Der rechte Rand

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31. Oktober 2017 Joachim Bischoff / Norbert Weber

Privatisierung der HSH Nordbank – Ist der Optimismus der Politik begründet?

Am vergangenen Freitag, 18.00 Uhr, lief die Frist für ernsthafte Interessenten am Kauf der HSH-Nordbank ab. Die Finanzminister in Hamburg und Kiel – Monika Heinold (Grüne) und ihr Hamburger Amtskollege Peter Tschentscher (SPD) – sind erleichtert. »Zum Stichtag 27. Oktober 2017 sind aus dem Kreis der Bieter verbindliche Angebote auf die HSH Nordbank abgegeben worden … Nach erster Sichtung bieten diese eine gute Grundlage, um den Verkaufsprozess fortsetzen zu können.«

Die Eigentümer der Staatsbank HSH Nordbank – ein sogenanntes Zombie-Unternehmen, das durch öffentliche Gelder bislang dem Konkurs entgangen ist – haben weiterhin Hoffnung, einer Abwicklung zu entgehen. Durch die »Privatisierung« sollen Einnahmen aus der »werthaltigen Substanz« der Bank generiert werden, so dass der bisherig aufgehäufte Schuldenberg etwas verkleinert werden kann. Die HSH Nordbank steht seit Anfang des Jahres zum Verkauf, nachdem sie zuvor durch staatliche Maßnahmen gerettet wurde. Den Verkauf hatte die EU-Kommission zur Auflage gemacht, nachdem die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ihre Garantien für die Bank ausweiten wollten.

Die Staatsgelder, um die es geht, sind grob gelistet:

  • das aufgestockte Eigenkapital nach der Fast-Pleite von drei Mrd. Euro;
  • eine komplexe Garantie von 10 Mrd. Euro auf Kredite und Wertpapiere;
  • Um das Volumen der notleidenden Kredite zu reduzieren – also gestörte Rückzahlungen an die Bank – haben die Bundesländer für weitere 2,4 Mrd. Euro ein Kreditpaket im Nominalwert von fünf Mrd. Euro angekauft.

Ohne die Reduktion dieser notleidenden Kredite käme eine Privatisierung mit Sicherheit nicht zustande. Das Volumen der problembeladenen Kredite des einst weltweit größten Schiffsfinanzierers soll von ca. 17 Mrd. Euro auf 11 Mrd. Euro geschrumpft worden sein und bis zum Jahresende auf etwa acht Mrd. Euro sinken. Finanzkreisen zufolge hat die Bank dieses Ziel jetzt schon knapp erreicht. Ende 2018 soll sich die Summe dann auf etwa vier Mrd. Euro halbieren.

Nach Auflagen der EU-Kommission muss der Verkaufsprozess bis Ende Februar 2018 soweit gediehen sein, dass die bisherigen Eigentümer – Hamburg, Schleswig-Holstein sowie der Schleswig-Holsteinische Sparkassenverband – sich mit einem neuen Eigentümer soweit geeinigt haben, dass ein Kaufvertrag formell geschlossen werden kann. Bei den Sparkassen geht es nicht nur um deren Anteil am Eigenkapital, sondern diese Finanzinstitute haben ihren Kunden Zertifikate der Bank »angedreht«, die durch Einlagensicherung nicht gedeckt sind, und über die im Verkaufsprozess auch eine Einigung erreicht werden muss. Offenkundig zittern tausende Sparkassenkunden um diese Einlagen.

Verbraucherschützer wie die Verbraucherzentrale Hamburg kritisieren diese Verkaufsoperation seit langem. Denn diese  Kunden sind rechtlich gesehen keine einfachen Sparer mehr, sondern Gläubiger der HSH Nordbank. Das Volumen wird auf rund fünf Mrd. Euro geschätzt. Das ist das Achtfache der Summe, die 2008 deutsche Anleger im Zuge der Lehman-Pleite verloren haben. Ein kniffliger Punkt bei den Verkaufsverhandlungen sind also diese Zertifikate. Werden die neue Eigentümer bereit sein, diese Anleihen zu bedienen? Vom Volumen im Milliarden-Poker fallen diese Zertifikate nicht sonderlich ins Gewicht, aber die verärgerten Sparkassenkunden könnten die selbstherrliche Politik in Hamburg und Kiel in einen Abgrund hineinziehen.

Die finanzpolitischen Scheinriesen aus den öffentlichen Finanzministerien und dem HSH-Bank-Vorstand haben seit 2009 jede Bodenhaftung verloren und beständig Optimismus verbreitet. HSH-Nordbank-Chef Stefan Ermisch hatte kürzlich sogar die Privatisierung der Bank als »gutes Geschäft« angepriesen: Die Risiken lägen für die Erwerber bei weniger als zwei Mrd. Euro. Diese würden von den künftigen Gewinnen der Bank in den nächsten Jahren leicht erwirtschaftet werden können – der »Deal« sei also für die künftigen Eigentümer proper. Und: Viele Reeder setzen und wetten auf eine baldige Überwindung der globalen Schifffahrtskrise, was die Zombie-Bank in eine Goldgrube verwandeln würde.

