Der rechte Rand

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21. Dezember 2019 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Rot-grüne Ignoranz gegenüber sozialer Spaltung

Am 23. Februar 2020 sind die Hamburger*innen aufgerufen, eine neue Bürgerschaft zu wählen. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap im Auftrag des NDR deutet sich zwei Monate vor der Wahl in Hamburg ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen an. Damit setzt sich auf Hamburger Landesebene der bundesweite Trend fort, dass die Sozialdemokratie ihr verloren gegangenes Terrain nicht zurückholen kann, während die Grünen ihre Position deutlich verbessern.

Wäre am kommenden Sonntag Bürgerschaftswahl, läge die SPD bei 28% und die Grünen bei 26%. Die CDU käme auf 17%, die Linke auf 11%, die AfD auf 7% und die FDP auf 6%. Die Grünen haben auch in der Hansestadt politisch massiv an Vertrauen gewonnen. Im Verhältnis zu der Bürgerschaftswahl vor fünf Jahren könnten sie ihr Ergebnis nahezu verdoppeln. Die SPD würde dagegen von ihren damals mehr als 45% um 17,6 Prozentpunkte abstürzen. Von den Oppositionsparteien verbessern sich im Vergleich zur Wahl 2015 CDU, Linke und AfD. Nur die FDP verliert 1,4 Prozentpunkte. 1


In der aktuellen Bürgerschaft verfügen Grüne und SPD über eine komfortable Mehrheit. Ein Bündnis aus SPD und Grünen käme auch jetzt auf eine Mehrheit von 54%, allerdings mit deutlich verschobenen Stimmanteilen.

Keine Wechselstimmung in Hamburg

Eine Wechselstimmung gibt es nicht in der Stadt: 42% wünschen sich, dass im Rathaus nach wie vor die SPD den Ersten Bürgermeister stellt. 20% wünschen sich einen CDU-Bürgermeister. Eine grüne Erste Bürgermeisterin wollen 27% der Befragten. Die CDU in Hambburg ist weit von einer politischen Führungsrolle entfernt

Die grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank verliert auch um 4 Prozentpunkte an Zuspruch – im Vergleich zur Umfrage im Frühjahr. Den größten Zuspruch erhält Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). 56% der Befragten sind mit seiner Arbeit zufrieden. Die beliebteste Politikerin der Opposition ist die Linke Spitzenkandidatin Cansu Özdemir, deren Arbeit 35% der Befragten schätzen.

In den Wahlprogrammen von SPD und Grünen taucht das Thema soziale Spaltung nur am Rande vor. Dies Ignoranz gegenüber den vielfältigen Formen des Auseinanderdriftens der Lebensverhältnisse in Hamburg war und ist charakteristisch für die Politik der rot-grünen Senate. Dies zeigt sich auch und erneut bei der Präsentation des Sozialmonotring-Berichts 2019 durch die Senatorin Dorothee Stapelfeld.

Darin hat der rot-grüne Senat hat erneut die sozialräumliche Entwicklung in der Hansestadt betrachten und beurteilen lassen. Das Selbstlob folgte auf dem Fuß: Begeisterung über die sehr stabile Entwicklung. »Erneut zeigt der aktuelle Sozialmonitoring-Bericht eine sehr stabile sozialräumliche Entwicklung für Hamburg auf. Erfreulich ist, dass nach wie vor keine zunehmenden Polarisierungstendenzen in Hamburg erkennbar sind. Im Vergleich zum Vorjahr nimmt die Zahl der Statistischen Gebiete mit niedrigem Status leicht ab.«

Im Sozialmonitoring-Bericht 2019 werden erneut Quartiere verglichen. Insgesamt 852 stadtteilähnliche »Sozialräume« mit mindestens 300 Einwohner*innen werden unter dem Blickwinkel von sozialen Faktoren wie Wohlstand, Bildung, Beschäftigungsgrad, Anteile der Empfänger*innen sozialer Leistungen und Anteil der Alleinerziehenden untersucht. Ziel ist es, soziale Brennpunkte auszumachen und potenziell unterstützungsbedürftige Quartiere zu identifizieren.

Unterschieden wird dabei auf Basis der Sozialindikatoren zwischen Gebieten mit hohem, mittlerem niedrigem und sehr niedrigem Status. Danach wiesen 554 Statistische Gebiete und damit 65,0 % aller untersuchten  Statistischen Gebiete in Hamburg einen mittleren Status aufweisen. Weitere 149 Statistische Gebiete haben einen hohen Status (17,5%). Insgesamt haben demnach 82,5 % aller Statistischen  Gebiete einen mittleren und hohen  Status. Rund 1.513.400 Personen und somit rund 80,6 % der Einwohnerinnen und Einwohner Hamburgs leben in diesen Statistischen Gebieten.

