Der rechte Rand

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Das antifaschistische Magazin (Hrsg.)
Das IfS. Faschist*innen
des 21. Jahrhunderts

Einblicke in 20 Jahre
»Institut für Staatspolitik«
184 Seiten | Fotos | EUR 12.80
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Friedrich Engels zum 200.

Reiner Rhefus
Friedrich Engels im Wuppertal
Auf den Spuren des Denkers, Machers und Revolutionärs im »deutschen Manchester«
184 Seiten | in Farbe | Hardcover | zahlreiche Fotos | EUR 16.80
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Lebenswertes Hamburg?

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Lebenswertes Hamburg
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Karl Marx war fünf mal in Hamburg?

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Karl Marx in Hamburg
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184 Seiten | durchgängig farbig | Festeinband | viele bislang unveröffentlichte Fotos und historische Abbildungen | EUR 19.80
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Starke Einführung

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Linke Kommunalpolitik –
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Crashkurs Kommune 12
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DenkMal Friedhof Ohlsdorf
33 Stätten der Erinnerung und Mahnung | Herausgegeben von der Willi-Bredel-Gesellschaft – Geschichtswerkstatt e.V.
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ISBN 978-3-89965-578-0

19. Juli 2019 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Abwärtstrend in Hamburg

Die Hochkonjunktur ist auch in Hamburg vorbei. Die Unternehmen der Hansestadt bewerten die aktuelle Geschäftslage, die Investitions- und Personalplanungen und die Exportaussichten deutlich kritischer. Zum ersten Mal seit sechs Jahren überwiegen wieder die pessimistischen Stimmen. Die Wirtschaft an der Elbe folge dem bundesweiten Trend.

 Der Geschäftsklimaindikator für die Hamburger Wirtschaft sank am Ende des zweiten Quartals auf 106,3 Punkte. Das waren satte 7,6 Punkte weniger als drei Monate zuvor.  Noch schlechter als in der Gesamtwirtschaft sind die Umfrageergebnisse bei den Logistik-Unternehmen. Vor allem die Sorge um eine nachlassende Auslandsnachfrage macht den Firmen zu schaffen. Außerdem: Jedes fünfte norddeutsche Metall- und Elektrounternehmen rechnet 2019 mit schlechten Geschäften.
Besonders kritisch ist  die Entwicklung in der maritimen Wirtschaft. Denn Hamburg als eines der internationalen Zentren der maritimen Wirtschaft verliert weiter an Gewicht. Das geht aus dem diesjährigen Report des britischen Informationsdienstes Baltic Exchange und der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua hervor, der seit 2014 einen Überblick über die wichtigsten Häfen bietet. Hamburg steht in diesem Jahr, wie schon 2017, insgesamt auf Rang sieben. 2014 und 2015 belegte die Hansestadt jeweils Platz fünf, 2016 und 2017 Platz vier. Spitzenreiter in dem Index ist 2019 erneut Singapur vor Hongkong, London, Shanghai, Dubai und Rotterdam.


 
Ein gewichtiger Faktor bei dieser Positionierung Hamburgs  ist das seit zehn Jahren stagnierenden Ladungsaufkommen im Hafen. Hinzu kommt, dass infolge der Konsolidierung im Bereich der Charterreedereien Hamburg als Reedereistandort an Bedeutung verloren hat. ist. Damit hängt eng zusammen, dass durch den Rückzug der HSH-Nordbank sowie anderer Banken und Fondsgesellschaften aus der Schiffsfinanzierung weite Teile der internationalen Flotte heute aus anderen Standorten heraus finanziert werden. Schließlich haben die wichtigsten Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen in den vergangenen Jahren ihren Abstand zu Hamburg beim Güterumschlag ausgebaut.

Auch die Schifffahrt selbst trägt neben dem Hafen zur schwächeren Position der Hansestadt im internationalen Vergleich bei. Im Jahr 2014 umfasste die deutsche Handelsflotte noch rund 3.200 Schiffe, die zum großen Teil von Hamburg aus bereedert wurden. Bis zum vergangenen Jahr war die deutsche Handelsflotte als Spätfolge von Finanzmarkt- und Schifffahrtskrise auf 2.300 Schiffe geschrumpft.

