Der rechte Rand

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31. Juli 2020 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Hamburgs Politik im Krisenmodus oder die rot-grünen Siebenschläfer

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sorgen am Hamburger Arbeitsmarkt für einen weiteren Negativrekord: 91.140 Hamburger*innen sind derzeit ohne Job. Die waren 3.365 mehr als im Monat zuvor. Erstmals seit anderthalb Jahrzehnten hat die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg die Marke von 90.000 übersprungen. Die Arbeitslosenquote in der Hansestadt kletterte um 0,3% auf 8,5%.

Die Verwüstung in der Wertschöpfung und demzufolge im Lohnarbeitsbereich ist aber noch nicht beendet. Weitere Unternehmensschließungen und damit ein weiterer Aufbau der Beschäftigungslosigkeit sind im Herbst zu erwarten. Der rot-grüne Senat ist nicht sonderlich beunruhigt und hofft offensichtlich auf eine wundersame Wendung, denn Anstrengungen von Seiten der Politik zur Abschwächung dieser Bewegung sind sowenig zu erkennen wie eine Konzeption zur Gestaltung des Sektors der Arbeitslosigkeit.

Es gibt nach wie vor keine Überlegungen für ein Landesprogramm Arbeit.  Gewerkschaften und Betriebsräte fordern von den norddeutschen Landesregierungen, dass sie sich für die angeschlagenen Unternehmen und die dadurch gefährdeten Arbeitsplätze stark machen und Alternativen entwickeln. Die Resonanz ist gleich Null. »Der Arbeitsmarkt spürt nach wie vor die Auswirkungen der Pandemie«, sagt Reinhold Wellen, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit. Zuletzt registrierte die Agentur im Januar 2005 bei der Einführung von Hartz IV einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 90.000. Damals zählte man 90.035 Jobsuchende. Die bisher höchste Arbeitslosigkeit seit 1950 in Hamburg gab es im Februar 1952 mit 110.800 Personen.

Arbeitslose in Hamburg

Mit diesem Anstieg der Arbeitslosigkeit liegt Hamburg beim Ranking der Bundesländer ganz weit oben. Die Hansestadt hat nach Bayern (+46%), Baden-Württemberg (+44,8%) und Berlin (+37,6%) mit 35,4 % einen besonders massiven Zuwachs an Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahr zu verkraften.

Auch bei den Arbeitslosenquoten zählt Hamburg inzwischen nach Bremen und Berlin mit 8,5% zu den am stärksten betroffenen Bundesländern. In allen Ländern hat die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die stärksten Anstiege werden in den Stadtstaaten Berlin (+2,8%) und Hamburg (+2,2%) ausgewiesen. Von den Flächenstaaten hat Nordrhein-Westfalen den größten und Brandenburg den geringsten Zuwachs (+1,5 bzw. +0,8 Prozentpunkte).

Wer ist in Hamburg von Arbeitslosigkeit betroffen?

Alle Gruppen des Arbeitsmarktes sind von steigender Arbeitslosigkeit betroffen, nach wie vor auch junge Menschen unter 25 Jahren. Ihre Arbeitslosigkeit stieg im Juli auf 8.211. Im Vergleich zu Juli 2019 gibt es einen Anstieg von 2.224 oder 41,9%. Besonders betroffen sind weiterhin an- und ungelernte Personen ohne anerkannten Berufsabschluss. 51.155 (Anteil an allen Arbeitslosen: 56,1%) von ihnen sind im Juli arbeitslos. Aber auch die Arbeitslosigkeit der Fachkräfte erhöhte sich um 2.253 auf 39.985, dies ist ein Anteil von 43,9% aller Arbeitslosen. Im Juli 2019 waren 29.449 (43,7%) Fachkräfte ohne Arbeit, 10.536 weniger als 2020.

Die Arbeitslosigkeit von Frauen stieg um 1.803 oder + 4,6% zum Vormonat auf 41.078 (Vorjahresmonat: 10.686; + 35,2%), die der Männer um 1.562 oder + 3,2% auf 50.061 (Vorjahresmonat: 13.126; + 35,5%). Um 5.380 oder + 29,1% erhöhte sich die Arbeitslosigkeit der 50-Jährigen oder älter. Bei Langzeitarbeitslosen sind 20.946 arbeitslos, ein Plus von 4.122 bzw. 24,5% gegenüber dem Vorjahresmonat.

Ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Arbeitslosigkeit liegt an der schwach ausgeprägten Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes. So verloren 7.224 Erwerbstätige im Juli ihren Job, 627 (+ 9,5%) mehr als im Vormonat. Damit erhöhte sich der Zugang an Arbeitslosen aus Erwerbstätigkeit um 935. Im Juli 2019 waren es 330 oder 4,8% mehr. Gleichzeitig nahmen nur 4.484 eine neue Tätigkeit auf, 175 (+ 4,1%) mehr als im Juni 2020 und 12,3% weniger als im Vorjahresmonat. Insgesamt beendeten 11.788 Menschen ihre Arbeitslosigkeit. Das sind 8,6% oder 932 mehr als im Vormonat.

Unterbeschäftigung und Erwerbslosigkeit

Die Unterbeschäftigung, die auch Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik und kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt, hat sich von Juni auf Juli 2020 um 2.876 oder 2,6% auf 112.279 erhöht. Damit wächst die Unterbeschäftigung weniger stark als die Arbeitslosigkeit. Gegenüber dem Vorjahresmonat betrug der Anstieg 18.312 oder 19,5 %. Dies liegt zu einem großen Teil daran, dass wegen der Kontaktbeschränkungen Angebote der Arbeitsmarktpolitik nicht zum Einsatz kamen.

Die Gruppe der 91.140 Arbeitslosen bildet in der Unterbeschäftigung mit 81,2% (Vormonat 80,2%) die größte Teilmenge. 39.750 Hamburger*innen (im Juni waren es 41.375) sind aufgrund von Kündigung oder befristetem Arbeitsverhältnis zwar noch beschäftigt, aber bereits als arbeitsuchend gemeldet und erhalten Jobangebote. Sie bilden die Differenz zwischen allen Arbeitsuchenden (152.029) und den Personen, die der Unterbeschäftigung zuzurechnen sind (112.279).

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und Kurzarbeit

Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg liegt weiterhin bei über einer Million. Im Mai 2020 waren insgesamt 1.000.600 Frauen und Männer am Arbeitsort Hamburg sozialversicherungspflichtig beschäftigt.  Im Jahresvergleich stieg die Beschäftigung damit leicht um 1.500 oder 0,2%. Im Vergleich zum Vormonat ist sie gesunken um minus 3.900 (- 0,4%).  
Dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Hamburg bisher auf hohem Niveau geblieben ist und von Arbeitslosigkeit nicht noch mehr Lohnabhängige betroffen sind liegt vor allem am arbeitsmarktpolitischen Instrument der Kurzarbeit. Hier gab es m Juli 174 neue Anzeigen, die sich auf rund 2.900 Beschäftigte beziehen. Im Juni waren es noch über 800 Anträge. Seit Beginn der Corona-Pandemie Mitte März bis Juli summieren sich die Kurzarbeitsanträge auf 24.063 Anzeigen mit rund 367.000 Beschäftigten.

Perspektiven

Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit in Hamburg und Deutschland ist vor allem auf den coronabedingten »Lockdown« zurückzuführen, der Wirtschaft und öffentliches Leben massiv beeinträchtigt hat. So ist nach Angaben des statistischen Bundesamts das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland im 2. Quartal 2020 gegenüber dem 1. Quartal – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 10,1% gesunken. Das war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen für Deutschland im Jahr 1970. Er fiel noch deutlich stärker aus als während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise (-4,7% im 1. Quartal 2009). Im 2. Quartal 2020 sind sowohl die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen als auch die privaten Konsumausgaben und die Investitionen in Ausrüstungen massiv eingebrochen. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise.

Ebenso ist im Vorjahresvergleich die Wirtschaftsleistung eingebrochen: Das BIP war im 2. Quartal 2020 preisbereinigt um 11,7% niedriger als ein Jahr zuvor (auch kalenderbereinigt). Auch hier hatte es nicht einmal in den Jahren der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09 so starke Rückgänge gegeben: Der bisher stärkste Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal war mit -7,9% im 2. Quartal 2009 zu verzeichnen. Zuvor befragte Fachleute hatten im Schnitt ein Minus von 9% vorhergesagt.

