass.

Charakteristisch auch hier
wieder die sozial-räumliche Konzentration. So wies der Bezirk Mitte 2011 mit 44,8% den deutlich höchsten Anteil von BürgerInnen mit Migrationshintergrund auf. In Wilhelmsburg lag der entsprechende Anteil bei 56,8%. Innerhalb dieser Stadteile mit einer starken Kumulation prekärer Lebenslagen gibt es noch einmal eine Konzentration von Armut in bestimmten Quartieren. Hier ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch, finden sich viele Alleinerziehenden-Haushalte, liegt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei über 50% und der von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren aus Migrantenfamilien zwischen 65% und 80%.

SPD-Senat: Soziale Spaltung kein Thema

Trotz dieses dramatischen Auseinanderfallens der Lebenslagen in der Stadt ist das Thema soziale Gerechtigkeit bzw. soziale Spaltung keine Thema. Dies lässt sich mehr als deutlich am Rahmenprogramm für integrierte Stadteilentwicklung (RISE) ablesen. Statt mit gezielten Gegenmaßnahmen begegnet er der wachsenden soziale Spaltung mit Kürzungen im Bereich der integrierten Stadtentwicklung, bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik und in der Sozialpolitik (vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit). Den Bezirken werden weitere Personalabbau und Leistungskürzungen zugemutet. Und in der Wohnungspolitik zeigt sich die SPD unter dem Druck der wachsenden Wohnungsnot zwar rührig und will bis 2014 jährlich 6.000 neue Wohnung (davon 2.000 preiswerte Wohnungen) schaffen, stockt aber den entsprechenden Etat für die Wohnungsbaukreditanstalt nicht auf.



Zurecht kritisieren daher Grüne und LINKE, dass der SPD-Senat die ärmeren Stadteile faktisch abschreibe und das mit einer an sozialer Gerechtigkeit orientierten Politik nichts mehr zu tun habe. Durch die Kürzungen bei RISE würden zudem immer mehr Gebiete aus der Förderung herausfallen.

In der Tat: Einerseits hat sich der Senat einen (im Verhältnis zu den Herausforderungen eher noch zu kleinen) Reservefonds (Größenordnung 700 Mio. Euro) von der Bürgerschaft bewilligen lassen, um auf seinen diversen Baustellen (Elbphilharmonie, Sondervermögen Hafen und Stadt, HSH Nordbank) auflodernde Brände löschen zu können. Andererseits hat er vor allem das Personal im öffentlichen Bereich, die BürgerInnen in den sozial benachteiligten Stadtteilen und all jene, die auf Fortbildung ihrer Arbeitskraft oder einen sozialen Arbeitsmarkt angewiesen in die Rolle von Sparopfern versetzt. Betroffen von dieser Kürzungspolitik ist aber auch die öffentliche Infrastruktur, denn auf Grünanlagen, Sportplätze, Strassen etc. sind alle BürgerInnen angewiesen. Der Investitions- und Sanierungsrückstau wird verschärft. Letztlich ist diese Politik eine Beschädigung der regionalen Wertschöpfung, denn ohne befriedigende Infrastruktur lässt sich die reale Ökonomie nicht aufrechterhalten. Vom sozialen Zusammenhalt ganz zu schweigen.

Entscheidend ist:
Die SPD verschleppt die kleinsten Reformschritte zur Verminderung der sozialen Spaltung in Hamburg. Kaum fassbar, dass für diese Umsetzung die engagierte Gewerkschaftsfrau Blankau als Senatorin die Verantwortung übernimmt. Explodierende Mietpreise und Wohnungsnot sind für viele HamburgerInnen bittere Realität gerade angesichts der gedrückten Haushaltseinkommen.

In dieser Situation verzichtet die SPD darauf, zügig eine Begrenzung der Mieterhöhungen durchzusetzen. Seit 1. Mai ist die Änderung des Mietrechts in Kraft getreten. Danach können die Bundesländer die Mieten für bestehende Mietverhältnisse deckeln. Lag die Erhöhungsgrenze bislang bei 20% innerhalb von drei Jahren, kann sie nun auf 15% gesenkt werden. Doch die Stadtentwicklungsbehörde unter Leitung von Senatorin Jutta Blankau (SPD) prüft eine solche Begrenzung in Teilen Hamburgs noch. Eine Prüfung kann nur den Hintergrund haben: Entweder kennt Blankau die soziale Spaltung nicht, oder sie will sie nicht wahrhaben. Die Linkspartei ist empört: Es ist ein sozialpolitischer Skandal, »dass Hamburg seit Monaten die Chance ignoriert, zum 1. Mai die Mietenexplosion wenigstens bei der Kappungsgrenze zu deckeln«, so die Abgeordnete Heike Sudmann.

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1. Interview in der Welt vom 5.5.2013; siehe dazu unseren Beitrag »Hamburg: Hafen für alle? Gentrifizierung für alle«; www.vorort-links.de/nc/archiv/analysen_ansichten/detail/artikel/hamburg-hafen-fuer-alle-gentrifizierung-fuer-alle/2. Der Paritätische Wohlfahrtsverband: Positive Trends gestoppt, negative Trends beschleunigt. Bericht zur regionalen Armutsentwicklung in Deutschland 2012, Dezember 2012; www.der-paritaetische.de/index.php

2. Die Zahlen basieren auf dem Mikrozensus. Er ist die größte Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik. Nach einer Zufallsstichprobe wird etwa 1 Prozent aller Haushalte in Deutschland befragt. Dies sind ca. 390.000 Haushalte mit etwa 830.000 Personen. Durch die hohe Haushalts- und Personenzahl sind zudem relativ tiefe regionale Analysen möglich, ohne dass die statistischen Unsicherheiten zu groß werden. Der Mikrozensus ist damit nicht nur aktueller, sondern im Grunde auch zuverlässiger als andere Datenquellen wie EU-SILC oder SOEP.

3. Bei der Berechnung der »relativen Armutsquoten« werden, wie mittlerweile in der EU üblich, Personen in Haushalten gezählt, deren Einkommen weniger als 60% des durchschnittlichen bedarfsgewichteten Einkommens (Median) in Deutschland beträgt. 2011 lag die so errechnete, quasi-amtliche Armutsgefährdungsschwelle für einen Singlehaushalt bei 848 Euro. Für Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren lag sie bei 1781 Euro.

4. Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik stellt alle drei Jahre nicht nur Angaben über die festgesetzte Steuer, sondern auch über die Einkünfte der Steuerpflichtigen zur Verfügung. Da erste Angaben für 2010 erst im kommenden Jahr vorliegen werden, sind im Folgenden die kleinräumigen Auswertungen für 2007 dargestellt. Ehegatten mit Zusammenveranlagung werden dabei als ein Steuerpflichtiger gezählt.

5. Im Vergleich zu 2004 hat die Zahl der Steuerpflichtigen um 88.678 (plus 11,1%) zugenommen, das Einkommen stieg um 5,89 Mrd. Euro (plus 22,6%) und das durchschnittliche Einkommen je Steuerpflichtigen um 3.382 Euro (plus 10,4%). Ein großer Teil des Zuwachses bei den Steuerpflichtigen beruht auf der umfassenderen Erfassung der nicht veranlagten Fälle durch die Einführung der elektronischen Steuerklärung »ELSTERLohn«. Da diese Steuerpflichtigen mit überwiegend geringerem Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit nicht gleichmäßig über die Stadtteile verteilt sind, wird auf einen zeitlichen Vergleich auf kleinräumiger Ebene verzichtet.

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