In der Politik ist dieser Trend nicht angekommen. Bei den politischen Parteien in Hamburg  sind weder die drohende Eintrübung der Konjunktur noch die Strukturprobleme vor allem der maritimen Wirtschaft im Vorfeld der Bürgerschaftswahlen ein Thema. Genauso wie die strukturellen Disparitäten am Hamburg Arbeitsmarkt. Auch dort gibt es reichlichen Handlungsbedarf

Gespaltener Arbeitsmarkt mit großem Niedriglohnsektor

Die sich abkühlende Konjunktur hat zwar auf dem Hamburger Arbeitsmarkt noch keine großen Spuren hinterlassen. Es hat in den letzten Jahren einen deutlichen Beschäftigungsausbau gegeben und die Zahl der Arbeitslosen ist zurückgegangen. Von den Einkommenszuwächsen haben aber längst nicht alle Beschäftigten gleichmäßig profitiert. Denn der Arbeitsmarkt ist Hamburg ist tief gespalten. »Leiharbeit, Teilzeit, Minijobs: Für viele ist das die Job-Realität. Das bedeutet schlechtere Löhne, Unsicherheit und weniger Weiterbildung als in sogenannten Normalarbeitsverhältnissen. Wir brauchen mehr gute Arbeit in Hamburg«, so die DGB-Vorsitzende Katja Karger.

So haben in der Hansestadt atypische Beschäftigungsverhältnisse stark zugenommen. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten etwa ist in den vergangenen 15 Jahren um 108% gestiegen, die der Minijobber*innen im Nebenjob um 166%. Eine Erklärung: Unfreiwillige Teilzeit wird oft mit einem Nebenjob kombiniert, um über die Runden zu kommen. 13% der Arbeitsverträge in Hamburg sind befristet, bei den Neueinstellungen sind es sogar 52%. Mitte der 90er Jahre betrug die Quote noch 5%. Die Zahl der Leiharbeiter*innen stieg von 2007 bis 2018 um 22%. Insgesamt sind in Hamburg 40% der Beschäftigungsstellen atypisch.


 
Die Folge: In Hamburg wie bundesweit gibt es einen stark ausgeprägten Niedriglohnsektor mit Verdiensten, mit denen die Beschäftigten kaum über die Runden kommen. Davon betroffen sind auch vollzeitbeschäftigte Lohnabhängige.

Deutschland hat einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Laut einer DIW-Studie sind inzwischen – unter Berücksichtigung der Teilzeit- und Nebenjobs – bundesweit mehr als 9 Mio. Menschen davon betroffen. Mitte der 1990er Jahre lag der Anteil der Beschäftigten mit einem Niedriglohn in Deutschland bei rund 16%. Seit 1997 ist eine starke Ausweitung dieses Lohnsegments zu beobachten: Seit dem Jahr 2008 liegt der Anteil konstant bei fast 24%. Da gleichzeitig ein allgemeiner Beschäftigungszuwachs in Deutschland zu verzeichnen war, bedeutet der konstante Anteil auch, dass im Jahr 2017 7,9 Mio. abhängig Beschäftigte einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle erhielten. Das waren 2,9 Mio. Beschäftigte (46%) mehr als noch 1995. Unter Berücksichtigung von Nebentätigkeiten lag der Anteil sogar bei 24,5% oder neun Mio. Beschäftigungsverhältnissen. Der Bruttolohn von 10,80 Euro ist die nach internationalen Standards in Deutschland geltende Grenze für Niedriglohn.

Logischerweise hat auch Hamburg einen großen Niedriglohnsektor. Nach einer Auswertung des DGB waren in Hamburg 2017 im Jahresdurchschnitt 90.734 Menschen in Vollzeit zu Niedriglöhnen beschäftigt. Das waren 14% aller Vollzeitbeschäftigten. Besonders hoch ist dabei der Anteil bei Arbeitnehmer*innen ohne Berufsabschluss (39 %), mit Migrationshintergrund (38 %) und bei Frauen (17%)

 