Zudem weisen insgesamt 73 Statistische Gebiete einen niedrigen (8,6%) und 76 einen sehr niedrigen Status (8,9%) auf. In diesen städtischen Quartieren leben besonders viele Arbeitslose, Sozialleistungsempfänger*innen und Menschen mit Migrationshintergrund. In diesen Gebieten. Hier leben laut Sozialmonitoring im Jahr 2018 insgesamt 364.900 Personen und somit rund 19,4 % der Einwohnerinnen und Einwohner.

Danach wiesen 542 Statistische Gebiete und damit knapp zwei Drittel aller Statistischen Gebiete in Hamburg einen mittleren Status auf (64%). 151 Statistischen Gebieten hatten einen hohen Status dar (18%). Demgegenüber weisen jeweils rund 18% aller Statistischen Gebiete einen niedrigen oder sehr niedrigen Status auf. In diesen städtischen Quartieren leben besonders viele Arbeitslose, Sozialleistungsempfänger*innen und Menschen mit Migrationshintergrund. In diesen Gebieten lebten im Jahr 2017 laut Sozialmonotoring-Bericht insgesamt 371.700 Personen und somit rund 20% der Einwohner*innen.2

Da sich im Vergleich zum Vorjahr beim Status der städtischen Gebiete nur geringfügige Veränderungen zeigen, lautet die frohe Botschaft der Senatorin Dorothee Stapelfeld: In Hamburg gebe es »eine sehr stabile sozialräumliche Entwicklung …. Erfreulich ist, dass nach wie vor keine zunehmenden Polarisierungstendenzen  in  Hamburg  erkennbar  sind.« Im  Vergleich zum Vorjahr nimmt die Zahl der Statistischen Gebiete mit niedrigem Status leicht ab. Die Zahl der Gebiete mit mittlerem Status ist im Vergleich zu den Daten von 2018 um zwölf angestiegen, die Zahl der Statistischen Gebiete mit hohem Status hat dagegen leicht um zwei abgenommen. Um sechs abgenommen hat die Zahl der Gebiete mit niedrigem Status, während die Zahl der Gebiete mit sehr niedrigem Status bei 76 konstant geblieben ist. Dies ist gewiss kein überzeugendes Ergebnis für eine sozial gestaltete Stadtentwicklungspolitik.

 
Wie immer, wenn es um die soziale Spaltung in der Stadt geht, demonstriert Rot-Grün die übliche Ignoranz. Man beruhigt sich damit, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist, und rechtfertigt damit das eigene Nichtstun. So als ob die verfestigte soziale Spaltung in der Stadt, der hohe Anteil von Hartz IV Empfänger*innen, von Kindern in der Mindestsicherung, von Alleinerziehenden unterhalb der Armutsgrenze, von Menschen mit Migrationshintergrund, bei denen sich die sozialen Problemlagen bündeln, oder auch die steigende Zahl von armen Rentner*innen die städtische Gesellschaft nicht vor große Herausforderungen stellen, die sich dann in bestimmten Quartieren bündeln.

Was sind die drückendsten Probleme in den benachteiligten Quartieren? Es gibt mehr Menschen mit Sprachproblemen, mehr Alleinerziehende. Die sozial-kulturellen Angebote sind bescheiden, gleichermaßen könnte die Verkehrsanbindung optimiert werden. Und: Immer mehr Mietpreisbindungen fallen weg. Die Sorge daher: Demnächst könnten sich viele Bürger*innen die Mieten vielleicht nicht mehr leisten. So heißt es in einem Bericht über den Osdorfer Born: »Schon jetzt merkt man in der Elternschule, dass andere Klientel kommt.« Demnächst könnten sich viele »Ur-Borner« die Mieten vielleicht nicht mehr leisten.

Zu Recht verweist die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft auf die problematische Tendenz der Verfestigung von Armut. Mehrere Hunderttausend Hamburger*innen lebten in Quartieren, die seit neun Jahren unverändert und insofern sehr stabil sozial benachteiligt sind. Zu bedenken ist, dass dieser Befund vor dem Hintergrund einer langjährigen sozio-ökonomischen Prosperität zu sehen ist.