Für das laufende 3. Quartal erwarten die Ökonom*innen hingegen wieder Wirtschaftswachstum. Die Fachleute des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beispielsweise sagen einen BIP-Anstieg um 3% voraus. Dennoch werde es wohl zwei Jahre dauern, bis der historische Einbruch vom Frühjahr wettgemacht ist, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Wie schnell und nachhaltig dieser Erholungsprozess allerdings ausfallen wird, hängt erstens von der weiteren Entwicklung der Infektionszahlen ab, und zweitens von der ökonomischen Entwicklung in Europa und auf dem Weltmarkt. Hier gibt es viele Fragezeichen.

Für Hamburg bedeutet das, dass trotz der wirtschaftlichen Erholungstendenzen davon auszugehen ist, dass wir im Herbst bei den Arbeitslosenzahlen die 100.000-Marke überschreiten werden. So weit will Reinhold Wellen, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit Hamburg, zwar nicht gehen. »Darüber zu spekulieren, wäre zu früh«, sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. Der gebremste Anstieg bei den Arbeitslosenzahlen wie auch der Rückgang bei den Neuanmeldungen bei Kurzarbeit sind aus seiner Sicht »ermutigende Zeichen, dass es so schlimm nicht kommen muss«.

Dafür spricht allerdings, dass es im Herbst zu einer Insolvenzwelle kommt, von der insbesondere die Gastronomie und der Handel betroffen sein könnten. Aber auch aus den zentralen Säulen der Hamburger Wirtschaft, der Luftfahrtindustrie, der Hafenwirtschaft und dem Tourismus, kommen täglich reichlich Signale, die auf einen stärkeren Abbau von Arbeitsplätzen hindeuten.

Alarmglocken nicht gehört

Über 90.000 Arbeitslose in Hamburg müssten eigentlich beim rot-grünen Senat alle Alarmglocken klingeln lassen. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne noch versprochen, dass aktive Arbeitsmarktpolitik zukünftig ganz oben auf der politischen Agenda zu finden sein werde. Doch davon ist bisher weit und breit nichts zu sehen. Genauso wenig wie von einer Strukturpolitik für die Stadt, die Hamburger Wirtschaft zukunftsfest macht. Stattdessen sind wir täglich Zeugen einer konzeptionslosen Wirtschaftspolitik, die sich bietende Gestaltungschancen vergeigt.

  • Beispiel Nordex:  Der aufgrund eines starken Auftragseinbruchs als Folge der Corona-Krise unter Druck geratene Hamburger Windkraftanlagen-Hersteller Nordex mit 800 Beschäftigten in Hamburg und mehr als 1.600 Beschäftigten in Rostock, benötigt insgesamt staatliche Bürgschaften für einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 350 Mio. Euro. Für die Hälfte davon – 175 Mio. Euro – soll demnach der Bund bürgen, für 116 Mio. Euro das Land MV und für den Rest Hamburg. Während Mecklenburg-Vorpommern inzwischen eine Kreditbürgschaft von gut 104 Mio. Euro zugesichert hat, ziert sich der rot-grüne Senat. Eine Behördensprecherin verwies auf den jährlichen Bericht der zuständigen Kreditkommission an die Bürgerschaft. Der Bericht für 2020 ist in etwa einem Jahr zu erwarten.
  • Beispiel Sietas: Seit Monaten schon blockiert Hafen-Schlick die Zufahrt zur Hamburger Werft Pella Sietas in Neuenfelde. Pella Sietas drohte deshalb den Standort aufzugeben. Die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) hatte der Pella-Sietas-Werft bislang untersagt, dort mittels Wasserdruck den Schlick quasi wegzublasen – aus Sorge, dass dadurch das Estesperrwerk blockiert wird, das für den Hochwasserschutz benötigt wird. Jetzt brachte ein Krisentreffen mit Vertreter*innen von Senat sowie Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Lösung. Die Werft darf den Schlick nun doch aus ihrem Hafen und der Este-Mündung wegbaggern, der bisher ein fast fertiges neues Schiff blockiert.

 

 

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