Niedriglöhne findet sich überdurchschnittlich oft auch bei den befristet Beschäftigten. In der Hansestadt Hamburg ist 2018 jede zweite Neueinstellung mit Sozialversicherungspflicht nach Angaben des DGB nur befristet gewesen. Betroffen von befristeten Arbeitsverträgen seien vor allem Beschäftigte in den Bereichen Information/Kommunikation, Kunst, Unterhaltung und Erholung gewesen, in denen bis zu 80% aller neuen Arbeitsverträge zeitlich begrenzt seien. Bei Erziehung/Unterricht und öffentliche Verwaltung liege der Anteil bei knapp unter 60%.
Dabei gibt es Gruppen, die überdurchschnittlich davon betroffen sind: Experten mit einem Anteil von 61% etwa stechen besonders hervor. Aber auch der hohe Anteil von jungen Beschäftigten unter 25 Jahren (56%) und Älteren über 55 (54%) zeigt, dass Befristungen längst zu einem Massenphänomen geworden sind, die alle auf dem Arbeitsmarkt treffen.

Besonders gravierend ist der Anstieg von sachgrundlosen Befristungen. Gemäß einer neuen Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) machten diese im Jahr 2018 5,6% aller Beschäftigungsverhältnisse in Hamburg aus – insgesamt 54.000 Arbeitsverträge. Der Hauptgrund dafür soll die Überprüfung der Eignung von Beschäftigten sein.
Katja Karger, die Vorsitzende des DGB Hamburg, kritisiert diese Praxis: »Sachgrundlose Befristungen werden immer öfter als verlängerte Probezeit missbraucht. Das erhöht den Leistungsdruck und macht Beschäftigte erpressbar. Befristete haben es schwerer gute Löhne und gerechte Arbeitsbedingungen einzufordern. Eine Schwangerschaft, eine zu lange Krankheit, eine engagierte Betriebsratsarbeit – alles kann dazu führen, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Schwer erkämpfte Kündigungsschutzrechte werden dadurch ausgehöhlt.«

Wer befristet ist, kann kaum langfristig planen. Knapp 80% der befristeten Verträge in Deutschland haben eine Laufzeit von unter zwei Jahren (Statistisches Bundesamt 2017). Das bedeutet Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oder beim Versuch einer Kreditaufnahme. Für ausländische Beschäftigte kann eine Befristung sogar nach mehreren Jahren Aufenthalt darüber entscheiden, ob sie auf Dauer in Deutschland bleiben können oder nicht. Auch Ehe und Familienplanung werden erschwert. Eine Befragung des DGB Index gute Arbeit stellt fest, dass Zukunftssorgen bei befristet Beschäftigten deutlich weiter verbreitet sind als bei unbefristeten.
Niedriglöhne verstärken soziale Ängste und Unsicherheiten. Sie ermöglichen keine vernünftige Vorsorge für das Rentenalter. Deshalb muss der gesetzliche Mindestlohn auf ein existenzsicherndes Niveau von 12 Euro angehoben und die Tarifbindung gestärkt werden, denn nur noch 45% der Beschäftigten bekommen laut Statistikamt Nord in Hamburg eine mit den Gewerkschaften ausgehandelte tarifliche Entlohnung.

Stärkung der Tarifbindung heißt, Tarifverträge deutlich leichter allgemeinverbindlich erklären zu können, damit sie ausnahmslos in der gesamten Branche gelten und der Konkurrenzkampf über Lohndumping ein Ende hat. Zudem gilt es, Tariftreueregelungen verbindlich in öffentliche Ausschreibungen aufzunehmen. Katja Karger: »Millionen Euro fließen im Auftrag der Stadt jährlich in öffentliche Dienstleistungen, Produkte oder Baumaßnahmen. Hier auf Tariftreue zu achten, ist ein wichtiges Instrument gegen Niedriglöhne und wirkt außerdem dem Kaufkraftverlust entgegen.«
Letztlich ist diese Diagnose nicht überraschend: Seit langem steht fest, dass die Lohnentwicklung in Deutschland und auch in der Hansestadt Hamburg unzureichend ist. Auch die politischen Parteien beklagen, dass immer mehr Menschen trotz Arbeit arm sind und nicht in gesicherten Verhältnissen leben können.

Stabile gesellschaftliche Verhältnisse mit geringen Armutsraten unterstellen gute und fair bezahlte Arbeit für alle. Dazu gehört, dass der Mindestlohn auf über 12 Euro die Stunde angehoben wird, damit Lohnabhängige im Alter nicht in Armut rutschen. »Leiharbeit und Minijobs müssten zurückgedrängt werden. Und: politisch muss es eine Stärkung der Tarifabschlüsse und Tarifbindung geben.«

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