Neben dem ungelösten Problem der Sparkassenkunden sind die  SteuerzahlerInnen in Hamburg und Schleswig-Holstein die Verlierer im Finanzpoker. Der großzügige Umgang mit öffentlichen Geldern und die Fehler der Bank in den Jahren vor 2009 werden selbst nach Einschätzung der Kieler Finanzministerin, Monika Heinold (Grüne), 10 bis 16 Mrd. Euro kosten. Selbst die Obergrenze von 16 Mrd. Euro wird von etlichen Beobachtern in Zweifel gezogen.

Wer will also das Zombie-Unternehmen kaufen?

Nach Prüfung der Bankunterlagen sollen – so die Gerüchteküche und das politische Plappermaul Kubicki – die New Yorker Finanzinvestoren Cerberus, Apollo und J.C. Flowers dabei sein. Alle drei sind bereits an deutschen Banken beteiligt – Flowers mit 5,1% an der HSH. Als vierter ernsthafter Kandidat galt die britische Gruppe Socrates Capital, von der auch Experten nichts Genaues wissen.
Verkauft werden die von Hamburg, Schleswig Holstein und dem Schleswig-Holsteinische Sparkassenverband gehaltenen 94,9% des Aktienkapitals der Bank, die 5,1 % von Flowers bleiben im Verkaufsprozess außen vor. Verkauft werden »müssen« mindestens 75% dieser 94,9%, 25 % dürfen die bisherigen Eigentümer noch für eine Übergangsfrist im Eigentum behalten.
Am Wochenende beeilten sich alle betroffenen politisch Verantwortlichen, zu erklären, wie wunderbar der Verkaufsprozess läuft und wie zuversichtlich sie seien, dass für die Bank in Gänze ein neuer Eigentümer gefunden wird. Doch ist dieser Optimismus der politisch Verantwortlichen berechtigt und begründet oder vielleicht doch nur Hoffnung oder Zweckoptimismus?

Schauen wir kurz zurück bis zum Jahreswechsel 2015/2016. 2015 stand die HSH Nordbank erneut kurz davor, ihre Tore schließen zu müssen. Die wirtschaftliche Situation der Bank war erneut festgefahren, aus eigener Kraft hätte sich die Bank nicht befreien können. So stand sie vor der Alternative, entweder in ein geordnetes Verfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz überführt zu werden, oder sich nochmals von den Ländern aus Steuergeld retten zu lassen.
Beide Landesregierungen, sowohl in Hamburg als auch Schleswig-Holstein, prügelten regelrecht eine erneute Rettung zu Lasten der Länder durch die Parlamente. Im Zuge dieser erneuten Rettung

  •  wurde die HSH Portfoliomanagement AöR gegründet, mit einer Kreditlinie über fünf Mrd. Euro ausgestattet und musste Kreditschrott von der HSH zur Bilanzentlastung übernehmen. Über die Kreditlinie von fünf Mrd. Euro hinaus, haben die Länder der PoMa weitere Linien gewährt (bisher sind hier 1,1 Mrd. Euro bekannt).
  • wurde die HSH Finanzfonds AöR mit einer weiteren Kreditlinie über 10 Mrd. Euro ausgestattet.
  • wurde die HSH Beteiligungsmanagement GmbH im Eigentum der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sowie des SH-Sparkassenverbandes gegründet. Diese musste alle Zahlungsverpflichtungen aus der Ländergarantie über 10 Mrd. Euro übernehmen –mit Ausnahme des nicht in Anspruch genommenen Anteils. Gleichzeitig hat diese Beteiligungsmanagement (kurz: HoldCo) der HSH Nordbank alle in der Bankbilanz gebildeten Rückstellungen zur Zusatzgarantie in einer Größenordnung über eine Mrd. Euro faktisch »geschenkt«. Zugestanden hätte dieser Betrag den Ländern, die bzgl. der Zusatzgarantie bisher lediglich Besserungsscheine von der HSH erhalten hatten. Die Bank nutzte diesen Betrag erlöswirksam, um ihren 2015er-Abschluss positiv ausweisen zu können.

In Folge nutzte die Bank die Zeit, um sich strukturell neu zu organisieren. So benannte sie die bisherige konzerninterne »Restructuring Unit – kurz: RU« um in »Abbaubank«, und buchte u.E. ohne Rücksicht auf Interessen der Eigentümer fleißig hin und her. Alle im gesunden Teil der Bank, der Kernbank, aufgelaufenen Schrottkredite buchte sie in die Abbaubank, alle werterholten Teile aus der Abbaubank buchte sie zurück in die Kernbank. Dieser Prozess wurde lapidar »Reallokation« genannt. Innerhalb dieses Prozesses buchte die Bank 6,6 Mrd. Euro Kreditschrott in die Abbaubank, zurücktransferiert wurden 4,5 Mrd. Euro an werterholten Assets. Auch diese Wertpapier-Assets wurden zur Ergebnisverbesserung in Folge von der HSH weitestgehend liquidiert.

