Der rechte Rand

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8. Januar 2019 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Flüchtlinge in Hamburg

Die Zahl der Flüchtlinge, die pro Monat in Hamburg untergebracht und betreut werden müssen, sinkt kontinuierlich. Dieser Rückgang ist überwiegend den verschärften Grenzbarrieren in Europa zu zuschreiben und nicht einer Trendwende bei den Fluchtursachen.

Weltweit waren Ende 2017 mehr als 68 Mio. Menschen auf der Flucht, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Sie fliehen vor Krieg, gewaltsamen Konflikten, Menschenrechtsverletzungen oder politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung. Hinzu kommen extreme Naturereignisse, die ebenfalls immer öfter Grund für die Flucht aus der Heimat sind. Nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge macht sich auf den Weg nach Europa. Fast 90% werden von Entwicklungsländern aufgenommen.

Abbildung 1


 
Ein Ende dieser dramatischen Lage ist zurzeit nicht absehbar, insbesondere die Menschen im Nahen Osten stecken in einer humanitären Katastrophe: Der Bürgerkrieg in Syrien dauert an. Dort, im Irak sowie in der gesamten Region sind Hunderttausende auf der Flucht. In Afrika baut sich infolge von Bürgerkriegen und Klimakatastrophen eine weitere Zerstörung der gesellschaftlichen Reproduktion auf, die weitere Mio. Betroffene zur Flucht zwingt.

Laut Angaben des UNHCR vom Juni 2018 (1)  waren weltweit 2017 rund 68,5 Mio. Menschen auf der Flucht. Das sind fast drei Mio. mehr als 2016 (65,6). Rund 25,4 Mio. dieser Menschen waren Flüchtlinge, die wegen Konflikten und Verfolgung ihr Heimatland verlassen mussten. Das sind 2,9 Mio. mehr als 2016 – der größte Anstieg der Flüchtlingszahlen in einem Jahr in der Geschichte von UNHCR (seit 1951). 53% von ihnen waren Kinder, darunter viele sogar unbegleitet oder von ihren Familien getrennt. 40 Mio. Menschen sind Binnenvertriebene, Menschen, die innerhalb ihres Landes auf der Flucht sind. Die Zahl der Asylsuchenden, die zum 31. Dezember 2017 noch auf das Ergebnis ihres Verfahrens warteten, stieg um 300.000 auf 3,1 Mio.

Während die Flüchtlingszahlen weltweit im vergangenen Jahr erneut gestiegen sind, nimmt die Zahl der Ankünfte in Deutschland weiter ab. Laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sank in Deutschland die Zahl der Asylanträge in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres um weitere 20 Prozent. Im ersten Halbjahr 2018 seien 81.800 Anträge auf Asyl registriert worden. 2017 waren es im gleichen Zeitraum 101.000 Anträge, 2016 noch 387.700, wie das Flüchtlingshilfswerk mitteilte. »Die Flüchtlingskrise findet woanders statt, etwa in Bangladesch oder Libanon«.

Deutschland unterstützt seit Jahren den Kampf gegen Fluchtursachen – bilateral, gemeinsam mit anderen entwickelten Staaten, der EU und internationalen Organisationen. Es geht nach zügiger humanitärer Hilfe um die Entwicklung der zerstörten Regionen zur Sicherung der Lebensgrundlagen. Der größere Zustrom von Flüchtlingen in Teile von Europa hat – jenseits von den gesamtstaatlichen, kirchlichen u.a. Anstrengungen zur Zurückdrängung von Fluchtursachen – auch die Strukturen des kommunalen Alltags verändert und in der Konsequenz die öffentlichen Finanzen betroffen.

Zuflucht in der Hansestadt

Die Zahl der nach Hamburg kommenden Flüchtlinge ist im vergangenen Jahr weiter gesunken. Insgesamt sind 8.927 Menschen in der Hansestadt in das bundesweite Verteilungsnetz aufgenommen worden – 79 weniger als im Vorjahr. Davon seien 4.780 Schutzsuchende der Stadt zugewiesen worden – 2017 waren es noch 5.408. In Hamburg sind noch sechs Erstaufnahmeeinrichtungen sowie das Ankunftszentrum in Betrieb. Dort lebten Ende Dezember 1.224 Menschen. In 128 sogenannten Folgeunterkünften waren zum Stichtag 31.12. 34 227 Menschen untergebracht.

