3. Mai 2013 Joachim Bischoff: Die langsamen Mühlen der Justiz

Anklage gegen HSH Nordbank-Manager

Im Januar 2012 hat die Hamburger Staatsanwaltschaft mit einer dicken Anklageschrift einen Prozess gegen sechs Manager der HSH Nordbank beantragt. Die Prozesseröffnung ist nun für Juli 2013 angekündigt. Es wird mit Sicherheit ein herausragendes Justizverfahren. Die der Anklage unterliegenden Vorgänge beziehen sich auf den Dezember 2007.

Verantworten müssen sich der frühere HSH Nordbank-Chef, Hans Berger, sowie die Ex-Vorstandsmitglieder Peter Rieck, Jochen Friedrich, Hartmut Strauß, Bernhard Visker und Dirk Jens Nonnenmacher. Nonnenmacher war 2007 als Experte für Finanzen und Risikomanagement in die frühere Landesbank geholt worden und übernahm nach dem Rücktritt von Berger den Vorstandsvorsitz. Die Anklage lautet auf »Untreue in einem besonders schweren Fall«. Daneben werden Nonnenmacher und Friedrich auch Bilanzfälschung vorgeworfen.

Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Der Vorstand sei im Dezember 2007 pflichtwidrig unzureichend geprüfte Risiken eingegangen. Dabei war wegen der sich abzeichnenden Finanzkrise (Subprime-Krise) eine genauere Prüfung aller Kreditoperationen dringend geboten. Im Zentrum steht ein Wertpapiergeschäft mit der Bezeichnung »Omega 55«. Dies ist der Name einer so genannten Zweckgesellschaft, die gemeinsam mit der französischen Großbank BNP Paribas gegründet worden war.

In dieses Vehikel hatte die HSH Nordbank Immobilienkredite im Umfang von zwei Mrd. Euro eingebracht. Sie mussten daher nicht in der Bilanz 2007 ausgewiesen werden. »Omega« führte zu beträchtlichen Verlusten und dieses Geschäft ordnet sich ein in ein größeres Volumen von Wertpapieren, Krediten etc., die aus der HSH-Bilanz in Satelliten-Vehikel verlagert wurden, um einer genaueren Aufsicht der Bankenkontrolle auszuweichen und bessere Kennziffern der Kernbank gegenüber den Finanzmärkten vorweisen zu können. Diese keineswegs durch Gewinnabsicht angeleiteten Transaktionen – sie dienten der Bilanzverschönerung – waren mit schweren Vermögensschäden verbunden.

Eine Mischung aus überzogenen Renditeerwartungen der Anteilseigner, schlecht fundierten Ratschlägen externer Experten und dem Erfolgsdruck von Markt- und Branchenerwartungen hatten im Dezember 2007 einen wirtschaftlich und psychologischen Rahmen geschaffen, in dem Optimismus über Kontrolle und Risikoanalyse dominierte. In einem Rechtsgutachten zur Frage möglicher Pflichtverletzungen durch Mitglieder des Vorstandes der HSH Nordbank ist der Verdacht der Pflichtverletzungen angesprochen worden. Die Entscheidungsvorlage für das Wertpapiergeschäft »Omega« sei grob mangelhaft gewesen. Die juristische Auseinandersetzung geht also darum, ob diese Mängel der Entscheidungsvorlage so offensichtlich waren, dass sie den Herren Berger, Visker und Nonnenmacher hätten zwingend ins Auge fallen müssen.

Auf den Geschäftsbericht 2007 und den Zwischenbericht für das erste Quartal 2008 bezieht sich der Vorwurf der Bilanzfälschung: Der »Omega-Deal« war dort als normaler Kredit und nicht als riskantes Kreditersatzgeschäft verbucht worden.

Nicht verhandelt wird in dem Prozess die Rolle des Aufsichtsrates und der Eigentümer, sprich vor allem der politisch Verantwortlichen in den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein. Von einem vernünftigen Krisenmanagement konnte bei der HSH Nordbank so wenig die Rede sein, wie bei der SachsenLB oder der BayernLB. Obgleich die Krise bei anderen Landesbanken seit Mitte 2007 die öffentliche Diskussion beherrschte, wurden die Forderungen nach einem umfassenden Bericht und energischen Gegenmaßnahmen für die HSH Nordbank verschleppt. Dies ist ein gravierendes Versäumnis von Vorstand, Aufsichtsrat und politischer Vertretung der Eigentümer.

Den sechs Beschuldigten drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren, außerdem könnte die HSH Nordbank Schadenersatzansprüche einklagen. In dem langwierigen Verfahren werden die anderen Beteiligten aus Aufsichtsrat und Politik bestenfalls als Zeugen auftauchen. Es handelt sich also nur um die juristische Aufarbeitung einer möglichen Untreue. Macht ein Justizverfahren nach so vielen Jahren und gegen einen eingeschränkten Personenkreis dann überhaupt Sinn?

Es ist durchaus offen, ob die Beweise für schwere Untreue zulasten des öffentlichen Eigentums ausreichen. Dass sich hier vermeintlich erfahrene Finanzfachleute bewusst mit öffentlichen Mitteln in einen spekulativen Wirbel verstrickt haben, steht außer Zweifel. Es ist auch klar, dass für die letztlich systemsprengende Fehlentwicklung des kapitalistischen Finanzsystems eine umfassend angelegte Deregulierungspolitik verantwortlich war. Aber es ist auch unbestreitbar, dass diese Konstellation von etlichen Verantwortlichen massiv zum eigenen Vorteil ausgenutzt wurde.

Mit einer Verurteilung wegen schwerer Untreue könnte der Schaden nicht annähernd repariert werden, aber neben einem notwendigen Umbau des Finanz- und Wirtschaftssystems würde auch die Verantwortlichkeit durch kriminelle Akteure festgehalten. Wie die Entwicklung in Island zeigt, sind die Lern- und Abschreckungseffekte begrenzt; denn in Island haben die für den Fast-Bankrott des Landes politisch Verantwortlichen in einer Parlamentswahl nach wenigen Jahren wieder eine Handlungsvollmacht erhalten.

Gleichwohl: Hasardeure, die öffentliche Gelder in einem internationalen Finanzcasino verzocken, sollten nicht mit dem Verweis auf ein marodes Finanzsystem davon kommen.

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