Und nun muss nach EU-Auflage die operative Bank verkauft werden, »über alles« wird als Verkaufserlös »mindestens« ein symbolischer positiver Euro herauskommen müssen.
Wer von den gehandelten Interessenten ein belastbares Kaufangebot abgegeben hat, ist nicht bekannt. Entsprechende Presseberichte widersprachen sich am Wochenende. Zudem ist bei diesen Angeboten unklar, ob hier für die Gesamtbank, also einschließlich der bankinternen Abbaubank geboten wurde, oder möglicherweise lediglich für den gesunden Teil der Kernbank.

In der bankinternen Abbaubank befanden sich per 30.06.2017 noch 17,2 Mrd. Euro an schlechten Risiken. Der HSH-Vorstandsvorsitzende Ermisch wird zwar damit zitiert, dass bis Ende 2018 dieser Bestand auf etwa vier Mrd. Euro zurückgeführt werden kann und man dafür bereits 50% an Risikovorsorge gebildet habe, doch diese Aussage ist nicht belastbar und auch nach Vorlage des üblichen Berichts zum dritten Quartal 2017 bleibt dies bloße Hypothese.

Realistischerweise muss man wohl von einem erneuten Entgegenkommen der Länder ausgehen, wie auch immer das aussehen mag. Theoretisch möglich wären hier diverse Szenarien bzw. Mischformen davon:

  • Die Länder könnten 25% von 94,9 % der Bank zunächst behalten.
  • Die Länder könnten weitere Garantien für eine Übergangszeit gewähren – der EU-Kommission wäre das nun relativ egal, da die Forderung der EU, nämlich dass die Bank privatisiert wird, ja zumindest als Versuch erfüllt wurde.
  • Die Länder könnten der Bank erneut schlechte Assets bzw. Risiken abkaufen. Sowohl bei der HSH Finanzfonds AöR als auch bei der HSH Portfoliomanagement AöR wären grundsätzlich noch Teile der Kreditlinien frei.
  •  Die Länder könnten mit Hilfe von juristischen Winkelzügen erreichen, dass sich die »Deadline« Ende Februar 2018 nahezu beliebig verlängern lässt.
  • Die HSH Nordbank könnte erneut weiteren Kreditnehmern Teile von Schrottkrediten erlassen und ggf. den Ausfall Hamburg und Schleswig-Holstein in Rechnung stellen (genannte sei an dieser Stelle die Forderungserlasse in Milliardenhöhe an MPC, Kortüm, Schoeller-Holding).
  • Da die HSH Nordbank zum Haftungsverbund der Sparkassenorganisation gehört, wären auch hier Hilfen – theoretisch – einforderbar.

Zum Jahreswechsel 2015/2016 haben wir dafür plädiert, die operative HSH Nordbank nicht erneut aus Steuergeldern zu retten, sondern die Bank in ein geordnetes Verfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz zu überführen. Dieses haben wir auch fundiert dargelegt und sowohl sachgerecht als auch belastbar argumentiert. Die Landesregierungen haben sich zu unserem absoluten Unverständnis jedoch dagegen entschieden, viel weiteres »gutes« Geld ist dem »schlechten« hinterhergeworfen worden. Die Konsequenz daraus ist leider, dass sich die Länder durch die Entscheidung zum Jahreswechsel 2015/2016 viel zu weit aus dem Fenster gelehnt, ihre Verhandlungsposition gegenüber der Bank deutlich verschlechtert und sich schlichtweg erpressbar gemacht haben. Es ist so viel weiteres Steuergeld in die Bank geradezu »versenkt« worden, so dass man zum jetzigen Zeitpunkt auch aus unserer Sicht leider nur hoffen kann, dass der Verkaufsprozess gelingt.

Falls es nicht zu einem Verkauf kommen kann, dann wird die HSH Nordbank im ersten Schritt ihr Neugeschäft einstellen und dann doch in ein Abwicklungsverfahren überführt werden müssen.
Das von uns vielfach geforderte »Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende« wäre bei einer Überführung in ein Abwicklungsverfahren leider auch nicht mehr gegeben. Die Länder haben der Bank bereits viel zu viel an Schrottrisiken abgenommen, viele Jahre werden die Länder noch dafür zahlen müssen. Und da die Einnahmen der Länder bekanntlich nur einmal ausgegeben werden können, werden diese Gelder den Länderhaushalten an anderen Stellen schmerzlich fehlen.

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