 

Rund 56.000 Flüchtlinge leben mittlerweile in Hamburg und sie verändern die Stadt. Unterbringung, Betreuung, Verpflegung – das alles kostet zum einen Geld. Auf der anderen Seite sind die überlieferten staatlichen Strukturen bis heute mit den Problemen überfordert und können die Handlungsschwäche nur mit dem Engagement der unterstützungswilligen BürgerInnen bewältigen. Dennoch, im Kern sind der Staat und öffentlichen Finanzen gefordert: Die ZuwandererInnen wohnen in städtischen Unterkünften, besuchen Sprachkurse und müssen zum Arzt. Die Stadt verpflegt sie, schickt ihre Kinder in die Kitas, hilft beim Berufseinstieg und stellt Sicherheitsdienste ein, um die Unterkünfte zu schützen. Es geht also auch um die Bilanzierung dieser Aufwendungen.

Der städtische Haushalt und die Flüchtlinge

Schon in 2017 ist die Zahl der Zufluchtsuchenden auch in Hamburg deutlich zurückgegangen.

 

Diese Tendenz hat sich auch 2018 fortgesetzt. Von Januar bis Dezember kamen insgesamt 8.924 Zufluchtsuchende nach Hamburg, von denen 4.780 in Hamburg verblieben. Davon hatten 2.947 einen Unterbringungsbedarf. 2017 kamen noch 9.006 Flüchtlinge, von denen 5.408 in Hamburg verblieben, davon 3.321 mit Wohnbedarf. Insgesamt lebten damit rund 35.400 Personen in Erstaufnahme und Folgeunterkünften.

Abbildung 3



Per Ende Oktober 2018 lebten insgesamt 55.865 Schutzsuchende in Hamburg. Das waren 1.635 mehr als Ende Dezember 2017. Von ihnen kamen 14.933 BürgerInnen aus Afghanistan, 9.982 aus Syrien, 4.888 aus dem Iran und 3.687 aus dem Irak.

Dass 2016 ff. deutlich weniger Zufluchtsuchende nach Hamburg (und Deutschland) kamen, hat dazu geführt, dass die Zahl der EmpfängerInnen von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zurückgegangen ist. So bezogen am Jahresende 2017 in Hamburg 11.700 Personen Regelleistungen zur Deckung ihres laufenden Lebensunterhalts. Das waren 33% weniger als ein Jahr zuvor. Bis Ende November 2018 ist die Zahl der EmpfängerInnen von Asylbewerberleistungen weiter auf 11.258 gesunken.

Abbildung 4



Gleichzeitig sind auch die Ausgaben für die Zufluchtsuchenden zurückgegangen. Im Jahr 2017 hat Hamburg 109 Mio. Euro für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgegeben. Das sind 26% weniger als im Vorjahr.

Unterbringung

Insgesamt sind in Hamburg noch sechs Erstaufnahmeeinrichtungen sowie das Ankunftszentrum in Betrieb. Dort lebten im Dezember (Stichtag: 31.12.2018) 1.224 Menschen, 450 Personen im Ankunftszentrum und 774 Personen in Erstaufnahmen. Zum 31.12.2018 gab es 128 Folgeunterkünfte mit 34.227 Plätzen.

Gesamtausgaben für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen in 2017(2)

Im Jahr 2017 wurden rund 779 Mio. Euro ausgegeben und damit rund 120 Mio. Euro weniger als im Jahr davor (2016: 899 Mio. Euro). Ein Teil dieser Ausgaben (159 Mio. Euro) wird vom Bund erstattet, sodass die auf Hamburg entfallenden Kosten bei rund 620 Mio. Euro liegen werden. Das sind 53 Mio. Euro weniger als 2016.

Zur Orientierung: Der Hamburger Haushalt umfasst ein jährliches Budget von insgesamt rund 12 Milliarden Euro. Für die Betreuung von Kindern in Krippen, Kitas und in der Tagespflege stehen rund 800 Mio. Euro jährlich zur Verfügung. Der Etat der Bildungsbehörde umfasst rund 2,3 Mrd. Euro. Aus diesen und weiteren Budgets der Fachbehörden speisen sich die Ausgaben für geflüchtete Menschen.

Angesichts der zurückgehenden Zahl der Schutzsuchenden soll in Hamburg nun auch der für Aufnahme und Unterbringung zuständige Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) in der bisherigen Form abgeschafft werden. Innen- und Sozialbehörde wollten den ZKF im Laufe des Jahres »sukzessive in eine bei der Sozialbehörde angesiedelte Koordinierungsstelle weiterentwickeln«, sagte ZKF-Sprecher Daniel Posselt. »Mit dem Umbau wird auch ein weiterer Personalabbau verbunden sein – der Koordinierungsstab wurde bereits von vormals rund 80 auf ungefähr 50 Mitarbeitende reduziert.« Für den Fall erneut zunehmender Flüchtlingszahlen sei aber gewährleistet, dass man schnell einen »ZKF 2.0« einsetzen könne.