 

Es ist Schönrednerei,
wenn Dorothee Stapelfeld die Verbesserung der Lebensbedingungen »überall in der Stadt« als Ziel des rot-grünen Senats ausgibt. Ja, es gibt etliche soziale Brennpunkte. Und ja, es gibt eine bedrückende Gleichgültigkeit und politische Passivität. Von einem gerechte Zusammenleben in unserer Stadt kann keine Rede sein. Denn nach wie vor führt die integrierte Stadtteilentwicklung im Handeln der politischen Akteure nur mehr ein kümmerliches Mauerblümchendasein. Die im Doppelhaushalt 2019/2020 vorgesehenen Mittel für RISE sind nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

 
Quelle: Entwurf Doppelhaushalt 2019/2020, Einzelplan 6.1., S. 48

Die politische Haltung von Rot-Grün entlarvt sich letztlich als Almosenprinzip gegenüber den Armutserscheinungsformen in den Bezirken und Stadteilen. Im Entwurf des Doppelhaushaltes heißt es: »Der Quartiersfonds wird im Einzelplan 9.2 – Allgemeine Finanzwirtschaft – in der PG 283.01 im Produkt ›Zentrale Bezirksmittel‹ veranschlagt und nicht in den bezirklichen Einzelplänen 1.2 -1.8. Diese Mittel werden unterjährig per Sollübertragung in die Einzelpläne der Bezirksämter übertragen und stehen für eine zweckentsprechende Verwendung zur Verfügung. Als Maßnahme der Stadtteilarbeit können bei ausreichender Mittellage Einrichtungen, Projekte und Initiativen gefördert werden, die für den sozialen Zusammenhalt und die Weiterentwicklung der Stadtteile von erheblicher Bedeutung sind; hierzu zählen z.B. Quartiers- und Stadtteilbeiräte, Stadtteilbüros, Bürgerhäuser, Community-Center und Stadtteilkulturzentren. Der Quartiersfonds Bezirke ist auf 7 Mio. Euro erhöht worden und wird bei Bedarf im Rahmen der Bewirtschaftung um weitere 3 Mio. Euro erhöht.«

Dabei hätte Rot-Grün die sowohl für den Nachtragshaushalt 2018 wie für den Doppelhaushalt 2019/2020 deutlich gesteigerten Ausgaben auch dafür nutzen können, spezifische Maßnahmen gegen die soziale Spaltung (von einer deutlichen Steigerung der RISE Mittel über eine Verstärkung des Baus von preiswerten Wohnungen, die Ausweitung der Mittel sozialen Arbeitsmarkt bis hin zur Einführung eines Sozialtickets) auf den Weg zu bringen. Allein dafür fehlt der politische Wille. Sowohl SPD wie Grüne diskutieren auf der Bundesebene gegenwärtig über ein neues Sozialstaatskonzept. Auf der Landesebene ist davon bisher nichts angekommen.

Im Gegenteil: Die Hamburger SPD ist nach dem Bundesparteitag, sogar deutlich auf Distanz zur den Beschlüssen des Bundesparteitags gegangen. So gab der der Ex-Parteichef und Altonaer Kreisvorsitzende Mathias Petersen zu Protokoll: »Der Bundesparteitag hat nichts mit der Bürgerschaftswahl zu tun.« In Hamburg gehe es darum, »dass wir weiter Wohnungen bauen, es geht um gebührenfreie Kitabetreuung, darum dass wir die U- und S-Bahnen ausbauen, die Preise für den HVV senken, dass wir bei den alternativen Kraftstoffen neben Strom auf Wasserstoff setzen und vieles mehr. Die Hamburger SPD orientiert sich, nicht erst seit Helmut Schmidt, an der Realität und nicht an visionären Bundesparteitagsbeschlüssen.« Zu diesen »Realitäten« gehört das Thema soziale Spaltung nicht.

1)Eine aktuelle Spon-Umfrage/Civey im Auftrag des Spiegel kommt zu ähnlichen Ergebnissen: SPD 30,4% und Grüne: 24,1%. Die CDU stürzt hier allerdings ab auf 13,6% ¬– und liegt damit gleichauf mit der LINKEN, die 13,7% erreicht. Die FDP kommt in dieser Umfrage auf 7,4%, die AfD auf 7,5%.

2) Der in einer sehr bürokratischen Sprache abgefasste Sozialmonitoring-Bericht hat nur einen begrenzten Gebrauchswert. Die Grafiken sind ziemlich unübersichtlich, und die dabei verarbeiteten Daten werden nicht öffentlich gemacht. So gehen in den Index z.B. Daten über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein, die das Statistik-Amt Nord für die Stadteilebene seit 2015 nicht mehr veröffentlicht. Gerade auf der Statteilebene wären diese allerdings sehr hilfreich, weil damit auch erkennbar würde, welcher Bedarf etwa an spezifischen Maßnahmen für Senior*innen hier heute und verstärkt noch in der Zukunft besteht

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