Hamburg hat in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um die große Zahl der Zufluchtsuchenden unterzubringen und ihre Integration in die Stadtgesellschaft zu fördern. Entscheidend war dabei auch das große zivilgesellschaftliche Engagement der BürgerInnen. Gleichwohl bleiben Defizitbereiche im Bereich der Integration, wo die Stadt mehr tun müsste, insbesondere auch bei der Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Bereichs. Finanzielle Spielräume sind dank der guten Steuereinnahmen durchaus vorhanden. Aber wie beim Thema Eindämmung der sozialen Spaltung in Hamburg insgesamt, weigert sich der rot-grüne Senat entsprechende politische Akzente zu setzen.

Was passiert bei Ablehnung des Asylantrags?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschied nach eigenen Angaben in den ersten elf Monaten 2018 über gut 204.000 Asylanträge und lehnte rund 71.000 ab. Laut Bundesinnenministerium nahmen ausreisepflichtige AusländerInnen deutlich seltener Programme für die freiwillige Rückkehr in ihre Heimatländer in Anspruch als 2017. Die Zahl habe sich in etwa auf 14.000 halbiert.

Mit verdoppelten Prämien von bis zu mehreren Tausend Euro will die Bundesregierung dafür sorgen, dass mehr AsylbewerberInnen selbstständig das Land verlassen – in Hamburg hat die vorübergehende Maßnahme aber keine Wirkung gezeigt. Wie die Ausländerbehörde auf Anfrage bestätigte, stagnierte die Zahl der freiwilligen Ausreisen trotz der zusätzlichen Anreize. Aktuell liegt das Niveau der abgewanderten Personen sogar etwa 30% unter dem Vorjahr.

Insgesamt machten sich im Jahr 2017 rund 600 in Hamburg registrierte AsylbewerberInnen auf den Weg ins Ausland, meist zurück in ihre Herkunftsländer. Von Januar bis Ende März  2018 reisten weitere 121 Personen freiwillig aus, im ersten Quartal 2017 waren es noch 183 Personen gewesen.

Bei den Abschiebungen zeigt sich kaum eine Entwicklung: 2018 wurden bis Ende Oktober bundesweit 20.122 AusländerInnen abgeschoben und damit etwa so viel wie im Vorjahreszeitraum. Derzeit scheiterten bundesweit rund 40% der Abschiebungen an Widerständen der Herkunftsländer.

Und Hamburg ist auch in der Praxis der Abschiebung aktiv: Die Zahl der Abschiebehäftlinge am Hamburger Flughafen hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Demnach waren 2018 282 Menschen in der sogenannten Rückführungseinrichtung untergebracht. Im Jahr zuvor waren es rund 130. Grund sei, dass seit gut zwei Jahren ausreisepflichtige Menschen länger in dem eingezäunten Container-Camp untergebracht werden dürfen.

Und die Willkommenskultur? Nachdem die Flüchtlingszahlen zurückgegangen sind, bleiben viele Aufgaben. Jetzt gilt es für die anerkannten AsylbewerberInnen, den Alltag zu organisieren. »Dazu gehört Arbeit, Ausbildung und Qualifikation, vor allem aber der Umzug in eine eigene Wohnung. Nur so kann eine nachhaltige Integration gelingen.« Trotz der Rekordzuwanderung von Flüchtlingen in den Jahren 2015 und 2016, und trotz der überwiegend schlechten Informations- und Kommunikationspolitik, erweist sich die »Willkommenskultur« als stabiles gesellschaftliches Fundament, wie eine Umfrage durch die Bertelsmann-Stiftung zeigt. Auf die Frage, wie EinwandererInnen oder Flüchtlinge von der Bevölkerung willkommen geheißen würden, antwortete eine deutliche Mehrheit mit »sehr oder eher willkommen«. 70% geben an, dass EinwandererInnen in der Bevölkerung willkommen seien, bei Flüchtlingen sind es 59%. Fakt ist aber auch: Die Bereitschaft, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, geht zurück. 54% geben an, es sei eine Belastungsgrenze erreicht – vor zwei Jahren waren es nur 40%. Wenig überraschend: 81% der Befragten sprechen sich dafür aus, dass es in der EU eine fairere Verteilung von Flüchtlingen geben müsse.

1)  Vgl. https://www.unhcr.org/dach/de/28320-fluechtlingszahlen-weltweit-erneut-gestiegen-aber-weiter-deutlicher-rueckgang-in-deutschland.html
2)  Vgl. zum folgenden: www.hamburg.de/fluechtlinge-daten-fakten/8453782/kosten/. Siehe auch DKS 21/12466 vom 27.3.2018.

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